Bempedoinsäure ab Herbst verfügbar |
Sven Siebenand |
24.09.2020 21:48 Uhr |
Trotz einer Behandlung erreichen bis zu 80 Prozent der Patienten nicht die in der Leitlinie empfohlenen LDL-Cholesterolwerte. Neue Therapieoptionen wie die Bempedoinsäure sind daher gern gesehen. / Foto: Adobe Stock/Jamrooferpix
Beide Präparate dürfen bei Erwachsenen mit primärer Hypercholesterolämie oder gemischter Dyslipidämie zum Einsatz kommen. Sie können mit einem Statin kombiniert werden oder als einziges Medikament zur Cholesterolsenkung angewendet werden, wenn zum Beispiel eine Statin-Intoleranz vorliegt. Nilemdo als Monotherapie und Nustendi als Fixkombi mit Ezetimib sind einmal täglich einzunehmen.
Bei einer Pressekonferenz des Herstellers erklärte Professor Dr. Ulrich Laufs vom Universitätsklinikum Leipzig den Wirkmechanismus der Bempedoinsäure. Das Prodrug wird im Körper in die aktive Form, Bempedoyl-CoA, umgewandelt. Diese wirkt als Hemmstoff der ATP-Citrat-Lyase (ACL), eines Enzyms in der Cholesterol-Biosynthese. Genau wie bei der Blockade der HMG-CoA-Reduktase durch Statine kommt es durch die ACL-Hemmung zur verringerten intrazellulären Cholesterol-Bildung. Die reduzierte Cholesterol-Produktion führt zur Hochregulation von LDL-Rezeptoren. Dadurch werden mehr LDL-Partikel aufgenommen und die Plasmakonzentration des LDL-Cholesterols sinkt.
Laufs verwies auf einen wichtigen Unterschied zu Statinen: Die Aktivierung der Bempedoinsäure durch das Enzym Acyl-CoA-Synthetase erfolgt leberspezifisch. Das aktivierende Enzym ist in Skelettmuskelzellen nicht vorhanden, sodass Bempedoinsäure nicht zu muskelbezogenen Nebenwirkungen führt, wie sie von Statinen bekannt sind.
Monotherapie mit Bempedoinsäure / Foto: Daiichi-Sankyo
Bempedoinsäure wurde und wird im klinischen Studienprogramm CLEAR (Cholesterol Lowering via Bempedoic Acid, an ACL-Inhibiting Regimen) untersucht. In der Studie CLEAR-Serenity wurden beispielsweise Patienten mit Statin-Intoleranz behandelt. Im Vergleich zum Ausgangswert erreichten die Patienten unter Bempedoinsäure nach zwölf Wochen eine durchschnittliche Senkung des LDL-Cholesterols um 23,6 Prozent, während in der Placebogruppe fast alles beim Alten blieb. Der LDL-Cholesterol-Wert sank hier nur um durchschnittlich 1,3 Prozent.
In der Studie CLEAR-Harmony wurde Bempedoinsäure als Add-On zu maximal verträglicher Statin-Therapie gegeben. Zusätzlich zu der LDL-Senkung durch das Statin ergab sich im Durchschnitt eine Senkung um weitere 16,5 Prozent, wenn Bempedoinsäure hinzukam. Erwartungsgemäß profitierten Patienten, die zusätzlich zum Statin ein Placebo erhalten hatten, nicht (Anstieg um durchschnittlich 1,6 Prozent).
Wie Laufs informierte, hatte die Hinzunahme des Arzneistoffs Ezetimib einen zusätzlichen Effekt. Auf diese Weise wird nicht nur die Cholesterol-Biosynthese gehemmt, sondern auch die Cholesterol-Resorption. Die Kombination ist also sinnvoll. Bei Statin-Naiven erreichte die Kombination von Bempedoinsäure und Ezetimib eine Senkung des LDL-Cholesterols um 45 Prozent. Erhielten Patienten eine Statin-Therapie, konnte zusätzlich zum Statin-Effekt eine weitere LDL-Cholesterolsenkung von 35 Prozent erreicht werden.
Wie Daiichi-Sankyo informiert, wird der Einfluss von Bempedoinsäure auf die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse derzeit in der CLEAR-Outcomes-Studie bei etwa 14.000 Patienten untersucht. Ergebnisse erwarte man für das Jahr 2022. Dann wird sich zeigen, ob eine durchgeführte Mendelsche Randomisierungs-Studie zutreffend ist. Diese zeigt, dass genetische Varianten, die den Effekt eines ACL-Inhibitors wie Bempedoinsäure »nachahmen«, eine ähnliche LDL-Cholesterol-Senkung bedingen und mit Effekten auf das kardiovaskuläre Outcome assoziiert sind. Die Effekte scheinen dabei mit anderen genetischen Varianten vergleichbar, die zum Beispiel den Effekt von Statinen oder PCSK9-Hemmern wie Alirocumab und Evolocumab »nachahmen«.
Fixkombination aus Bempedoinsäure und Ezetimib / Foto: Daiichi-Sankyo
Hinsichtlich der möglichen Nebenwirkungen von Bempedoinsäure ging Laufs auf die Erhöhung der Harnsäure-Werte ein. Diese ergebe sich aus der Hemmung des tubulären Transporters OAT2 in der Niere. Bei Patienten mit einer Gicht-Erkrankung in der Vorgeschichte sei der neue Wirkstoff daher nicht geeignet.
Im Vergleich zu Statinen macht Bempedoinsäure nicht nur weniger Muskelschmerzen, es gibt zudem ein Signal für positive Effekte auf die Glucosetoleranz. Woran das liegt, ist nicht geklärt. Es könnte etwas mit Effekten auf die Betazellen zu tun haben oder mit der Fettsäuresynthese zusammenhängen. Auch diese wird in den Leberzellen durch die Blockade von ACL gebremst.
Für die Praxis ist wichtig: Während Schwangerschaft und Stillzeit ist Bempedoinsäure kontraindiziert. Zudem kann der Wirkstoff die Plasmakonzentration von Statinen erhöhen. Für Simvastatin-behandelte Patienten ergibt sich dadurch, dass sie nicht mit mehr als 20 mg Simvastatin behandelt werden sollten. Ausnahme sind Hochrisikopatienten, die jedoch nicht mehr als 40 mg Simvastatin pro Tag erhalten dürfen. Die gleichzeitige Einnahme von Bempedoinsäure und mehr als 40 mg Simvastatin täglich stellt eine weitere Kontraindikation dar.