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Hyponatriämie

Natrium und Wasser im Ungleichgewicht

05.12.2017  11:48 Uhr

Von Falko Wünsche / Ob auf der Intensivstation, der Notaufnahme oder in der Hausarztpraxis: Die Hyponatriämie ist die häufigste Störung des Elektrolyt- und Wasserhaushalts. Sie kann bei zahlreichen Grunderkrankungen auftreten. Aber auch viele Medikamente begünstigen ihre Entstehung.

Störungen der Serumnatriumkonzen­tration sind häufig. Die Hyponatriämie ist mit einer Inzidenz von bis zu 30 Prozent die häufigste Elektrolytstörung, wobei sich die Prävalenz bei ambu­lanten und stationären Patienten unterscheidet. Die akute, oft schwere Hyponatriämie stellt einen lebens­bedroh­lichen Notfall dar. Die klinische Bedeutung der Störung geht jedoch weit über diese eher seltene Not­fall­situa­tion hinaus: Bei Patienten mit schweren Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, Meningitis, Sepsis oder Lun­genentzündung verschlechtert eine be­gleitende unbehandelte Hyponatri­ämie die Prognose deutlich.

Früher herrschte die Ansicht vor, dass eine leichte chronische Hyponatriämie nicht unbedingt behandelt werden müsse. Inzwischen wird dank der zunehmenden Zahl an Studien immer klarer, dass selbst leichte, vermeintlich symptomlose chronische Formen wesentlich zur Erhöhung der Mortalität von Patienten beitragen. Schon milde Erniedrigungen des Serumnatriums erhö­hen die Frakturrate und damit verbun­den die Hospitalisierungsdauer, und zwar unabhängig vom Vorliegen einer Osteoporose, wohl infolge einer ausgeprägten Gangunsicherheit und Sturzneigung. Davon unabhängig gibt es Hinweise darauf, dass eine chronische Hyponatriämie die Entwicklung einer Osteoporose fördern kann.

 

Leichte chronische Formen gehen mit einer schlechteren kognitiven und mentalen Leistungsfähigkeit einher. Da Hyponatriämien gehäuft bei älteren Patienten auftreten, werden die Symptome leicht übersehen oder falsch inter­pretiert.

 

Wie wird Natrium im Blut reguliert?

 

Die konstante Einhaltung der Serum­osmolalität in einem sehr engen Bereich (normal: 275 und 300 mosmol/kg) zählt zu den am besten regulierten Vorgängen im Körper. Die Gesamt­osmolalität des Extrazellularraums wird im Wesentlichen durch Natrium, Glucose und Harnstoff bestimmt; dabei spielt das Serumnatrium die wichtigste Rolle.

Bestimmung des Hydratationsstatus

Der Hydratationszustand oder Volumenstatus lässt sich klinisch nicht ­immer eindeutig feststellen. Hin­weisend auf eine Hypervolämie (Volumenüberschuss) sind Ödeme, insbesondere an Hand- und Fußgelenken, gefüllte Halsvenen und Gewichts­zunahme.

 

Eine Hypovolämie (Volumenmangel) zeigt sich klinisch mit trockenen Schleimhäuten, Durstgefühl, niedrigem Blutdruck bei erhöhtem Puls, ortho­statischen Beschwerden sowie niedrigem Hautturgor (»Hautfalte bleibt stehen«). Ein größerer Flüssigkeitsverlust, zum Beispiel durch anhaltendes Erbrechen oder Durchfall, lässt sich meist rasch abklären, während eine orthostatische Dysregula­tion bei bettlägerigen Patienten nicht unbedingt erkannt wird.

 

Eine Normo- oder Euvolämie, also ein normaler Volumenstatus, ergibt sich praktisch aus der Abwesenheit der genannten Beobachtungen mit Normalwerten für Blutdruck und Puls.

 

Hilfreich kann die Bestimmung laborchemischer Parameter wie Kreatinin, Harnsäure, Gesamteiweiß und Hämatokrit sein. Diese sind bei Euvolämie normal, bei Hypervolämie durch die Verdünnung reduziert und bei Hypovolämie durch Aufkonzentrierung erhöht.

