Neue Wirkstoffklasse zur LDL-Senkung |
16.12.2014 13:55 Uhr |
Von Sven Siebenand, Frankfurt am Main / LDL-Cholesterol ist ursächlich in den Prozess der Atherosklerose-Entstehung involviert. In erster Linie Statine, aber auch der Cholesterol-Resorptionshemmer Ezetimib, der Gallensäure-Komplexbildner Colesevelam oder Nicotinsäure werden derzeit eingesetzt, um die LDL-Werte zu senken. Mit den PCSK9-Antikörpern könnte demnächst eine neue Wirkstoffklasse hinzukommen.
»Das LDL-Cholesterol ist kausal bedeutsam für das kardiovaskuläre Risiko«, sagte Professor Dr. Nikolaus Marx von der Uniklinik Aachen auf einer von Sanofi-Aventis ausgerichteten Presseveranstaltung in Frankfurt am Main. Der Mediziner informierte, dass die LDL-Zielwerte von der Höhe des kardiovaskulären Risikos eines Patienten abhängen. So solle das LDL-Cholesterol bei sehr hohem Risiko auf unter 70 mg/dl gesenkt werden. Wenn das nicht zu schaffen ist, sollte der LDL-Wert um mindestens 50 Prozent reduziert werden. Bei einem hohen kardiovaskulären Risiko sollte der Wert auf unter 100 mg/dl und bei mäßigem oder niedrigem Risiko auf unter 115 mg/dl gesenkt werden.
Das Herz vor Atherosklerose und ihren Folgen beispielsweise einem Infarkt zu schützen, ist Zweck der Arzneimitteltherapie bei zu hohen Cholesterol-Werten.
Foto: shutterstock/romrf
»Statine sind extrem potente Therapeutika, um den LDL-Wert zu senken«, betonte Marx. Die Senkung des LDL-Cholesterols gehe mit einer Reduktion der Ereignisrate einher. 40 mg/dl weniger an LDL-Cholesterol reduzieren die Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse um circa 20 Prozent, hieß es auf der Veranstaltung. Marx machte auch deutlich, dass Statine nicht die Lösung aller Probleme sind. So erreichten mehr als 40 Prozent der Patienten unter einer Hochdosistherapie mit einem Statin die Zielwerte nicht. Zudem vertrügen je nach Statin 5 bis 15 Prozent der Patienten das Mittel nicht und bekämen zum Beispiel Muskelschmerzen.
Statine sind wichtig, aber nicht alles
»Auch für die Behandlung von Patienten mit familiärer Hypercholesterolämie brauchen wir erweiterte Therapiemöglichkeiten«, sagte Marx. Ärzten stehen für diese Fälle heute bereits einige Wirkstoffe wie der Cholesterol-Resorptionshemmer Ezetimib, der Gallensäure-Komplexbildner Colesevelam oder Nicotinsäure zur Verfügung. Auch Lomitapid, eine Therapieoption für Erwachsene mit der Erbkrankheit homozygote familiäre Hypercholesterolämie, ist in Europa zugelassen.
Die Hemmung des PCSK9-Signalwegs wird derzeit als ein neuer potenzieller Mechanismus zur Senkung des LDL-Cholesterols untersucht. Die Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9 (PCSK9) ist ein Protein, das eine wichtige Rolle dabei spielt, zirkulierendes LDL-Cholesterol zu senken. Wie das genau funktioniert, erklärte Dr. Anusch Peyman von Sanofi-Aventis.
Auf den Hepatozyten befinden sich Rezeptoren für LDL-Cholesterol. Bindet LDL-Cholesterol daran, werden die Partikel zusammen mit dem Rezeptor internalisiert und abgebaut. Wie Peyman informierte, kann der Rezeptor dann zwei Wege nehmen: Entweder er kehrt an die Oberfläche der Zelle zurück oder er wird abgebaut. Ist zusätzlich das Protein PCSK9 an ihn gebunden, geschieht das Letztgenannte. Damit stehen weniger Rezeptoren an der Oberfläche zur Verfügung, die weiteres LDL-Cholesterol aus dem Blut binden können und der LDL-Cholesterol-Wert steigt infolgedessen.
»PCSK9-Antikörper fangen das Protein ab«, so Peyman. Damit könne es nicht mehr an LDL-Rezeptoren binden und diese können damit immer wieder an die Zelloberfläche zurückkehren, was zur Senkung des LDL-Cholesterols führt.
Mit Alirocumab von Sanofi-Aventis und Regeneron Pharmaceuticals befindet sich ein vollhumaner PCSK9-Antikörper in Phase III der klinischen Entwicklung. Professor Dr. Andreas M. Zeiher vom Universitätsklinikum Frankfurt am Main stellte Ergebnisse aus dem Studienprogramm mit dieser Substanz vor. So wurde Alirocumab bei Patienten mit heterozygoter familiärer Hypercholesterolämie, die eine maximal tolerierte Statin-Dosis einnahmen, untersucht. Die zusätzliche Gabe des Antikörpers führte dazu, dass die LDL-Werte um knapp die Hälfte sanken.
Ein ähnliches Ergebnis brachte eine Studie, in die Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko eingeschlossen waren, welche ebenfalls eine maximal tolerierte Statin-Dosis einnahmen. Die Add-on-Gabe von Alirocumab führte laut Zeiher auch bei diesen Patienten dazu, dass sich die LDL-Cholesterol-Werte in etwa halbierten.
Mehrere Antikörper in der Pipeline
Auch bei Patienten mit Statin-Unverträglichkeit führte die subkutane Gabe von Alirocumab zur deutlichen Senkung der LDL-Cholesterol-Werte, die auch deutlicher größer ausfiel als jene unter Ezetimib. Zeiher verwies ferner darauf, dass derzeit eine Studie läuft, die die Wirkungen von Alirocumab auf das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse bei Patienten mit kürzlich zurückliegendem akutem Koronarsyndrom überprüfen soll. Die Ergebnisse stünden noch aus.
Im Folgenden informierte Zeiher, dass es bisher keine Hinweise auf schädliche Wirkungen des Antikörpers gibt. Stattdessen habe man einen positiven Nebeneffekt entdeckt. Das Lipoprotein Lp(a) gilt als eigener atherogener Risikofaktor. Dem Mediziner zufolge führt Alirocumab auch hier zu einem senkenden Effekt, der bei etwa 20 Prozent liegt.
Laut einer Firmensprecherin von Sanofi-Aventis werden die Zulassungsanträge für Alirocumab derzeit vorbereitet. Die Firma Amgen ist mit ihrem PCSK9-Antikörper Evolocumab derweil schon weiter und hat bereits die Zulassung bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA beantragt. In Phase III der klinischen Entwicklung befindet sich zudem der PCSK9-Anitkörper Bococizumab von Pfizer. /