Pharmazeutische Zeitung online
Update Coronaviren

Berechtigte Angst oder Panikmache?

Jeden Tag meldet China einen höheren Anstieg der Infektionen mit dem neuen Coronavirus. Forscher weltweit untersuchen den Erreger genauestens. Neu ist der Verdacht, dass es sich auch über den Verdauungstrakt verbreiten könnte.
PZ/dpa
03.02.2020  13:30 Uhr

Die Gesundheitskommission in Peking meldete am Montag den bisher stärksten Anstieg der Infektionen und Todesfälle mit dem neuen Coronavirus 2019-nCoV innerhalb eines Tages. Die Zahl der bestätigten Infektionen in China kletterte sprunghaft um 2.829 auf 17.205 Fälle. Die Gesundheitskommission sprach zudem von mehr als 20.000 Verdachtsfällen. An dem neuen Coronavirus starben demnach erneut 57 Menschen. Damit stieg die Gesamtzahl auf 361 Tote. Den ersten Todesfall außerhalb Chinas gab es am Wochenende auf den Philippinen. Es handelte sich um einen eingereisten Chinesen aus Wuhan. Weltweit sind rund 180 Erkrankungen durch das Virus in zwei Dutzend anderen Ländern bestätigt.

Der Höhepunkt der Krankheit wird später erwartet als bisher gedacht. «Wir gehen davon aus, dass der Höhepunkt der Epidemie in zehn Tagen bis zwei Wochen erwartet wird», sagte der Chef des chinesischen nationalen Virus-Expertenteams, Zhong Nanshan. Er korrigierte damit seine Vorhersage von vor einer Woche, als er den Höhepunkt für Ende dieser Woche vorhergesagt hatte. Warum er den Zeitpunkt jetzt doch weiter in die Zukunft verschieben musste, sagte Zhong Nanshan nicht. Die Sterblichkeitsrate bezifferte er auf 2,4 bis 2,5 Prozent. Der Experte verwies auf radikale Maßnahmen wie die Einschränkung der Bewegungsfreiheit für mehr als 50 Millionen Menschen in Zentralchina, verlängerte Ferien, Fieberkontrollen, abgesagte Veranstaltungen und persönliche Vorsichtsmaßnahmen, die bei den Bemühungen helfen dürften.

Chinesische Forscher haben das Virus auch in Stuhlproben und Rektalabstrichen gefunden, nachdem sie festgestellt hatten, dass einige Patienten allein Durchfall statt üblicherweise Fieber bekommen haben, wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am Sonntag berichtete. An der Forschung waren das Renmin Hospital der Universität Wuhan und das Virus-Institut der chinesischen Akademie der Wissenschaften in der schwer betroffenen Provinzhauptstadt von Hubei beteiligt. Das bedeutet, es könnte nicht nur wie bislang angenommen über eine Tröpfeninfektion sondern auch über das Verdauungssystem verbreitet werden.

Die Situation in Deutschland

In Deutschland ist das Virus bei zehn Menschen nachgewiesen. Unter ihnen sind zwei am Samstag mit einer Bundeswehrmaschine aus Wuhan eingeflogene Deutsche. Den beiden infizierten deutschen Heimkehrern geht es nach Einschätzung der Ärzte gut. «Sie werden gegenwärtig isoliert stationär betreut und sind medizinisch wohlauf», sagte der Ärztliche Direktor des Uniklinikums Frankfurt, Jürgen Graf. Sie waren mit 122 weiteren Deutschen und deren Angehörigen ausgeflogen worden.

Nach Angaben von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatten die beiden zunächst keine Symptome gezeigt. Da die Erkrankung bis zu zwei Wochen nach der Infektion ausbrechen kann, ist die zweiwöchige Quarantäne nötig. Der Leiter des Frankfurter Gesundheitsamts, René Gottschalk, warnte derweil vor Panikmache: «Ich habe vor der Grippe deutlich mehr Angst - aus Sicht der Gesundheitsbehörden - als vor diesem Virus. Nach allem, was wir wissen, ist der Verlauf in Europa sehr mild.»

Die anderen acht Infizierten in Deutschland haben sich allesamt hierzulande mit dem Erreger angesteckt. Ihre Fälle stehen im Zusammenhang mit der Firma Webasto in Bayern, die chinesische Mitarbeiter zu Besuch hatte. Angesteckt haben sich sieben Angestellte des Autozulieferers und das Kind eines Infizierten. Alle acht sind in guter Verfassung. Ein weiterer infizierter Deutscher wurde auf der Kanareninsel La Gomera registriert. Er soll Kontakt zu einem in Deutschland infizierten Patienten gehabt haben.

