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Terroranschläge

Radikalismus ist keine Krankheit

22.12.2015  09:13 Uhr

Von Annette Mende, Berlin / Wie konnte das passieren? Diese Frage taucht nach Attentaten radikaler Täter, wie sie jüngst unter anderem in Paris geschahen, zwangsläufig auf. Beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in Berlin wurde deutlich: Radikalismus ist keine psychische Krankheit, sondern eine bewusste Entscheidung.

»In den allermeisten Fällen gibt es keine klinische Erklärung für radikale Taten«, sagte Professor Dr. Henning Saß von der Universitätsklinik Aachen. Gewaltbereite Attentäter seien zum großen Teil psychisch gesund, stellten aber ihr abweichendes Wertesystem über das der Gesellschaft. Mittels psycho­logischer Tests, wie sie sich in der Forensik bewährt haben, sei das nur schwer erkennbar.

 

Komplexer Prozess

 

»Es gibt kein typisches Persönlichkeitsmuster, das es erlauben würde, die Täter frühzeitig zu identifizieren«, sagte auch DGPPN-Präsidentin Dr. Iris Hauth. »Hinter radikalen Tätern stehen komplexe individuelle, soziale, politische und religiöse Mechanismen.« Neben der spezifischen Persönlichkeitsstruktur komme dem sozialen Klima eine entscheidende Rolle zu. Typisch sei, dass sich ex­tremistische Gewalt­täter ausgegrenzt fühlten und die Ursachen dafür anderen zuschreiben. Hier sei die gesamte Gesellschaft gefordert, Ausgrenzung zu vermeiden und Integration zu fördern.

 

Professor Dr. Wolfgang Huber, ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, warnt vor einer Stereotypenbildung als Reaktion auf islamistisch motivierten Terror. Sie sei der Treiber für eine weitere Radikalisierung. Für Islamisten teile sich die Welt in zwei Stereotypen auf, nämlich in Rechtgläubige und Ungläubige, die es zu bekämpfen gilt. Er warnte davor, als Reaktion darauf ebenfalls in eine Stereotypenbildung zu verfallen und »den« Islam für die Taten Einzelner verantwortlich zu machen.

 

»Diejenigen, die das tun, merken gar nicht, dass sie in die Hände der Terroristen arbeiten. Denn so macht sich extremistisches Denken in der Mitte der Gesellschaft breit«, sagte Huber. Diese Art zu reden habe ein genau zu benennendes Ursprungsdatum, nämlich den 11. September 2001. Vorher habe man in Deutschland von hierzulande anwesenden Türken, Arabern, Libanesen oder Marokkanern gesprochen. Erst seit den Anschlägen auf das World Trade Center in New York würden alle diese unterschiedlichen Identitäten und Ethnien als »die Muslime« zusammengefasst. Angehörige des muslimischen Glaubens müssten aber als die heterogene Gruppe wahrgenommen werden, die sie sind. Die Reduzierung multipler Identitäten auf ein einziges oder wenige Merkmale befördere und legitimiere Feindschaft und wirke in hohem Maße gewaltfördernd.

 

Keine einfachen Antworten

 

Eine Lebensphase, in der junge Menschen besonders anfällig für Radikalisierung sind, ist der Übergang zwischen Schule und Beruf. »Wir wissen beispielsweise über den Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern, dass die Fremdenfeindlichkeit sich nicht daraus erklärt, dass die Jugendlichen mit sehr vielen Fremden realen Kontakt hätten, sondern dass sie in dieser Phase das Gefühl haben, gesellschaftlich nicht gebraucht zu werden«, so Huber. Da die Gesellschaft aber ein abstrakter Adressat sei, brauche man identifizierbare Gruppen, denen man die Schuld dafür geben könne. So entstünden Feindbilder. Die Komplexität der modernen Welt verführe zur Flucht in einfache Wahrheiten. Gute schulische und außerschulische Bildung, die Jugendlichen die Fähigkeit gibt, differenzierte Urteile zu bilden sowie Selbstvertrauen und Zuversicht zu entwickeln, hält Huber für das beste Mittel, diesen Prozessen entgegenzuwirken.

 

Um religiös motiviertem Radikalismus die Grundlage zu entziehen, müssten sich die Religionen gemeinsam zu einem »egalitären Universalismus der Menschenwürde« bekennen. Dabei seien auch Muslime in der Pflicht, religiöse Aufklärung zu betreiben und einer Radikalisierung Einzelner im Namen ihrer Religion entgegenzutreten. »Die Strategie, die religiösen Ansprüche des IS auf die Errichtung eines Kalifats dadurch zu ignorieren, dass man erklärt, das habe mit dem Islam nichts zu tun, reicht dabei nicht.« /

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