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Versorgungsstärkungsgesetz

Von Kassenabschlag bis Nullretax

15.10.2014  10:07 Uhr

Von Ev Tebroke / Ein Referentenentwurf zum GKV-Versorgungs­stärkungsgesetz macht die Vorhaben der Koalition deutlich: Der Apothekenabschlag soll fix werden und die Selbstverwaltung endlic­h Klarheit beim Thema Nullretaxationen erreichen. Auch das Entlassrezept steht auf der Agenda. Die Apotheker zeigen sich mit dem Papier zufrieden. Für ein abschließendes Urteil ist es jedoch noch zu früh.

Auf dem Deutschen Apothekertag in München hatte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) diesen Schritt schon angekündigt, jetzt wird es konkret: Die große Koalition will den Apothekenabschlag künftig bei 1,77 Euro festschreiben. Dies geht aus einem Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zum sogenannten Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der Gesetzlichen Krankenversicherung hervor. Aufgrund der bisherigen Konflikte der Vertragspartner werde die Höhe des Abschlags gesetzlich festgelegt, heißt es in dem vorliegenden Papier.

 

»Es ist zu erwarten, dass es auch künftig nicht zu einem Konsens der Vertragspartner bei den bisher vorgesehenen Vereinbarungen zum Apothekenabschlag kommt, weil die Vertragspartner auch über die Frage des Verhältnisses zwischen den sich teilweise überschneidenden Anpassungsparametern zum Apothekenabschlag nach Paragraf 130 SGB V und denen zum Festzuschlag nach Paragraf 78 Arzneimittelgesetz bisher kein gemeinsames Verständnis entwickeln konnten«, so die Begründung. Der Abschlag entspreche in der Höhe einem gemeinsamen Vorschlag der maßgeblichen Rahmen­ver­trags­partner, heißt es weiter. Aufgrund der gesetzlichen Festlegung der Höhe könnten die bisher vorgesehenen Parameter für die Anpassung des Apothekenab­schlags entfallen.

 

Wird der Entwurf umgesetzt, übernimmt die Politik damit den Vorschlag vom GKV-Spitzenverband und dem Deutschen Apothekerverband (DAV). Diese hatten im Juli dieses Jahres in einem gemeinsamen Schreiben an diverse Gesundheitspolitiker den Gesetzgeber aufgefordert, ab 2015 den Rabatt, den die Apotheken den Krankenkassen auf verschreibungspflichtige Arzneimittel gewähren müssen, dauerhaft bei 1,77 Euro festzuschreiben.

 

Auch weitere wichtige Punkte der Apotheker werden im Gesetzesentwurf berücksichtigt. So will die Koalition zum Thema Nullretaxationen künftig eine klarere Regelung erwirken. Dies soll aber über die Selbstverwaltung erfolgen. Wie aus dem BMG-Papier hervorgeht, soll dazu Paragraf 129 SGB V, der den Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem Deutschen Apothekerverband regelt, in Absatz 4 mit folgenden Satz ergänzt werden: »In dem Rahmenvertrag ist zu regeln, in welchen Fällen einer Beanstandung der Abrechnung durch Krankenkassen, insbesondere bei Formfehlern, eine Retaxation vollständig oder teilweise unterbleibt.«

 

Legitimes Interesse

 

Apotheker leisteten einen entscheidenden Beitrag zur guten und sicheren Arzneimittelver­sorgung in Deutschland, heißt es in der Begründung. Es sei daher ein legitimes Interesse, dass sie vor unsachgemäßen Retaxationen der Krankenkassen auf null und damit vor wirtschaftlicher Überforderung geschützt würden. Dabei gehe es um Fälle, in denen Versicherte das nach den Regelungen des SGB V abzugebende Arzneimittel erhalten haben, das der Arzt ausgewählt hat. Anders sei es, wenn Apotheken anstelle eines Rabattvertragsarzneimittels pflichtwidrig ein anderes Arzneimittel abgeben. Hier hatte das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden, das dann eine Vollabsetzung berechtigt ist.