Tests auf 2019-nCoV in Deutschland werden nun von den Krankenkassen bezahlt. Darauf haben sich Kassen und Ärzte geeinigt, wie das Bundesgesundheitsministerium am Freitag mitteilte. Die Kostenübernahme gilt ab dem 1. Februar. Auch Ärzte, die sich testen lassen, müssen die Kosten nicht selbst tragen. Ab Samstag greift demnach auch eine bereits angekündigte neue Meldepflicht für Ärzte, Krankenhäuser und Labore. Sie müssen nun schon begründete Verdachtsfälle auf das Coronavirus an das Gesundheitsamt melden und nicht wie bisher nur bestätigte Fälle. Die Kassenärztliche Vereinigung (KBV) betonte, dass die Kosten für Tests nur bei jenen Patienten übernommen werden, die nach der Definition des RKI zur Risikogruppe gehören. Zu den Kriterien zählen unter anderem ein kürzlicher Aufenthalt in China und Symptome einer Lungenerkrankung.

Ist die Angst vor dem Coronavirus berechtigt?

Nach Einschätzung des RKI ist es entscheidend, zu verhindern, dass das Virus sich in den Menschen festsetzt. Ansonsten gebe es dauerhaft ein weiteres Virus, das schwere Atemwegserkrankungen verursachen könne, sagt eine Sprecherin. Hinzu kommt, dass das Virus neu ist und noch nicht ausführlich erforscht. «Solange man eben nicht abschließend etwas weiß über ein solches Virus, ist immer größtmögliche Vorsicht angesagt», sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am Montag im ARD-Morgenmagazin mit Blick auf Bilder von Klinikpersonal in Sicherheitsanzügen.

Die Maßnahmen zur Eindämmung – China riegelt Millionenstädte ab, Staaten schließen Grenzen, Infizierte werden isoliert – zielten darauf ab, möglichst viele weitere Krankheitsfälle zu verhindern, sagt Professor Dr. Bernd Salzberger, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie. Es gehe auch darum, Zeit zu gewinnen: «Je langsamer das geht, umso mehr wissen wir über Gegenmaßnahmen wie zum Beispiel antivirale Medikamente – die in China auch eingesetzt werden – und schaffen vielleicht auch die Entwicklung einer Impfung

Neben diesen wissenschaftlichen Gründen gibt es bei den Sorgen auch eine emotionale Komponente. Die Bilder aus China, wo das neue Coronavirus zuerst aufgetreten ist, wirken drastisch. Städte sind wie leer gefegt, Millionen Menschen von der Außenwelt abgeschottet. Dass man nur wenig über das Virus wisse und zudem Menschen gestorben seien, begünstige eine hohe Risikowahrnehmung, sagt Professor Dr. Michael Siegrist, Experte für Risikowahrnehmung an der ETH Zürich. «Die Zunahme der Fälle, vor allem in China, wirkt erst einmal so, als ob die Situation nicht unter Kontrolle ist», sagt Infektiologe Salzberger.

Der psychologische Effekt durch Angst und die Wahrnehmung von Bedrohung sei nicht zu unterschätzten - das gelte auch für Behörden, ergänzt Professor Dr. Sonia Lippke, Gesundheitspsychologin an der Jacobs University Bremen. Die chinesischen Behörden scheinen Lippke zufolge Bedenken zu haben, dass die Bevölkerung das Vertrauen verliert - und dass andere Länder die chinesische Regierung für inkompetent halten. So komme es zu Maßnahmen, die «in Deutschland nicht üblich wären». Die WHO hatte die Reaktion Chinas auf das Virus ausdrücklich gelobt.

Die Bilder aus dem abgeriegelten Wuhan wirken sich auch auf die Menschen außerhalb Chinas aus, sagt der Göttinger Angstforscher Professor Dr. Borwin Bandelow. Die Menschen sagten sich: «Die machen das ja nicht ohne Grund». Dabei kann Angst entstehen, die aber nicht begründet sein muss. Bandelow sagt: «Angst ist nicht gut in Statistik.» Um die Grippe wird im Allgemeinen weniger Gewese gemacht als um das Coronavirus. «Daran haben wir uns gewöhnt», erklärt Salzberger. Bandelow sagt: «Die meisten Menschen kriegen eine Grippe und wissen, dass sie nach 14 Tagen vorbei ist. Sie denken nicht daran, dass man an Influenza sterben kann.»