Da die Natriumkonzentration im Blut durch das Verhältnis des Natriums zum Extrazellularvolumen bestimmt wird, verändert sie sich je nach Wasserausscheidung oder -aufnahme. Änderungen der Serumnatriumkonzentra­tion wie die Hyponatriämie zeigen also in erster Linie keinen Natriummangel an, sondern eine Störung des Wasserhaushalts mit einem relativen oder absoluten Überschuss an Körperwasser, der einen Verdünnungseffekt nach sich zieht.

 

Die wichtigsten Mechanismen zur physiologischen Regulierung des Wasserhaushalts sind Durst, verbunden mit Wasseraufnahme, das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) und das antidiuretische Hormon (ADH oder Vaso­pressin) aus dem Hypophysen­hinterlappen, das die Wasserausscheidung bremst (antidiuretische Wirkung). Eine Hyponatriämie ist daher fast ­immer mit einer Störung der ADH-Sekre­tion assoziiert.

Osmolarität und Osmolalität

Die Osmolarität beschreibt die Stoffmengenkonzentration (mol/l) aller osmotisch wirksamen Teilchen in einem Liter Wasser (osmol/l). Der Messwert ist temperaturabhängig. In der klinischen Chemie wird aufgrund der Unabhängigkeit von der Temperatur stattdessen die Osmolalität als Teilchenzahl je kg Wasser verwendet. Das Ergebnis der Labormessung wird im Befundbericht in der Einheit mosmol/kg angegeben.

 

ADH reguliert die Osmolalität des Bluts über das ausgeschiedene Urin­volumen und dessen Gehalt an osmotisch aktiven Substanzen. Steigt die Serum­osmolalität an, reagieren Osmorezeptoren im Hypothalamus sehr empfindlich: Bereits Änderungen des Serumnatriums um nur 1 Prozent stimulieren die Freisetzung von ADH. ­Etwas weniger empfindlich reagieren Dehnungsrezeptoren im linken Vorhof des Herzens sowie Barorezeptoren im Carotis-Sinus und Aortenbogen bei Schwankungen des Blutdrucks. Die Bindung von ADH an den Vasopressin-2- Rezeptor (V2-Rezeptor) im Sammelrohr der Niere steigert die Synthese und den Einbau von Wasserkanälen (Aquaporine) in die Zellmembran, sodass elektrolytfreies Wasser verstärkt rückresorbiert und der Harn auf diese Weise aufkonzen­triert werden kann.

 

Klinische Einteilung und Diagnostik

 

Ganz allgemein spricht man von einer Hyponatriämie, wenn die Natriumkonzentration im Blut unter 135 mmol/l fällt. Im klinischen Alltag unterscheiden Ärzte im Wesentlichen anhand des Extrazellularvolumens des Patienten die drei Formen:

 

  • hypervoläme Hyponatriämie (Volumenüberschuss),
  • euvoläme Hyponatriämie (normales Volumen) und
  • hypovoläme Hyponatriämie (Volumenmangel) (Kasten).

 

Für die korrekte Behandlung ist auch die laborchemische Einteilung in eine leichte (130 bis 135 mmol/l), moderate (125 bis 129 mmol/l) und schwere (unter 125 mmol/l) Hyponatriämie wichtig, sowie die Einordnung in akut und chronisch. Dabei wird eine Hyponatriämie als akut definiert, wenn sie weniger als 48 Stunden besteht, darüber hinaus als chronisch. Die Einteilung resultiert aus der Beobachtung, dass das Gehirn etwa 48 Stunden braucht, um sich auf veränderte osmotische Bedingungen einzustellen.

