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Arbeitskreis 1

Mut zu mehr Pharmazie

02.10.2007  12:02 Uhr

Arbeitskreis 1

<typohead type="3">Mut zu mehr Pharmazie

Leistungen für Patienten und Gesellschaft: Wo stehen die Apotheker und wo wollen sie hin? Perspektiven für die Zukunft zeigte der Arbeitskreis 1 unter Moderation der ABDA-Geschäftsführerin Dr. Christiane Eckert-Lill auf.

 

Rezeptur, vertrauliche Beratung, pharmazeutische Dienstleistungen für ältere multimorbide Patienten, Prävention, Case Management und Berufsnachwuchs: Die Zukunft der Apotheker wird pharmazeutisch entschieden. Dieses von BAK-Präsidentin Magdalene Linz geprägte Motto zog sich wie ein roter Faden durch die Diskussion. »Die Apotheker haben echte Leistungsangebote, wollen ein gutes Vertrauensverhältnis zu den Ärzten pflegen und sehen sich auch in Zukunft als Heilberufler«, fasste Eckert-Lill den lebendigen Arbeitskreis zusammen. 

 

Markenzeichen Rezeptur

 

Als »Markenzeichen seiner Zunft« bezeichnete Dr. Erich Schubert, Geschäftsführer des Berufsverbands der Deutschen Dermatologen, Würzburg, die Rezeptur, mit deren Hilfe die Hautärzte sich von anderen Fachrichtungen abgrenzen. Schubert konstatierte, dass die meisten Dermatologen allerdings zum Teil veraltete Vorschriften verwenden und das Neue Rezeptur Formularium (NRF) nicht kennen. Er plädierte für die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Hautärzten und Apothekern, um den Bekanntheitsgrad des NRF zu erhöhen. Dies sei auch im Sinne der Wirtschaftlichkeit. Schubert betonte, dass es hinsichtlich der Qualität der in Apotheken hergestellten Rezepturen kaum zu Beanstandungen komme. »Die Qualität ist gut«, betonte er. 

 

»Wir suchen den Dialog mit den Dermatologen«, unterstrich Linz in der Diskussion. Sie hob die Bedeutung der Rezeptur als ureigenes pharmazeutisches Tätigkeitsfeld hervor und plädierte ebenfalls für die verstärkte Kooperation von Hautärzten und Apothekern, zum Beispiel in Qualitätszirkeln auf Landesebene. »Die Apotheker sollten von sich aus tätig werden und nicht darauf warten, dass die Dermatologen auf sie zukommen«, unterstrich die BAK-Präsidentin.

 

Gab es auch einzelne Stimmen, die die Herstellung von Rezepturen in spezialisierten Apotheken und Netzwerken befürworteten, so überwog doch die Mehrheitsmeinung: Die dermatologische Rezeptur muss in jeder Apotheke vorgehalten werden.

 

Dieses Meinungsbild schlug sich auch in einem Antrag nieder. Die Hauptversammlung forderte den Verordnungsgeber auf bei der Novellierung der Apothekenbetriebsordnung daran festzuhalten, dass Rezepturen grundsätzlich in jeder Apotheke hergestellt werden müssen. Sie beschloss ferner, die Zusammenarbeit von Apothekern und Dermatologen vor Ort in dem Sinne zu fördern, dass anstelle von Rezepturen, deren Zusammensetzung und Herstellung nicht offiziell beschrieben wird, verstärkt standardisierte Rezepturen verordnet werden.

 

Rezepte vom Apotheker?

 

Arzneimittel bereit zu stellen und abzugeben, sei nur ein Teil der pharmazeutischen Aufgabe, sagte Karin Graf, Vizepräsidentin der LAK Baden-Württemberg und Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands von ABDA und BAK. Die Pharmazie wird sich wandeln, da die Menschen immer älter werden. Der Einsatz von Medikamenten bei multimorbiden Patienten und somit auch die Häufigkeit von Interaktionen nehmen zu. »Nicht nur die Gesellschaft, auch und gerade die Apotheker stehen vor neuen Herausforderungen«, ist Graf überzeugt.

 

Prüfung der Verordnung, Abklären von Neben- und Wechselwirkungen, Hinweise zur Dosierung, Erklären von Applikationshilfen und pharmazeutische Betreuung - »und das alles vertraulich« - gehörten unbedingt zu den Leistungen der Apotheke. Künftig könne die Betreuung bis zum Patienten nach Hause reichen und Case Management einschließen.

 

Graf ermutigte die Kollegen nachdrücklich zu »mehr Pharmazie«. Die Kollegen am Ort müssten motiviert werden, neue Aufgaben in die täglichen Arbeitsabläufe zu integrieren. Dabei stünden sie nicht allein. »Bei allen Aufgaben hilft Ihnen Ihre Kammer.«

 

Intensive Diskussionen löste Graf mit ihrer Anregung aus, Apotheker in die Verordnung einzubinden, wie dies in Großbritannien und der kanadischen Provinz Alberta erprobt wird. Dort dürfen Apotheker, die eine Zusatzqualifikation erworben haben, unter genau definierten Bedingungen Arzneimittel verschreiben. Die Entscheidung über die Therapie und deren Dauer müsse immer beim Arzt liegen, grenzte Schubert ab. Der Apotheker könne jedoch gut eingestellte Patienten weiterbetreuen und über Folgeverordnungen die Kontinuität in der Therapie sichern; dann müsse er dafür aber auch die Verantwortung übernehmen.