Coronaviren-Forschung geht voran

Für die Erforschung des neuen Coronavirus stellt die EU-Kommission zehn Millionen Euro bereit. So soll auch die Versorgung der infizierten Patienten verbessert werden, wie die Brüsseler Behörde am Freitag mitteilte. Das Geld stammt aus dem Forschungsprogramm Horizon 2020, aus dem bei Notfällen rasch Mittel mobilisiert werden können. Zwei bis vier Forschungsprojekte könnten unterstützt werden. Wissenschaftler können bis zum 12. Februar Anträge stellen.

Italienische Forscher ist es derweil Medienberichten zufolge gelungen, das Coronavirus zu isolieren. «Das ist international eine wichtige Nachricht. Sie bedeutet, dass es mehr Möglichkeiten gibt, es zu verstehen und zu studieren, um es eindämmen zu können», sagte der italienische Gesundheitsminister Roberto Speranza am Sonntag. Die Ergebnisse der Wissenschaftler vom nationalen Institut für Infektionskrankheiten Lazzaro Spallanzani in Rom würden der internationalen Gemeinschaft für weitere Forschungen zur Verfügung gestellt. Australische Forscher hatten bereits vor einigen Tagen im Labor das Coronavirus nachgezüchtet. Genetische Analysen liegen bereits seit Anfang Januar vor.

Forscher in Thailand wollen Fledermäuse als mögliches Reservoir des neuen Virus genauer in den Blick nehmen. Dazu sollen Wissenschaftler der Naturschutzbehörde in den Nationalparks des südostasiatischen Landes alle Höhlen mit Fledermäusen kontrollieren, wie die «Bangkok Post» am Donnerstag berichtete. Auch in Thailand gibt es mehrere bestätigte Fälle einer Infektion mit 2019-nCoV, allerdings handelt es sich um aus China eingeschleppte Fälle.

Die ersten Erkrankungen waren Ende Dezember in der zentralchinesischen Stadt Wuhan aufgetreten. Es wird vermutet, dass das Virus von einem Markt stammt, wo Wildtiere zum Verzehr verkauft wurden. Als mögliche Quelle neuer Coronaviren gelten unter anderem Fledermäuse und Flughunde. Die Forscherin Supaporn Watcharaprueksadee betonte in der «Bangkok Post» mit Blick auf die Fledermäuse, Touristen kämen nur die Höhlen, um die Tiere anzugucken. Sie äßen sie nicht, was das Risiko minimiere. Ihr Team hatte laut der Zeitung schon früher bei Hufeisennasen (einer Fledermaus-Familie) einen der Stämme des Coronavirus entdeckt. In Thailand stehen Fledermäuse demnach unter Schutz und dürfen nicht gejagt werden. Es sei vorgekommen, dass sie illegal als Delikatesse nach China exportiert wurden.

WHO und Facebook gehen gegen Gerüchte an

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat sich besorgt gezeigt über die Informationsflut zum Coronavirus. Der Ausbruch des Erregers 2019-nCoV sei von einer «massiven Infodemie», einer Überschwemmung an Informationen begleitet worden, teilte sie am Sonntagabend in Genf. Einige Informationen seien korrekt, andere nicht. Da die Flut an Informationen es vielen Menschen schwer mache, zwischen Mythen und Fakten zu unterscheiden, hat die WHO eine große Informationskampagne auf Facebook, Twitter und anderen sozialen Medien gestartet. Darin beantwortet sie etwa Fragen wie: Kann das Essen von Knoblauch gegen das Coronavirus helfen. Auch der Rauch von Feuerwerk helfe nicht gegen den Erreger, schreibt die WHO.

Die Annahmen von Briefen oder Päckchen aus China sei hingegen ungefährlich. Das Virus überlebe nicht lange auf solchen Objekten. Auf einer gesonderten Webseite rät die WHO unter anderem zum regelmäßigen Händewaschen, auch wenn die Hände «nicht sichtbar dreckig» seien. Erkrankte sollten in die Armbeuge oder in ein Taschentuch niesen und letzteres in einen geschlossen Abfalleimer werfen.

Facebook will wegen der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus schärfer gegen Falschmeldungen vorgehen. Das kündigte der US-Konzern am Donnerstag in einem Blogbeitrag an. Konkret soll es um Falschbehauptungen gehen, die im schlimmsten Fall Menschenleben gefährden können. Um die Verbreitung von Unwahrheiten über die neue Lungenkrankheit einzudämmen, werde das Online-Netzwerk bestimmte Posts löschen, hieß es darin. Diese müssten aber zuvor von Gesundheitsorganisationen als falsch identifiziert werden. Die Maßnahme ziele unter anderem auf Beiträge ab, die für «falsche Heilmittel» wie beispielsweise das Trinken von Bleichmittel werben. Gemeinsam mit der WHO werde das Online-Netzwerk seinen Nutzern stattdessen «relevante und aktuelle» Informationen anzeigen.

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa