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Diskussionsrunde

»Cannabis muss als Therapieoption selbstverständlich werden«

Die vielversprechende Therapieoption Cannabis wird aktuell nicht ausreichend bedient. Dies war der Konsens des heutigen »Cannabis-Updates« im Rahmen der Pharma-World bei der Expopharm Impuls.
Carolin Lang
06.10.2020  17:42 Uhr
»Cannabis muss als Therapieoption selbstverständlich werden«

Aktuell sei die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Cannabis durch Apotheken nicht gegeben, kritisierte die Apothekeninhaberin Melanie Dolfen vom Verband der Cannabis versorgenden Apotheker (VCA). Viele Patienten müssten mehrere Apotheken aufsuchen, bis sie eine Cannabis-Verordnung einlösen könnten, bestätigte die Cannabis-Patientin Daniela Joachim in der Diskussionsrunde. »Dadurch bedienen wir eine vielversprechende Therapieoption nicht ausreichend«, kritisierte Dolfen. Den Grund dafür sieht sie im Wesentlichen in drei Vorbehalten, die Apotheken gegenüber Cannabis hegen: Es lohnt sich finanziell nicht, die Belieferung ist sehr zeitaufwendig und Cannabis ist eine Einstiegsdroge. »Erfüllen wir also wirklich unseren Versorgungsauftrag?«, fragte Dolfen.

Die Cannabis-Belieferung sollte für Apotheken generell einfacher und attraktiver werden, forderte sie. Aktuell sei besonders die geforderte Identitätsprüfung für Apotheken sehr zeitaufwendig und kompliziert, weshalb Länder und Behörden sich auf eine Vereinfachung einigen sollten. Dann würden sich mehr Apotheken des Themas annehmen, gab sich Dolfen überzeugt. Sie könne nachvollziehen, dass sich für manche Apotheken die Belieferung von Cannabis-Rezepten nicht lohnt. An solche Apotheken appellierte sie, sich über Apotheken im näheren Umfeld zu informieren, an die Patienten verwiesen werden können.

Forderung nach Aufnahme in die Leitlinie

Cannabis habe bisher immer noch keinen Eintritt in die Therapie-Leitlinie zur Behandlung chronischer Schmerzen gefunden, bedauerte Dolfen. Das führe dazu, dass Ärzte es nur sehr zurückhaltend verordnen, denn sie müssten sich für jede Verordnung vor der Krankenkasse rechtfertigen. Das Resultat: Vielen Patienten sei die Therapieoption versagt. Dabei habe Cannabis deutlich weniger Nebenwirkungen als zum Beispiel die starken Schmerzmittel Tramadol und Morphin. »Cannabis sollte seinen Platz in der Leitlinie finden – am liebsten gestern«, sagte Dolfen.

Für Daniela Joachim war Medizinal-Cannabis ein »Durchbruch« in der Therapie ihrer therapieresistenten Migräne als Folgeschaden einer Krebstherapie. »Ich war begeistert. Mir hilft Cannabis nach Inhalation auch gegen akute Kopfschmerzen«, berichtete sie.

Wie stehen aber nun die Chancen dafür, dass Cannabis tatsächlich Einzug in eine Leitlinie findet? Die Aufnahme gestaltet sich schwierig, wie Marcus Reussmann als Director of Sales bei Aurora Deutschland, einem Importeur und Großhändler für Cannabis-Produkte, erklärte. Das Problem liegt in der unzureichenden medizinischen Evidenz. Reussmann zufolge ist es schwierig, Cannabis-Studien durchzuführen, besonders placebokontrollierte Studien. Eine Herausforderung für die Wissenschaft stelle dabei beispielsweise die »Placebo-Blüte« dar. Aktuell liefen mehrere kleine Studien in verschiedenen Indikationen, die in den nächsten Jahren für eine hoffentlich bessere Evidenz sorgen werden, sagte er.

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