 

Wie erkennt man eine Hyponatri­ämie? Vorrangig zeigen sich unspezi­fische neurologische Symptome eines Hirnödems. Diese reichen von Kopfschmerz, Appetitlosigkeit und Des­orientiertheit über Schwindel, Muskelschwäche und Erbrechen bis hin zu Krampfanfällen und Koma. Die Symptome hängen aber nicht nur vom Ausmaß der Elektrolytverschiebung ab, sondern auch davon, wie schnell diese sich entwickelt hat. Je schneller sie entsteht, desto schlechter kann sich das Gehirn an die hypotone Umgebung durch Ausschleusung osmotisch aktiver Substanzen anpassen. Hat sich eine Hyponatriämie sehr langsam entwickelt, kann sie trotz niedrigstem Serum­natrium unter 120 mmol/l nahezu symptomlos verlaufen. Umgekehrt können bei einem akuten raschen Verlauf bereits beim Unterschreiten von 130 mmol/l erste Symptome auftreten.

 

Hyper- und hypovoläme Hyponatriämie

Die hypervoläme Hyponatriämie, das heißt niedriges Serumnatrium mit Volumen­über­ladung, findet man bei Patienten in fortgeschrittenen Stadien von Organerkrankungen wie Herzinsuffizienz, Leberzirrhose oder nephrotischem Syndrom. Bei diesen Erkrankungen zirkuliert das Volumen durch den verminderten onkotischen Druck nicht im zentral wirksamen Kreislauf, sondern findet sich peripher im Gewebe. Der Blutdruck ist dadurch trotz Flüssigkeitsüberladung erniedrigt.

 

Infolge des verminderten effektiven intraarteriellen Blutvolumens in Aorta und Halsschlagadern werden Baro­rezeptoren aktiviert. Diese stimulieren die ADH-Sekretion und das Renin-Angioten­sin-Aldosteron-System (RAAS). Es kommt zur Wasserrückresorption mit Verdünnung des Körpernatriums und nachfolgend zur Ödembildung.

 

Je nach Ursache kann man bei der hypovolämen Hyponatriämie zwischen extrarenalem (Ursache außerhalb der Nieren) und renalem (Nieren ursächlich) Salzverlust unterscheiden. Zu ­einem massiven extrarenalen Natriumverlust kommt es bei längerem Erbrechen und Durchfällen, zum Beispiel bei Gastroenteritis. Ebenso können großflächige Verbrennungen, exzessives Schwitzen und Verteilungen in sogenannte dritte Räume bei Pankreatitis oder Peritonitis ursächlich sein. Durch die Volumenkontraktion mit vermindertem arteriellen Blutvolumen greift auch hier der Barorezeptor-Mechanismus mit Stimulation der ADH-Sekre­tion. Diagnostisch ist das Urinnatrium reduziert.

 

Auf den ersten Blick paradox erscheint, dass auch eine stark vermehrte Trinkmenge zur Hypovolämie führen kann. Die primäre Polydipsie (von griechisch polydípsios: vieldurstig) mit krankhaft gesteigertem Durst bis hin zur Wasserintoxikation kann psychogen induziert sein, zum Beispiel bei Anore­xie, Schizophrenie oder Alkoholismus. Sie kommt bei psychiatrischen Patienten regelmäßig vor, zumal sie auch eine häufige unerwünschte Wirkung von Psychopharmaka ist. Die übermäßige Wasserzufuhr überfordert die Fähigkeit der Nieren, den Harn zu konzentrieren. Dadurch nimmt die Serum­osmolalität ab. Die dann physiologisch supprimierte ADH-Sekretion bedingt eine vermehrte Wasserausscheidung über den Urin (Polyurie). ­Etliche Patienten entwickeln eine ausgeprägte Hyponatriämie mit Werten unter 120 mmol/l.

 

Bei Patienten mit akutem Nierenversagen liegt in der Regel primär eine gestörte tubuläre Natriumrückresorption zugrunde. Hieraus entwickelt sich eine verminderte glomeruläre Filtra­tionsrate (GFR) mit erhöhter Natriumausscheidung.

 

Diuretika als Ursache

 

Die Hyponatriämie ist eine häufige Komplikation unter der Therapie mit Diuretika, vor allem bei geriatrischen Patienten und solchen mit einem verminderten arteriellen Blutvolumen.

Diuretika beeinflussen je nach Gruppe mehr oder weniger stark den Natriumrücktransport in den Nephronen und bewirken eine gesteigerte Natriurese. Dies reguliert den Flüssigkeitshaushalt, da Natrium Wasser nachzieht.