 

Angesichts des Rückgangs an Hausärzten in Deutschland erscheint das Modell des verordnenden Apothekers bedenkenswert. Dabei übernimmt dieser »die Versorgungs-, nicht die Therapieverantwortung«, präzisierte ABDA-Präsident Wolf. Ein intensiver Dialog mit den Ärzten, zum Beispiel in gemeinsamen Qualitätszirkeln, sei unabdingbar. Zwar gab es auch mahnende Stimmen, die auf die historisch gewachsene und bewährte strikte Trennung von Arzt- und Apothekerberuf hinwiesen und ein sehr sensibles Vorgehen forderten, doch die meisten Diskutanten begrüßten das Modell.

 

Gleiches galt für Grafs Appell an die Politiker, die Apotheker auch offiziell in die Prävention einzubinden. Sie böten bereits heute eine Reihe von standardisierten Leistungen der Vorsorge und Prävention an, sagte Graf und nannte beispielhaft Ernährungsberatung und physiologisch-chemische Untersuchungen. Die Delegierten unterstrichen dies mit ihrer großen Zustimmung zum Leitantrag L3, der die Verankerung des Berufsstands im Präventionsgesetz fordert.

 

Mehr Zuwendung zu Älteren

 

Pharmazeutische Dienstleistungen für multimorbide ältere Patienten schilderte Dr. Michael Jensen, Mitglied des Vorstands der Apothekerkammer Niedersachsen, Hildesheim. »Hier können wir besonders viel leisten. Hier sind wir besonders gut«, untermauerte er Grafs Ausführungen. Da immer mehr Menschen immer älter werden und immer mehr Medikamente brauchen, sei der Apotheker gefordert. Die Gesellschaft werde sich zukünftig »daran messen lassen, wie sie für ältere Patienten sorgt«.

 

Weg von der Belieferung hin zur Versorgung: Ziel der Apotheker müsse es sein, dass der Arzneimittelsektor in Alten- und Pflegeheimen gänzlich in den Verantwortungsbereich des Apothekers fällt. Noch mehr als bisher müssten Ärzte und Apotheker zur Stärkung der Compliance mit einer Stimme sprechen; dies gelte auch in der ambulanten Arzneimittelversorgung älterer Patienten. Der Apotheker müsse die Therapieentscheidung des Arztes durch detaillierte Information und Beratung begleiten. So werde die Mitarbeit des Patienten gestärkt.

 

Gerade ältere Menschen, so Jensen, suchen das Gespräch zu Menschen ihres Vertrauens. Diese fänden sie in der wohnortnahen Apotheke als »niederschwellige Anlaufstelle«. Jensen: »Wir können stolz sein auf unsere soziale Kompetenz«.  

 

Jensen betonte, dass der Apotheker einen wichtigen Beitrag in der Palliativmedizin leisten kann. Sein Votum wurde durch einen Antrag der Hauptversammlung untermauert. Diese fordert die ABDA auf, den Kontakt mit Behörden, Organisationen, Selbsthilfegruppen und Strukturen im Themenfeld Palliativmedizin zu suchen, um die Rolle des Apothekers im palliativen Netzwerk zu sichern.

 

»Alle Türen stehen uns offen, wenn wir unsere Fähigkeiten richtig einsetzen«, ist Sina Heintz, Präsidentin des Bundesverbandes der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) überzeugt. Sozialkompetenz nehme dabei einen immer höheren Stellenwert ein. »Nur wer den Patienten versteht, kann ihm helfen.« Daher müsse das Fach Klinische Pharmazie, das im Studium den Praxisbezug eröffnet, dringend gestärkt werden. Es fehle an vielen Universitäten an Professuren und der adäquaten Umsetzung der Inhalte. Hier gebe es noch viel Nachholbedarf.

 

Der Apotheker müsse sich auch in Zukunft als Heilberufler verstehen. »Wir wollen diese Zukunft aktiv mitgestalten«, sagte die BPhD-Präsidentin und erntete Beifall.

Kommentar: Neues Selbstbewusstsein

Erfreulich positiv und lebendig war die Diskussion im Arbeitskreis 1. Ein neu erwachtes Selbstbewusstsein war deutlich spürbar, als Referenten und Diskutanten die Einbindung der Apotheker in Prävention, Palliativmedizin und -pharmazie sowie Case Management beanspruchten. Und erst recht, als es um eine mögliche Verordnungskompetenz für Apotheker ging. Schade wäre es, wenn die Aufbruchstimmung im Arbeitskreis nach dem Apothekertag einfach verpufft. Den Worten müssen Taten folgen. Damit Apotheker wirklich unverzichtbar werden; damit die Zukunft wirklich zugunsten der Pharmazie entschieden wird; damit der Patient wirklich die menschliche und fachliche Betreuung bekommt, die er will und braucht.

 

Brigitte M. Gensthaler

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