Zuverlässig den Schmerz hemmen |
19.10.2010 13:57 Uhr |
Von Elke Wolf, Mannheim / Schmerztherapie funktioniert nicht nach Schema F, schon gar nicht bei älteren Patienten. Zunehmende Multimorbidität sowie pharmakokinetische und metabolische Veränderungen erschweren die Auswahl eines geeigneten Analgetikums. Dann kann ein Buprenorphin-haltiges Pflaster eine Option sein.
Etwa ein Drittel der Patienten über 70 Jahre hat mindestens fünf chronische Erkrankungen und nimmt mehr als drei verschiedene Arzneimittel pro Tag ein, sagte Ulf Schutter, Schmerztherapeut aus Marl, auf dem Deutschen Schmerztag in Mannheim. Neuere Studien gingen von einer noch höheren Anzahl an Arzneistoffen aus (fünf und mehr), die älteren Patienten gleichzeitig verabreicht werden. »Diese Polypharmakotherapie steht jedoch im Alter einer zunehmenden Organinsuffizienz, Multimorbidität und kognitiven Einbußen gegenüber.« So seien ältere Patienten für Nebenwirkungen und Überdosierungen besonders empfindlich.
»Probleme bei der Therapie ergeben sich nicht bei den noch einigermaßen gesunden 65-Jährigen, sondern bei den hochbetagten Patienten«, machte Dr. Not-Rupprecht Siegel von der Akutgeriatrie am Klinikum Ingolstadt klar.
Bei der Indikation Schmerz komme noch eine Tatsache hinzu: »Schmerzentwicklung und -wahrnehmung verändern sich im Laufe des Lebens.« Nicht nur, dass ältere Patienten häufiger chronische Schmerzen haben als jüngere, sie empfinden sie auch intensiver. Und: Je länger der Schmerz bereits anhält, desto länger dauert es, die Schmerzintensität herunterzuregulieren. Deshalb ist im Alter eine längere Behandlung erforderlich, um eine gleich gute Schmerzreduktion wie bei Jüngeren zu erzielen.
Schmerztherapie einmal pro Woche
Besonders im Alter ist deshalb ein Analgetikum vonnöten, das sowohl von der Darreichungsform als auch von der Einnahmehäufigkeit leicht anzuwenden ist und relativ wenig Nebenwirkungspotenzial besitzt. Für ältere Patienten mit Neuro- und Arthropathien ist ein Buprenorphin-haltiges 7-Tage-Schmerzpflaster (Norspan®) eine Option, sagte Schutter auf einer Pressekonferenz der Firma Grünenthal. »Buprenorphin zeichnet sich durch eine vergleichsweise gute ZNS-Verträglichkeit aus. Außerdem sind das Abhängigkeits- und Interaktionspotenzial gering einzustufen.« Der transdermale Applikationsweg führt zu einem gleichmäßigen Wirkstoffspiegel über sieben Tage und ermöglicht so eine dauerhafte Schmerzkontrolle über eine gesamte Woche.
Das Pflaster ist zum Beispiel für Patienten geeignet, die zuvor mit nicht steroidalen Antirheumatika oder Tramadol unzureichend behandelt worden waren. Studien zeigen eine Überlegenheit gegenüber Tramadol beziehungsweise Tilidin. Im Vergleich zum ebenfalls transdermal zu applizierenden Fentanyl hat Buprenorphin eine signifikant höhere Dosisstabilität und kann auch bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ohne Dosisanpassung eingesetzt werden.
Dass das Buprenorphin-Pflaster auch nach zwölfwöchiger Anwendung noch gut abschneidet, präsentiert Privatdozent Dr. Michael Überall vom Institut für Neurowissenschaften, Algesiologie und Pädiatrie in Nürnberg. Er stellte die Ergebnisse einer nicht-interventionellen Studie mit 891 chronischen Schmerzpatienten vor, die über drei Monate mit dem Buprenorphin-Pflaster behandelt worden waren. Knapp 60 Prozent der untersuchten Patienten mit einem Durchschnittsalter von 72,8 Jahren und überwiegend nicht-tumorbedingten Schmerzen (zum Beispiel Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens, Arthropathien, Neuropathien) litten bereits seit mehr als einem Jahr an ihren Beschwerden. Trotz beginnender oder bereits bestehender Chronifizierung, einer hohen Schmerzintensität und erheblichen schmerzbedingten Einbußen im Alltag, erhielten die Studienteilnehmer zuvor lediglich eine Therapie mit Analgetika der WHO-Stufe I oder II beziehungsweise eine Kombinationstherapie aus beiden WHO-Stufen.
Schmerzreduktion noch nach Wochen
»Nach drei bis vier Wochen hat die Schmerz-intensität bei dem Gros der Patienten um die Hälfte abgenommen«, so Überall. Bis zum Ende des Beobachtungszeitraums reduzierte sich der Schmerz weiter signifikant, genauso wie die schmerzbedingten Beeinträchtigungen im Alltag. Die schmerzbedingt eingeschränkte Lebensqualität verbesserte sich dagegen erheblich. Nach den Worten Überalls ist es wichtig, erst nach mehreren Wochen zu beurteilen, wie effektiv das jeweilige Analgetikum ist. Auch dann seien noch Effekte zu erwarten. Der Experte führt dies darauf zurück, dass Antichronifizierungssysteme wie Endorphine, Endocannabinoide, GABAerge und monaminerge Hemmmechanismen erst wieder angestoßen werden müssen, nachdem das Schmerzgedächtnis so lange gefüttert wurde.
Auffällig: Das Ausmaß der Schmerzlinderung ist abhängig von der Schmerzursache. Buprenorphin erwies sich bei Patienten mit Neuropathien, Arthropathien und Tumorerkrankungen stärker wirksam als bei Patienten mit Krankheiten an Wirbelsäule und Rücken oder bei Patienten mit Krankheiten der Weichteilgewebe und Chondropathien. /