 

Elektrolytstörungen können prinzipiell bei allen Diuretika auftreten, sind aber typisch für Thiazide, während sie bei Schleifendiuretika deutlich seltener vorkommen. Eine Thiazid-induzierte Hyponatriämie tritt meist innerhalb der ersten zwei Wochen nach Therapiebeginn auf. Das Serumnatrium sollte bei prädestinierten Patienten daher regel­mäßig kontrolliert werden. Je nach Indikation ist ein Schleifendiure­tikum besser geeignet.

 

Therapie bei hyper- und hypovolämen Formen

 

Ist die Behandlung der Grunderkrankung nicht direkt möglich, erfolgt initial eine symptomatische Therapie mit dem Ziel, das zu niedrige Serumnatrium zu korrigieren. Die Geschwindigkeit, mit der die Korrektur erfolgen sollte, richtet sich danach, wie schnell sich die Hyponatriämie entwickelt hat.

 

Ganz allgemein sollte die Anhebung langsam erfolgen, um maximal 0,5 mmol/l/h. Ein schnellerer Ausgleich darf nur erfolgen, wenn die Hyponatriämie akut und ebenso rasch mit einem Abfall über 0,5 mmol/l/h entstanden ist. Bestand sie bereits länger als 48 Stunden (chronische Hyponatri­ämie), so hat sich das Hirngewebe an die veränderte Osmolalität adaptiert. Eine zu schnelle Korrektur hätte jetzt gravierende Folgen: die sogenannte zentrale pontine Myelinolyse. Diese zelluläre Dehydratation im Hirnstamm mit Zerstörung der axonalen Markscheiden verursacht schwerste, irre­versible neurologische Schäden.

 

Leichte hypovoläme Fälle können mit der Infusion isotoner Kochsalz­lösung oder der Gabe stark salzhaltiger Getränke oder Lebensmittel behandelt werden. Bei chronischen oder mild verlaufenden Formen und insbesondere bei der hypervolämen Form ist eine Flüssigkeitsrestriktion das Mittel der ersten Wahl. Durch Einschränken der täglichen Trinkmenge – etwa 500 ml unter dem durchschnittlich ausgeschiedenen täglichen Urinvolumen – wird eine negative Wasserbilanz erzielt und das Natrium angehoben. Aufgrund des starken Durstgefühls ist diese Therapie aber sehr belastend, und entsprechend schlecht ist die Compliance.

Tabelle: Auswahl an Arzneistoffen und Substanzen, die ein SIADH auslösen können

Wirkstoffgruppe Beispiele für Arzneistoffe
Diuretika Hydrochlorothiazid, Indapamid
Antidepressiva (SSRI) Fluoxetin, Sertralin, Citalopram, Paroxetin
Trizyklische Antidepressiva Amitriptylin, Doxepin, Mirtazapin, Escitalopram, Venlafaxin, Duloxetin
Neuroleptika Haloperidol, Levomepromazin, Thioridazin
MAO-Inhibitoren Tranylcypromin, Moclobemid, Selegilin
Antiepileptika Valproinsäure, Phenytoin, Carbamazepin, Oxcarbazepin, Lamotrigin
Analgetika nicht-steroidale Antiphlogistika, Paracetamol, Opioide
Chemotherapeutika Cyclophosphamid, Vincristin, Cisplatin, Carboplatin, Methotrexat
Suchtstoffe Amphetamine, Barbiturate, Opioide

Die europäische Leitlinie zur Hyponatriämie (Stand 2014) empfiehlt als Zweitlinientherapie die orale Gabe von Harnstoff in einer Dosierung von bis zu 0,5 g je kg Körpergewicht und Tag. Harnstoff wird über die Niere ausgeschieden und bewirkt eine osmotische Diurese mit verstärkter Wasserausscheidung. Allerdings lehnen die Patien­ten diese Therapie aufgrund des schlechten bitteren Geschmacks und der großen einzunehmenden Mengen ebenfalls eher ab. Hier kann der Apotheker Pulversachets mit beispiels­weise 10 g Harnstoff, 200 mg Sucrose und einem Hydrogencarbonat/Zitronensäurepuffer zur Herstellung einer Lösung – so eine Empfehlung der Leit­linie – anbieten, die deutlich angenehmer schmeckt und leicht sprudelt.

