Besser für sich selbst sorgen |
Barbara Döring |
08.11.2024 16:20 Uhr |
Bereits heute würden Apotheken mit der Beratung zur Selbsttherapie bei Abgabe von OTC-Arzneimitteln einen zentralen Beitrag zur Gesundheitsversorgung leisten. Jedes zweite Medikament aus der Apotheke sei ein OTC-Arzneimittel, das ohne vorherigen Arztbesuch abgegeben wird. Apotheker seien in der Regel die einzigen Heilberufler, die Patienten dazu beraten.
Die Beratung geht dabei über die reine Abgabe des Arzneimittels hinaus und sei in den meisten Fällen eine konkrete Gesundheits- und Krankheitsberatung. Somit stärken Apotheker die Gesundheitskompetenz der Menschen, ohne die Selfcare nicht sicher stattfinden könnte. Auf diese Weise sei es möglich, das Gesundheitssystem spürbar und sicher zu entlasten.
Impulse, wie die Rolle der Apotheke im Bereich Selfcare aussehen könnte, gab Professor Dr. Beate Müller. Die Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin an der Universitätsklinik Köln, Beisitzerin der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) und neuberufenes Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO), beschäftigt sich seit langem mit der Sicherheit beim Einsatz von Medikamenten.
Professor Dr. Beate Müller plädierte für interprofessionelle Praxisteams. / © PZ/Alois Müller
Sie betonte, dass es beim Thema Selfcare sehr unterschiedliche Positionen in der Ärzteschaft gebe und sie in ihrem Vortrag ihre persönliche Meinung vertrete. Angesichts der zunehmenden Zahl chronisch kranker Patienten und einem immer größer werdenden bürokratischen Aufwand für die Ärzteschaft stelle sich die Frage, wie die Arbeit künftig zu bewältigen sei.
Viele Ärzte, die sich niederlassen, sagen heute bereits, den Aufgaben nicht gerecht werden zu können. Aus Müllers Sicht müsste es künftig interprofessionelle Teampraxen mit Ärzten, Apothekern und studiertem Pflegepersonal geben, die auf Augenhöhe miteinander arbeiten.
Als Beispiel für Selfcare-Themen, die zunehmend an Bedeutung gewinnen, nannte sie Gesundheitsaspekte, die sich durch den Klimawandel ergeben. Was Patienten selbst, auch in Kooperation mit Apotheken hier tun können, ist einer ihrer Forschungsschwerpunkte. Dabei geht es etwa um die Anpassung der Medikation in Hitzeperioden. Hitze führe alljährlich im Sommer zur Übersterblichkeit, die nicht in diesem Umfang sein müsste.
In einem Flyer mit elf Tipps bei Hitze empfehle die Stadt Köln unter anderem, mit dem Arzt über Medikamente zu sprechen. Das Problem sei jedoch, dass bei einem Temperaturanstieg in der Regel so schnell keine Arzttermine verfügbar sind. Deshalb wäre es aus Sicht von Müller gut, wenn Patienten so gesundheitskompetent wären, dass sie Anpassungen selbst hinbekommen.
Die Tatsache, dass etwa bei Hitze der Wirkstoff aus einem Fentanyl-Pflaster schneller anfluten kann, im Sommer der Blutdruck morgens oft niedriger ist als im Winter und die morgendliche Tablette unter Umständen eingespart werden kann oder die Dosierung von Diuretika anzupassen ist, müsste den Patienten mit auf den Weg gegeben werden.
Auch bei Anticholinergika, die zum Beispiel die Schweißproduktion hemmen und die Vigilanz verschlechtern können, gebe es Beratungsbedarf. Noch gebe es dazu keine klaren Empfehlungen, doch Müller arbeitet aktuell an der sogenannten Calor-Liste zur evidenzbasierten, hitzesensiblen Medikationsanpassung, die auch in der Apotheke genutzt werden könne.
Was man Patienten auf jeden Fall gut in der Apotheke mitgeben könnte, sei ein Trinkprotokoll zu führen und sich täglich zu wiegen, oder auch häufigere Blutdruckmessungen oder Blutzuckermessungen durchzuführen. »Die Apotheke ist für mich ein sehr wichtiger Player, weil ich glaube, dass wir nicht die Kapazität in der Praxis haben, um alle Patienten selber zu beraten«, sagte Müller.