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Preisgestaltung

27.10.2006  13:11 Uhr

Preisgestaltung

Eigentlich sollten die Kosten des Gesundheitswesens im GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) nur ein Randthema sein. Jetzt stehen sie wieder im Mittelpunkt. Wenn man der aktuellen Diskussion folgt, dann könnte man leicht den Eindruck gewinnen, dass die Arzneimittelkosten einen wesentlichen Teil der Gesamtausgaben ausmachen. Tatsächlich entfielen im Jahre 2005 lediglich 16,5 Prozent der Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Höhe von rund 145 Milliarden Euro auf Arzneimittel. Das waren gerade einmal knapp 24 Milliarden Euro.

 

Auch wenn die Autoren des Arzneiverordnungsreports in diesem Jahr wieder glauben, dass im Arzneimittelbereich weitere 3,5 Milliarden Euro eingespart werden könnten, bin ich der Meinung, dass spätestens mit der letzten Absenkung der Festbeträge die Einsparmöglichkeiten in den Bereichen Generika und Substitution teurer Analogpräparate ausgereizt sind. Ohne Qualitätsverlust gibt es dort nichts mehr einzusparen.

 

Wenn die Politik unbedingt die Arzneimittelkosten weiter senken will, muss sie den Mut haben, die freie Preisbildung bei den Herstellerabgabepreisen zu beeinflussen. Mit Höchstpreisen in den Apotheken wird man ohne Qualitätsverlust keine Einsparungen erreichen, sondern lediglich einen für viele Apotheken existenzbedrohenden Wettbewerb entfachen, der im Prinzip nicht zur Philosophie des GMG und des AVWG passt.

 

Zaghaft versucht zwar der Gesetzgeber durch die vom IQWiG vorzunehmende Kosten-Nutzen-Bewertung über den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) Druck auf die Hersteller zu machen, die Preise zu senken. Die Kosten-Nutzen-Bewertungen sollen das Instrument werden, verschreibungspflichtige Arzneimittel aus der GKV-Erstattung auszuschließen. Bei den kurzwirksamen Insulinen für Typ-2-Diabetiker ist diese Strategie aufgegangen. Rimonabant als Lifestyle-Arzneimittel zu diskriminieren und damit von der Erstattung auszuschließen, ist allerdings eine falschen Entscheidung. Der Cannabinoid-Rezeptor-Antagonist ist nicht nur bei den Übergewichtigen wirksam, sondern auch bei Typ-2-Diabetikern und Patienten mit Fettstoffwechselstörungen. Darüber hinaus sind die Tageskosten von knapp 3 Euro nicht so hoch. Die Substanz hätte die Chance verdient, sich zu bewähren.

 

Die Beispiele zeigen, dass die Entscheidung über Erstattung oder Nichterstattung nicht der richtige Weg ist, die Herstellerabgabepreise zu kontrollieren. Die Politik sollte mehr Mut haben in die Preisbildung der Hersteller einzugreifen und die Herstellerabgabepreise zur Diskussion stellen. Andere Länder machen es auch.

 

Das Argument der Industrie, sollte Deutschland die Rolle des Preisreferenzlandes verlieren, der Standort Deutschland würde infrage gestellt, ist meines Erachtens nur vorgeschoben. Die Behauptung, mit den Einstandspreisen die Entwicklungskosten einspielen zu müssen, provoziert die Frage, wo die Entwicklungskosten angefallen sind. Wenn sie in Deutschland angefallen sind, wäre die Forderung nachvollziehbar. Warum sollen aber deutsche Patienten und Krankenkassen Entwicklung und Forschung bezahlen, die in Japan stattgefunden hat?

 

Da der Wertschöpfungsanteil der pharmazeutischen Industrie bei den GKV-Ausgaben für Arzneimittel weit über 60 Prozent liegt, während Großhandel (4,1 Prozent) und Apotheken (16,8 Prozent) zusammen nur knapp über 20 Prozent abschöpfen, sollte die Preisbildung in einer »großen« Reform neu gestaltet werden.

 

Professor Dr. Hartmut Morck

Chefredakteur

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