 

Akute und schwere Hyponatriämien werden mit der langsamen Gabe hyper­toner 3-prozentiger Kochsalzin­fusionen behandelt. Um den Volumenüberschuss nicht noch weiter zu erhöhen, sollte bei hypervolämen Formen keine Kochsalzlösung infundiert werden, sondern eine Begrenzung der Flüssigkeitszufuhr an erster Stelle stehen.

 

Schleifendiuretika wie Furosemid sind nicht angezeigt. Sie befreien den Patienten zwar von überschüssigem Volumen, verschlimmern die Symptomatik aber durch die nochmals gesteigerte Natriumausscheidung.

 

Häufigste Form: SIADH

 

Die häufigste Form der Hyponatriämie, die euvoläme Hyponatriämie, wird als Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH) oder als Schwartz-Bartter-Syndrom bezeichnet. Es wird geschätzt, dass das SIADH bei bis zu 40 Prozent aller Hyponatriämie-Patienten vorliegen könnte. Durch eine in Bezug auf die Osmolalität des Blutplasmas und die arteriellen Volumenverhältnisse in­adäquat hohe Ausschüttung von ADH wird zu wenig Wasser über die Nieren ausgeschieden. Dies führt zu einem relati­ven Wasserüberschuss und kompensatorisch zu einer erhöhten renalen Natriumausscheidung. Daher lässt sich das SIADH als eine Kombination aus ­einer Verdünnungs- und einer Verlusthyponatriämie beschreiben.

 

Akute und chronische Erkrankungen können eine inadäquate ADH-Sekre­tion auslösen. Hierzu zählen vorrangig maligne Erkrankungen wie das kleinzellige Bronchial- oder Lungenkarzinom, Karzinome des Gastrointestinal- und Urogenitaltrakts, der Brust sowie Hirntumoren, Lymphome und Sarkome. Das kleinzellige Bronchial­karzinom führt auffallend häufig zum SIADH, da das entartete Gewebe infolge seines neuroendokrinen Ursprungs ADH ektop, das heißt abseits seines physiolo­gischen Syntheseorts bilden kann.

Kriterien für die Diagnose des SIADH

Zu den essenziellen Kriterien zählen:

 

  • Serumosmolalität < 275 mosmol/kg
  • korrespondierende Urinosmolalität > 100 mosmol/kg
  • Urinnatrium > 30 mmol/l (bei normaler Salzaufnahme)
  • klinische Euvolämie
  • Ausschluss von Hypothyreose, Nebennieren- und Hypophyseninsuffizienz
  • keine Einnahme von Diuretika

 

Daneben gibt es noch ergänzende Kriterien zur Diagnosesicherung:

 

  • ausbleibender Anstieg des Serumnatriums nach Gabe von 0,9 % Kochsalzlösung
  • Anstieg des Serumnatriums nach Flüssigkeitsrestriktion
  • Anstieg des Serumnatriums nach Gabe eines ADH-Antagonisten wie Tolvaptan
  • Serum-Harnsäure < 0,24 mmol/l
  • Serum-Harnstoff < 3,6 mmol/l

Gleicher­maßen oft sind schwere und infektiöse Erkrankungen der Lunge wie Lungenentzündung, Tuberkulose, ­Asthma oder Aspergillose und des zentra­len Nervensystems wie Enze­phalitis, Meningitis, Subarachnoidal­blutungen und Schädel-Hirn-Traumata ursäch­lich. Daneben gibt es weitere Trigger wie starken Schmerz, Narkose, Stress und Traumata.

