Dem Apothekensystem droht der Kollaps |
11.10.2011 18:59 Uhr |
Die Apotheken brauchen dringend eine gerechtere Vergütung ihrer Leistungen. Das forderten ABDA-Vertreter vor Journalisten zum Auftakt des Apothekertags in Düsseldorf. Sonst könnten die Folgen nicht nur für die Apotheken spürbar werden – auch für die Patienten. Denn ein Trend zu Apothekenschließungen hat bereits begonnen.
Bei der Apothekenbelastung und -honorierung besteht akuter Handlungsbedarf. Das machte der Präsident der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Heinz-Günter Wolf deutlich. »Wenn die Apotheken nicht endlich ein angemessenes Honorar bekommen, dann wird in einigen Jahren das bewährte System der Gesundheitsversorgung durch wohnortnahe Apotheken kollabieren«, sagte Wolf.
ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz, ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf und ABDA-Geschäftsführer Karl-Heinz Resch (von links) informierten Pressevertreter über die aktuelle wirtschaftliche Lage der Apotheken und formulierten ihre Forderungen an die Politiker.
Er erläuterte, dass sich die wirtschaftliche Lage vieler Apotheken dramatisch verschlechtert hat – zuletzt durch die Auswirkungen des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG). »Der Großhandel wälzt die ihm zugedachte Belastung einfach auf die Apotheken ab«, sagte Wolf. Das führt dazu, dass die Apotheken statt 200 gleich 400 Millionen Euro in diesem Jahr schultern müssen. Wolf: »Unter dieser immensen Last brechen viele zusammen, wenn nicht heute, dann in naher Zukunft.« Er forderte daher, dass mit dieser Doppelbelastung Ende des Jahres Schluss ist. »Begrenzen Sie die Belastung der Apotheker auf das ursprünglich vorgesehene Maß«, so sein Appell an die Politik.
Zudem wiederholten die Apothekenvertreter den Wunsch, endlich Klarheit beim Abschlag, den sie pro Packung an die Krankenkassen leisten müssen, zu bekommen. Noch immer steht dieser für 2009 und 2010 nicht fest, da die Kassen den vom Schiedsgericht festgelegten Betrag von 1,75 Euro in Frage stellen. Für 2011 und 2012 hat die Politik im AMNOG den Abschlag auf 2,05 Euro festgelegt. Dieses »Sonderopfer« müsse auf dieses Jahr begrenzt werden, forderte auch ABDA-Geschäftsführer für Wirtschaft, Soziales und Verträge, Karl-Heinz Resch. Er beklagte die fehlende Planungssicherheit. »Der Abschlag ist politik- und klageanfällig«, sagte Resch. Dies müsse sich ändern.
Eine zweite Forderung umfasst die Dynamisierung der bislang fixen, packungsbezogenen Honorierung. Seit 2004 liegt die Fixhonorierung bei 8,10 Euro. Das spiegelt jedoch nicht die wachsenden Kosten wider, zum Beispiel durch erhöhten Personalbedarf aufgrund höheren Beratungsbedarfs und Bürokratie durch die Rabattverträge.
Drittens fordern die Apotheker einen Ausgleich für die bestehende Unterdeckung beim Nacht- und Notdienst sowie bei der Herstellung von Rezepturen. Für die Sonderdienste veranschlagt die 192 Millionen Euro jährlich, für die Einzelanfertigungen in der Rezeptur 137 Millionen, die jedes Jahr fehlen. Zudem beklagt der Verband, dass der Zuschlag für die Abgabe von Betäubungsmitteln nicht einmal die vom Apotheker zu zahlende Bearbeitungsgebühr im Großhandel decke. Hier fehlen 19 Millionen Euro jährlich.
»Der Ball liegt jetzt bei der Politik«, sagte ABDA-Präsident Wolf. Falls diese kein Entgegenkommen zeigt, sieht es düster für die Apotheken aus. Von einem »Apothekensterben« wollten die ABDA-Vertreter noch nicht sprechen, wohl aber von einem negativen Trend. Die ABDA rechnet mit fast 500 Schließungen in diesem Jahr. Damit würde der Stand der Apotheken auf den niedrigsten Stand seit 1995 sinken. Sorgen um ihre Arbeitsplätze müssen sich angestellte Apotheker und PTA aber nicht machen. »Gutes Personal ist knapp«, so Wolf. »Wer sich für ein Pharmaziestudium oder eine PTA-Ausbildung entscheidet, hat sehr geringe Möglichkeit, arbeitlos zu werden – und das ist gut so.« Grund hierfür ist der erhöhte Beratungsbedarf der Patienten, zum Beispiel durch Rabattverträge. Diese seien nicht geeignet, die Versorgungsqualität zu verbessern, so der ABDA-Präsident. »Jetzt besteht die Chance, einen Schritt nach vorne zu gehen«, sagte Wolf. Mit dem ABDA-KBV-Modell hätten Ärzte und Apotheker gemeinsam ein stimmiges Vorsorgungskonzept vorgelegt. Es verbessert nicht nur die Versorgung der Patienten, sondern spart auch mehr als 2 Milliarden Euro pro Jahr an Krankenkassenkosten. Wolf zeigte sich auf der Pressekonferenz sehr zuversichtlich, dass dieses »Zukunftskonzept Arzneimittel-Versorgung« den Weg in das Versorgungsstrukturgesetz schafft. /
Konsequente Forderungen
Die wirtschaftliche Situation der Apotheken wird kontinuierlich schlechter. Während die Anforderungen und die Kosten steigen, verharrt der Ertrag mit leichten Schwankungen seit dem Jahr 2004 auf demselben Niveau. Mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz geht es jetzt sogar deutlich abwärts. Diese Entwicklung ist indiskutabel.
Es ist deshalb konsequent, dass die ABDA jetzt in die Offensive geht. Die Forderungen sind dabei ebenso klar wie nachvollziehbar. Der packungsbezogene Fixbetrag von 8,10 Euro muss angehoben werden. Rezeptur, Nacht- und Notdienst sowie die Abgabe von Betäubungsmittel müssen kostendeckend vergütet werden. Die knappe Marge aus der Arzneimittelversorgung kann diese Gemeinwohlpflichten nicht länger subventionieren. Das Geld ist einfach nicht mehr da. Allein in diesen Bereichen fehlen fast 350 Millionen Euro. Außerdem muss die im AMNOG festgelegte Sonderbelastung in Form des erhöhten GKV-Abschlags nach diesem Jahr auslaufen. Die Apotheker haben ihren für zwei Jahre vorgesehenen Sparbeitrag bereits erbracht.
Angesichts der Ertragsentwicklung in den vergangenen Jahren sind die Forderungen überaus maßvoll. Der Ball liegt nun bei der Politik. Sie muss sich fragen, ob ihr eine qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung wichtig ist. Wenn ja, dann muss sie schnell handeln. Wenn nicht, dann wäre dies ein Armutszeugnis, aber kein Zeugnis von Armut – denn für andere Bereiche im Gesundheitswesen ist durchaus Geld vorhanden.
Daniel Rücker , PZ-Chefredakteur