Darolutamid verzögert Metastasierung |
Brigitte M. Gensthaler |
03.04.2020 12:04 Uhr |
Ein Anstieg des PSA-Werts trotz Androgen-Entzugstherapie kann ein erneutes Wachstum eines Prostata-Tumors anzeigen. / Foto: Fotolia/jarun011
Etwa 2 bis 8 Prozent der Männer mit Prostatakrebs sind im sogenannten nmCRPC-Stadium. Das Kürzel bedeutet nicht metastasiertes kastrationsresistentes Prostatakarzinom. Dabei wächst der Tumor trotz Absenkung der endogenen Testosteronspiegel auf Kastrationsniveau weiter, ohne dass Fernmetastasen durch konventionelle Bildgebung nachweisbar sind. Erkennbar ist das Krebswachstum am erneuten Anstieg des Prostata-spezifischen Antigens (PSA).
Der Androgenentzug, der das Wachstum blockiert, erfolgte früher mittels Kastration. Heute werden Medikamente wie GnRH-Agonisten oder -Antagonisten (chemische Kastration) sowie Antiandrogene (Androgenrezeptor-Inhibitoren, ARI) eingesetzt. Zu den ARI zählen beispielsweise Enzalutamid (Xtandi® von Stellas) und Apalutamid (Erleada® von Janssen) sowie der neue Wirkstoff Darolutamid (Nubeqa® von Bayer), der Ende März in Europa zugelassen wurde. »Unser Ziel ist es, die Zeit bis zur Metastasierung hinauszuzögern und die Lebensqualität zu erhalten, denn viele Patienten sind noch symptomfrei«, erklärte Professor Dr. Andres Schrader, Münster, bei der Einführungspressekonferenz. Aus dänischen und US-amerikanischen Daten sei bekannt, dass sich die Prognose des Mannes deutlich verschlechtert, wenn Metastasen auftreten. Außerdem belaste dies die Lebensqualität, könne Angst und Schmerzen auslösen und weitere Therapien erforderlich machen.
Dass Darolutamid das metastasenfreie Überleben (MFS) verlängern kann, zeigte die randomisierte, doppelblinde Phase-III-Studie ARAMIS, die Professor Dr. Tilman Todenhöfer, Studienpraxis Urologie Nürtingen, vorstellte. Eingeschlossen waren rund 1500 Männer mit nmCRPC, die trotz Androgen-Deprivationstherapie (ADT) eine PSA-Verdopplungszeit unter 10 Monaten, aber keine Fernmetastasen hatten. Sie bekamen zusätzlich zur ADT entweder zweimal täglich 600 mg Darolutamid oder Placebo (randomisiert im Verhältnis 2:1 zugunsten des Verums).
Die Zeit bis zur Fernmetastasierung oder Tod verlängerte sich im Verumarm median um 22 Monate (40,4 versus 18,4 Monate). Der Vorteil gegenüber Placebo sei in allen Subgruppen nachweisbar, berichtete Todenhöfer. Ein statistisch signifikanter Vorteil für das Gesamtüberleben sei belegt (noch nicht publiziert).
Er wies auch auf sekundäre Endpunkte hin. So wurde eine Verschlechterung der Schmerzen signifikant hinausgezögert und das progressionsfreie Überleben (PFS) war signifikant länger. Ebenso war der Anteil der Patienten, deren PSA-Spiegel deutlich abfiel, unter Darolutamid deutlich höher als unter alleiniger ADT. »Zudem hat der Wirkstoff einen positiven Effekt auf die Lebensqualität und scheint die Zeit bis zu deren Verschlechterung hinauszuzögern.«
Häufigste Nebenwirkungen waren Fatigue (bei 12 Prozent), Rückenschmerzen, Arthralgie (je 8 Prozent), Diarrhö, Bluthochdruck und Obstipation (je 6 Prozent).
Todenhöfer wies auf Unterschiede zwischen Darolutamid und den bereits seit längerem zugelassenen Stoffen Enzalutamid und Apalutamid hin. Darolutamid hat eine polar substituierte Pyrazolstruktur und bindet mit hoher Affinität direkt an die Liganden-bindende Domäne des Rezeptors. Darolutamid und sein Keto-Hauptmetabolit hätten ein höheres Potenzial, die Rezeptor-Aktivierung und damit die Zellproliferation zu hemmen als die anderen Substanzen, berichtete der Urologe.
Zudem sei die Penetration durch die Blut-Hirn-Schranke gering. Darolutamid habe keinen signifikanten Einfluss auf die Durchblutung von Hirnarealen, die für die Kognition wichtig sind. In der ARAMIS-Studie waren kognitive Störungen oder Veränderungen des mentalen Zustands nicht signifikant häufiger als unter Placebo; Sturzneigung und Frakturen waren vergleichbar häufig. Dies ist auch für Schrader ein entscheidender Vorteil. »Ebenso wichtig wie die körperliche ist die geistige Fitness der Patienten, denn wir behandeln viele Jüngere, die noch berufstätig sind, sowie Ältere, die bereits geistige Einschränkungen bekommen.«
Das Wechselwirkungspotenzial ist überschaubar. Darolutamid kann laut Hersteller Bayer beispielsweise parallel zu Antikoagulanzien, Analgetika, Antithrombotika, Herzglykosiden und vielen weiteren Substanzgruppen eingenommen werden, was für die meist komorbiden Patienten sehr relevant ist.