 

Auch zahlreiche Medikamente können eine gesteigerte hypophysäre ADH-Freisetzung und damit ein SIADH induzieren (Tabelle). Gemäß Literatur und den klinischen Erfahrungen des Autors stammen die Medikamente überwiegend aus der Gruppe der zen­tral wirksamen Arzneistoffe wie Anti­epileptika, Antidepressiva und Neuroleptika sowie der Gruppe der Chemotherapeutika. Dies ist umso kritischer, da eine Hyponatriämie die Überlebensrate bei Krebspatienten zusätzlich signifikant senkt.

 

Insbesondere Valproinsäure wurde in klinischen Fallbeispielen gehäuft als Auslöser einer schweren euvolämen Hyponatriämie gefunden. Oft kann durch den Wechsel auf einen anderen Wirkstoff dauerhaft eine Normonatri­ämie und damit eine Besserung der Symptome erreicht werden. Da eine Hyponatriämie als eigenständiger Risikofaktor für epileptische Anfälle gilt, sollte vor der Umstellung einer anti­epileptischen Therapie zunächst das Serumnatrium korrigiert werden. Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) sollen die Wirkung von ADH an seinem Rezeptor potenzieren. In allen Fällen sollte das verdächtigte Medikament umgehend abgesetzt und eventuell durch ein verträglicheres Präparat ersetzt werden.

 

Diagnostik des SIADH

 

Ein SIADH wird klinisch nach dem Ausschlussverfahren diagnostiziert. Hierzu werden essenzielle laborchemische und anamnestische Kriterien herangezogen, die für die Diagnose zutreffen müssen, sowie ergänzende Kriterien zur Diagnosesicherung (Kasten).

 

Infolge der verminderten Ausscheidung von Flüssigkeit über die Nieren fällt die Osmolalität des Plasmas ­deutlich unter 275 mosmol/kg. Die Osmo­lalität des Urins steigt dadurch gleichzeitig auf über 100 mosmol/kg bei vermehrter Natriumausscheidung (Natriurese) von mehr als 30 mmol/l an. Für die Urinanalyse reicht Spontanurin aus, ein 24-Stunden-Sammelurin ist nicht notwendig. Allerdings sollte der Urin möglichst zeitnah zur Blut­entnahme gewonnen und alle Para­meter aus der gleichen Probe gemessen werden.

 

Die Euvolämie muss klinisch und/oder labor­chemisch bestätigt werden. Ande­re Ursachen für eine euvoläme Hyponatriämie wie ein Glucocorticoidmangel bei Nebennierenrindeninsuffizienz (Messung von Cortisol) und die häufig vorkommende primäre Hypothyreose (Messung von TSH und Thyroxin) müssen ebenfalls ausgeschlossen werden, auch wenn sie nur in schwersten Ausprägungen relevant sind. Anam­nestisch ist eine bestehende oder erst kürzlich abgesetzte Medikation mit Diuretika auszuschließen.

 

Die direkte laborchemische Messung des ADH im Serum oder Plasma spielt in der klinischen Diagnostik praktisch keine Rolle und trägt nicht zur Diagnose­stellung bei, da der absolute Wert bei einem SIADH auch normal sein kann.

 

Moderne Therapieoption: Vaptane

 

Wurde das SIADH früher in erster Linie mit Flüssigkeitsrestriktion und Gabe von isotoner oder hypertoner Kochsalzlösung behandelt, so hat sich die The­rapie in den letzten Jahren deutlich gewan­delt. Seit 2009 ist in der EU mit Tolvaptan (Samsca®) ein spezifischer, oral verfügbarer Wirkstoff zur Behandlung von Erwachsenen mit Hyponatri­ämie als sekundäre Folge eines SIADH zugelassen.

Der Autor

Falko Wünsche studierte Pharmazie und Chemie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster und wurde 2011 am Institut für Biochemie promoviert. 2017 schloss er die Weiterbildung zum ­Klinischen Chemiker der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) ab. Aktuell befindet er sich in der Weiter­bildung zum Fachapotheker für Pharma­zeutische Analytik. Im MVZ Dr. Eberhard leitet er die Abteilungen für Klinische Chemie, Endokrinologie, Blutgerinnung und Elektrophorese.

