Raubbau nicht akzeptieren |
12.10.2010 19:25 Uhr |
Mit rund 500 Ausstellern aus 21 Ländern und mehr als 20 000 erwarteten Besuchern können sich die Zahlen der Expopharm 2010 durchaus sehen lassen. Nach einer Festrede stand dem DAV-Vorsitzenden Fritz Becker dennoch nicht der Sinn. Das AMNOG schlägt auch dem Deutschen Apothekerverband erheblich auf die Stimmung.
Nicht unerwartet nahm das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) den weitaus größten Teil in Beckers Rede ein. Sein Fazit war eindeutig: »Hier wird der Bogen deutlich überspannt.« Die Apotheker seien die einzige Berufsgruppe, die tatsächliche Einbußen zu verzeichnen hätte und das auch noch zeitlich unbefristet. Während bei Ärzten und Zahnärzten lediglich der Zuwachs des Einkommens für die beiden nächsten Jahre begrenzt werde, müssten die Apotheker über die Umstellung und Senkung der Großhandelsspanne einen Rückgang des Betriebsergebnisses um durchschnittlich 23 000 Euro hinnehmen.
Besonders ärgerlich sei dabei, dass die Höhe der Belastung aus einer fehlerhaften Berechnung im Bundesgesundheitsministerium resultiere, sagte Becker. Eigentlich wollte die Regierung die Krankenkassen auf diesem Weg um 340 Millionen Euro entlasten. Tatsächlich sind es nun inklusive Mehrwertsteuer 630 Millionen Euro. Der Großhandel werde dies laut eigener Ankündigung komplett an die Apotheken weiterreichen, machte der DAV-Vorsitzende deutlich. Dies sei für die Apothekerschaft keinesfalls akzeptabel. Becker: »Einen derartigen Raubbau an den Apotheken werden wir nicht akzeptieren.« Der DAV bleibe bei seiner ursprünglichen Forderung: Eine Umstellung der Großhandelsvergütung dürfe die Apotheker keinesfalls belasten. Sie müsse ergebnisneutral sein.
Becker sieht nicht nur die Apotheker als Opfer der Umstellung. Auch die privaten Großhändler seien in Gefahr. Ihre Ertragslage sei heute schon angespannt. Das würde sich nach einer Umstellung der Spanne auf 60 Cent plus 1,7 Prozent noch verschärfen. Womöglich gebe es aber Großhandlungen, denen diese Entwicklung nicht unlieb sei.
Das AMNOG birgt laut Becker für die Apotheker aber noch weitere Ärgernisse. Dabei geht es vor allem um Dinge, die nicht im Gesetz stehen, obwohl sie es aus Sicht der Apotheker durchaus sollten. An erster Stelle steht das Pick-up-Verbot. »Obwohl es im Koalitionsvertrag und im Referentenentwurf zum AMNOG steht, hat es die Bundesregierung wegen juristischer Bedenken aus dem Gesetz gestrichen, kritisierte Becker. Die ABDA habe einen Weg aufgezeigt, wie ein Verbot juristisch sauber umzusetzen wäre, bislang ohne Reaktion. Becker machte deutlich, dass Pick-up-Stellen den Vertriebsweg weniger sicher machten und die Versorgung über öffentliche Apotheken gefährdeten. Er riet der Regierung, die Empfehlung des Bundesrates aufzugreifen und Pick-up-Stellen endlich zu verbieten.
Unzufrieden ist der DAV-Vorsitzende auch, weil im AMNOG keine vernünftige Lösung für das Inkasso des Herstellerrabattes vorgesehen ist. Das Risiko liege weiter bei den Apothekern. Hätten Hersteller und Krankenkassen unterschiedliche Auffassungen darüber, ob für ein Medikament der Abschlag fällig werde, dann müssten die Apotheker haften. Dieser Zustand sei untragbar, auch weil die Zahl der Streitfälle in letzter Zeit immer weiter gestiegen sei. Dieser ungerechtfertigten Belastung der Apotheker müsse schnell ein Ende bereitet werden.
DAV-Vorsitzender Fritz Becker
Und noch ein dritter Punkt fehlt Becker im AMNOG: »Die Entscheide unserer Schiedsstelle müssen sofort vollzogen werden.« Im Gegensatz zu den Schiedsstellen im ärztlichen Bereich, deren Entscheidungen direkt umgesetzt werden, können die Entscheidungen der apothekerlichen Schiedsstelle durch Klagen aufgeschoben werden. Dies verunsichere Apotheker erheblich, machte Becker deutlich. Sie wüssten nicht, wie hoch ihr Ertrag tatsächlich sei. Dies mache unternehmerische Entscheidungen schwierig.
Erschwerend komme hinzu, dass die Apotheker auch von dem im Sommer in Kraft getretenen GKV-Änderungsgesetz betroffen waren. So mussten sie wegen der Änderungen beim Herstellerrabatt Lagerwertverluste hinnehmen.
Angesichts der schwierigen Lage im Gesundheitswesen warb Becker für eine gute Zusammenarbeit der Marktbeteiligten: »Wir brauchen verlässliche Partner.« Nur so könne das hochwertige System der Arzneimittelversorgung erhalten werden. /