Bei Kindern oft nicht die beste Wahl |
Die Halbwertszeit von nicht retardiertem Melatonin beträgt etwa 40 Minuten. 30 bis 60 Minuten nach Einnahme wird der maximale Plasmaspiegel erreicht. Nicht retardierte Produkte eignen sich daher vor allem bei Einschlafstörungen. Die verzögerte Freisetzung bei retardiertem Melatonin verlängert die Wirkdauer auf fünf bis sieben Stunden. Diese Präparate sind für Störungen mit nächtlichem Aufwachen geeignet.
Es ist noch nicht ausreichend erforscht, ob Kindern Melatonin in Form des verschreibungspflichtigen, retardierten Präparats Slenyto besser hilft als nicht retardierte Zubereitungsformen. »Klar ist jedoch, dass Kinder und Jugendliche im Regelfall möglichst mit ärztlich verordneten und zugelassenen Präparaten behandelt werden sollten«, sagt der Schlafmediziner. Wird Slenyto außerhalb des zugelassenen Indikationsgebiets angewendet, ist eine Kostenübernahme nicht selbstverständlich. »Bei Off-Label-Anwendungen sollte eine fundierte ärztliche Begründung beim zuständigen Kostenträger vorgelegt werden. Die Kostenübernahme oder Bezuschussung erfolgt als Einzelfallentscheidung«, sagt Paditz.
Forschungsbedarf besteht noch, welche Dosis für Kinder und Jugendliche ideal ist. »Niedrige Dosierungen ab 0,25 bis 0,5 mg sind oft ausreichend. Erst nach circa drei Monaten sollte über Dosisanpassungen entschieden werden, da Effekte nicht immer sofort sichtbar sind«, erklärt Paditz. Er empfiehlt einen Auslassversuch nach sechs Monaten von mindestens zwei Wochen. Dann könne man einschätzen, ob eine längerfristige Behandlung möglicherweise vermieden werden könne.
Wenn sich Eltern in der Apotheke zu Melatonin als Einschlafhilfe für den Nachwuchs beraten lassen möchten, zeigt das Team am besten zunächst Verständnis für die Sorgen der Eltern. »Wichtig ist der Hinweis, dass vor der Therapie immer erst die Diagnostik stehen sollte«, betont Paditz. Melatonin erscheine zwar als eine einfache und schnelle Lösung, sei aber nicht unbedingt die richtige. Im Einzelfall könne die Ursache des Problems komplexer sein. »Bei einer vergrößerten Rachenmandel als Grund für die Schlafstörung könnte diese beispielsweise vor der Entscheidung zur Operation mit einem kortikoidhaltigen Nasenspray, aber keinesfalls mit Melatonin behandelt werden.«
Damit die Anwendung von Melatonin in Zukunft evidenzbasiert erfolgen kann, arbeitet Paditz zusammen mit Kollegen an einer Leitlinie. Die S2e-Leitlinie »Indikationen für Melatonin als schlafförderndes Mittel bei Schlafstörungen im Kindes- und Jugendalter« soll Mitte 2023 vorliegen.