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Grundlagenforschung

CAR-T-Zellen mit An- und Aus-Schalter

Der Vorteil von CAR-T-Zellen, ihre lange Wirksamkeit, kann gleichzeitig auch ein Nachteil sein, wenn es zu unerwünschten Wirkungen kommt. Forscher aus den USA haben dafür jetzt eine Lösung gefunden: CAR-T-Zellen mit An- und Aus-Schalter.
Annette Rößler
08.01.2021  12:00 Uhr

Beim Einsatz von CAR-T-Zellen macht man sich die Schlagkraft des körpereigenen Immunsystems gezielt zunutze: Patienteneigene T-Zellen werden entnommen, im Labor so verändert, dass sie einen chimären Antigenrezeptor (CAR) exprimieren, und dem Patienten zurückinfundiert. Im Körper attackieren die CAR-T-Zellen dann Zellen mit dem Oberflächenmerkmal, gegen das der CAR gerichtet ist. Im Fall der beiden bereits zugelassenen CAR-T-Zelltherapeutika Tisagenlecleucel (Kymriah®) und Axicabtagen-Ciloleucel (Yescarta®) ist es CD19 auf B-Lymphozyten. Auch das dritte CAR-T-Zelltherapeutikum Tecartus®, das erst kürzlich die Zulassung erhalten hat, greift hier an.

Problematisch ist, dass sich die CAR-T-Zellen, wenn sie sich erst einmal im Körper des Patienten befinden, nicht kontrollieren lassen. Das könnte etwa im Fall von Nebenwirkungen notwendig sein, denn unerwünschte Effekte wie das Zytokin-Freisetzungssyndrom oder die Neurotoxizität lassen sich mit anderen Medikamenten meistens abmildern, aber sie können auch so heftig sein, dass sie das Leben des Patienten bedrohen. Der molekulare An/Aus-Schalter, den eine Arbeitsgruppe des Dana Farber Cancer Institute in Boston jetzt im Fachjournal »Science Translational Medicine« präsentiert, könnte eine elegante Lösung darstellen.

Lenalidomid drückt auf den Schalter

Die Forscher um Dr. Max Jan nutzten hierfür die relativ neue Technik des gezielten Proteinabbaus (Targeted Protein Degradation, TPD). Dabei werden Proteine auf molekularer Ebene gewissermaßen mit dem Etikett »Müll« versehen, wodurch ihr Abbau ausgelöst wird. Zellen verwenden den TPD selbst, um sich nicht benötigter oder fehlerhafter Proteine zu entledigen. Praktischerweise nutzt auch der Immunmodulator Lenalidomid (Revlimid®), der unter anderem beim Multiplen Myelom angewendet wird, diesen Weg, um bestimmte Proteine abzubauen.

Die Forscher suchten gezielt nach solchen Molekül-Etiketten, die Lenalidomid signalisieren, dass ein Protein abgebaut werden soll, und brachten sie auf CAR-T-Zellen an. Die Zellen wurden daraufhin von Lenalidomid deaktiviert – der Aus-Schalter war entdeckt. Für den An-Schalter designten die Wissenschaftler zweigeteilte CAR, die erst in Anwesenheit von Lenalidomid zu einem vollständigen, funktionierenden CAR dimerisieren.

Die Wirksamkeit beider Systeme bestätigte sich in vivo: Die anschaltbaren CAR entfalteten tatsächlich nur in Anwesenheit von Lenalidomid ihre Wirkung und die ausschaltbaren CAR wurden abgebaut, sobald der Immunmodulator hinzugegeben wurde. Besonders sicher könnte in der Praxis wohl das anschaltbare System sein. Dieses wäre für den Einsatz beim Multiplen Myelom geradezu prädestiniert, da Lenalidomid hier ohnehin zu den Standardmedikamenten gehört.

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