 

Das Inkrafttreten eines neuen Rahmenvertrags, der das Thema Nullretaxationen entsprechend regelt, war zuletzt seitens des GKV-Spitzenverbands immer wieder verzögert worden. Ursprünglich hatten sich die Vertragspartner bereits im Juni 2013 auf konkrete Vertragsinhalte geeinigt. Doch aufgrund des BSG-Urteils Anfang Juli wollten die Kassen erneut verhandeln, weil sie das Urteil nicht genügend im Vertrag berücksichtigt sahen. Nun will die Koalition hier endlich eine Klarstellung und Einigung sehen.

 

Entlassmanagement

 

Eine Klarstellung gibt es auch zum Thema Entlassmanagement. Laut Entwurf sollen künftig die Kliniken per Entlassrezept eine ausreichende Übergangsmedikation für den Patienten bei seiner Entlassung in die ambulante Versorgung sicherstellen können. Das Entlassmanagement nach Krankenhausbehandlung sei bisher nicht so umgesetzt worden, dass Leistungslücken in jedem Fall wirkungsvoll geschlossen werden konnten, heißt es in der Begründung. »Krankenkassen werden daher stärker als bisher in den Prozess des Entlassmanagements einbezogen und die Möglichkeiten der Krankenhäuser, im Anschluss an die Krankenhausbehandlung Leistungen zu verordnen, werden geschaffen.« Zukünftig sollen die Kliniken die jeweils kleinste Packung gemäß der Packungsgrößenverordnung verordnen können. Näheres unter anderem auch zur Ausgestaltung des Verordnungsrechts sollen der GKV-Spitzenverband, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft bis zum 31. Dezember 2015 in einem Rahmenvertrag festlegen.

 

Die Apotheker haben den Referentenentwurf zum Versorgungsstärkungsgesetz nach eigenen Angaben mit großem Interesse zur Kenntnis genommen.

 

ABDA-Präsident Friedmann Schmidt bleibt jedoch zurückhaltend: »Wir begrüßen, dass einige wichtige Punkte der Apotheker wie das einheitliche Entlassrezept aus dem Krankenhaus sowie die Festschreibung des Apothekenabschlags auf 1,77 Euro offenbar Gehör gefunden haben«, sagte er. Die zahlreichen Vorschläge in diesem frühen Stadium des Gesetzgebungsprozesses müsse man allerdings erst noch genauer analysieren, bevor man sich ein abschließendes Bild machen könne. Jedoch lasse sich absehen, dass noch einige Punkte fehlten. »So werden wir einfordern, versorgungssichernde Vergütungsregelungen auch für die Apotheken aufzunehmen, wie zum Beispiel bei Rezepturen«, betonte der ABDA-Präsident.

 

Es ist also weiterhin Überzeugungsarbeit zu leisten. Einige Früchte dieser Arbeit scheinen die Apotheker aber bald ernten zu können. /

Kommentar

Geht doch
Warum erst jetzt?, dürften sich viele Apotheker gefragt haben. Nach jahrelangem Ärger über die Krankenkassen ist das Ende absurder Null-Retaxierungen wegen marginaler Formfehler absehbar. Apotheker und Kassen sollen im SGB V regeln, wann eine Retaxierung gerechtfertigt ist.

 

Eigentlich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass sich Geschäftspartner darüber verständigen, unter welchen Konditionen sie kooperieren. Ein Urteil des Bundessozialgerichts hatte das Interesse der Kassen an einer praktikablen Lösung auf null sinken lassen. Jetzt müssen die beiden Vertragsparteien eine vernünftige Regelung finden. Das kann nur gelingen, wenn die Kassen den Wechsel vom Krawall- in den Konsens-Modus hinbekommen.

 

Noch besser wäre die Bilanz, wenn die Regierung die Anpassung des Apothekenhonorars gleich mitgeregelt hätte. Hat sie aber nicht. Deshalb geht das Stückwerk weiter. Ein Referentenentwurf ist aber noch kein Gesetz. Etwas Hoffnung bleibt also.

 

Daniel Rücker 

Chefredakteur

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