 

Dr. Falko Wünsche

MVZ Dr. Eberhard & Partner

Brauhausstraße 4

44137 Dortmund

E-Mail: f.wuensche@labmed.de

In den USA kann Tolvaptan auch bei Hyponatriämie durch Herz- und Leberinsuffizienz eingesetzt werden. Dort ist mit Conivaptan (Vaprisol®) ein weiterer Wirkstoff aus der Gruppe der Vaptane im Markt, der als nicht-selektiver »dualer« Antagonist sowohl den V1a- wie auch V2-Rezeptor blockiert. Die FDA hat ihn für die euvoläme und hypervoläme Hyponatriämie zugelassen. Im Gegensatz zu Tolvaptan muss Conivaptan intravenös appliziert werden.

 

Anders als Schleifen- oder Thiazid­diuretika hemmt Tolvaptan als selek­tiver V2-Rezeptor-Antagonist in der Niere die ADH-vermittelte Rückresorption von freiem Wasser aus dem Sammelrohr und steigert so die Aquarese dosisabhängig auf mehrere Liter am Tag, ohne die Elektrolytausscheidung wesentlich zu beeinflussen. In der Folge steigt das Serumnatrium.

 

Die Therapie wird stationär eingeleitet und kann als Dauermedikation fortgeführt werden, wenn eine stabile Normalisierung des Natriumspiegels anders nicht erreicht wird. Die initiale Tagesdosis beträgt 15 mg und kann auf bis zu 60 mg erhöht werden. In den ersten zwei Tagen (Dosistitrationsphase) werden Serumnatrium und Volumenstatus engmaschig alle vier bis sechs Stunden überwacht, um eine Über­korrektur mit Entwicklung einer Hypernatriämie zu vermeiden. Eine Flüssigkeitsrestriktion ist unter Tolvaptan nicht erforderlich; der Patient kann und soll ausreichend trinken. Auch das Absetzen der Therapie muss vorsichtig und kontrolliert erfolgen, da schwere Rückfälle auftreten können.

 

Anfängliche leichte Nebenwirkungen wie Durst oder Mundtrockenheit sind am ehesten auf den verstärkten Wasserverlust zurückzuführen. Eine Tolvaptan-induzierte Hyperkaliämie ist laut Fachinformation häufig, sodass der Kaliumspiegel bei einer Langzeittherapie regelmäßig zu kontrollieren ist. Sie tritt vor allem bei zeitgleicher Einnahme von kaliumsparenden Diuretika und ACE-Hemmern auf. Da Tolvaptan über CYP3A4 metabolisiert wird, ist bei gleichzeitiger Einnahme von CYP3A4-Hemmern und -induktoren Vorsicht geboten. Zudem ist die Anwendung auf Patienten beschränkt, die ausreichend Wasser lassen können. Für Patienten mit Anurie oder ausgeprägter Harnausflussbehinderung, zum Beispiel wegen einer benignen Prostatahyperplasie, ist der Wirkstoff kontra­indiziert. /

 

Literatur

 

  1. Schäffler, A., Lindner, U., Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion – Fallstricke bei der Diagnose und Therapie. Dtsch Med Wschr 2015; 140: 343–346.
  2. Spasovski, G., et al., Clinical practice guide­line on diagnosis and treatment of hypo­natraemia. Eur J Endocrinology 2014, 170 G1-G47.
  3. Dendorfer, U., Mann, J., Volumen- und Elektrolyt­störungen bei medikamentöser Therapie. Der Internist 11, 2006, 47:1121–1128.
  4. Gross, P., et al., Praxisnaher Leitfaden zum Vorgehen bei Hyponatriämie. Dtsch Med Wschr 2011, 136: 1728–1732.
  5. Fachinformation Samsca® (Tolvaptan) 30 mg Tabletten. Otsuka Pharmaceutical Europe Ltd, Stand Juni 2014.
  6. Nagarur, A., et al., A 27-Year-Old Woman with Nausea, Vomiting, Confusion, and Hypo­natremia (case report 9-2017). N Engl J Med 2017, 376:1159-1167.
  7. Fliser, D., Haller, H., Moderne Differenzial­therapie mit Diuretika. Der Internist 5, 2004, 45:598–605.

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