Gefährlicher Atemstillstand in der Nacht |
28.09.2006 10:30 Uhr |
Gefährlicher Atemstillstand in der Nacht
Von Christina Hohmann
Atemaussetzer im Schlaf führen nicht nur zu einer ausgeprägten Tagesmüdigkeit, sie erhöhen auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck und Schlaganfall. Betroffene lassen sich in der Apotheke mithilfe eines telemedizinischen Apnoe-Screenings identifizieren.
Schlaf ist eine der wichtigsten Säulen der Gesundheit. Wenn der Schlaf gestört ist, hat dies weitreichende negative Konsequenzen. Beim Schlafapnoe-Syndrom führen Atemstillstände zu einer Sauerstoffunterversorgung im Schlaf und zu wiederholten Weckreaktionen, um ein Ersticken zu verhindern. »Die Weckreaktionen zerstören die Schlafstruktur massiv, sie verhindern den Tiefschlaf«, erklärte Nikolaus Böhning, Geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für medizinische Fachinformation Patientenaufklärung und Diagnostik (iDOC) auf einem Seminar im Rahmen der Expopharm in München. Dadurch können sich Betroffene nachts nicht erholen, tagsüber sind sie müde, unkonzentriert und gereizt. Etwa 12 Prozent der tödlichen Verkehrsunfälle ließen sich auf die Schlafstörung zurückführen, erklärte der Referent.
Zwischen 2 und 4 Prozent der Bevölkerung im mittleren Lebensalter leiden an einer behandlungsbedürftigen Schlafapnoe. Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin geht von 800.000 Patienten in Deutschland aus. Besonders häufig betroffen sind übergewichtige Männer zwischen 30 und 60 Jahren, aber auch Frauen nach der Menopause, erklärte Böhning. Die häufigste Form dieser Schlafstörung ist die obstruktive Apnoe, bei der die Schlundmuskulatur erschlafft und die oberen Atemwege verschließt. Sehr viel seltener tritt die zentrale Apnoe, bei der durch Schäden im Zentralnervensystem die Atemregulation gestört ist, oder Mischformen zwischen den beiden auf.
Ursache für die Störung sind neben Übergewicht auch eine konstitutionelle Veranlagung des Rachenraums oder ein Schlaganfall. »60 Prozent der Schlaganfall-Patienten entwickeln eine Schlafapnoe«, sagte Böhning.
Stress und Sauerstoffmangel
»Je nach Patient können die Atempausen bis zu zwei Minuten anhalten oder bei anderen Patienten bis zu 200 Mal pro Stunde auftreten«, erklärte der Referent. Da die Aufweckreaktionen unbemerkt bleiben, wissen viele Betroffene nichts von ihrer Krankheit. Die Mehrheit der Betroffenen ist laut Böhning nicht diagnostiziert. Das ist fatal, denn die nächtlichen Atemaussetzer können schwere Folgeerkrankungen hervorrufen. Der Sauerstoffgehalt sinkt im Schlaf ab, bei schweren Fällen liegt die Sättigung bei etwa 70 Prozent. »Unter einer Sättigung von 80 Prozent wird man im Krankenhaus notbeatmet«, verdeutlichte Böhning.
Durch den Sauerstoffmangel ist die Versorgung des Gehirns und des Herzens nicht mehr gewährleistet. Das verursacht Stress, der Blutdruck steigt an, das Herz versucht, den Mangel durch stärkere Pumpleistung auszugleichen. Auf Dauer kann dies zu einem chronischen Bluthochdruck, zu Herzrhythmusstörungen oder Herzinsuffizienz führen. Das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall ist erhöht. Einer Studie zufolge seien 65 Prozent der Menschen, die an einem plötzlichen Herztod sterben, Schlafapnoe-Patienten, sagte Böhning.
Die Erkrankung bedingt auch, dass ein bestehender Bluthochdruck und ein Diabetes mellitus medikamentös schlecht zu behandeln sind. Weitere Folgen können Gereiztheit, Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrationsstörungen, Depressionen oder Impotenz sein.
Frühzeichen erkennen
Eine Schlafapnoe ist schwer zu erkennen, da die Aufweckreaktionen unbemerkt bleiben. Frühzeichen für eine Störung sind lautes, unregelmäßiges Schnarchen, Müdigkeit, Einnicken am Arbeitsplatz sowie Bluthochdruck. Menschen, die eine Schlafstörung bei sich vermuten, sollten zunächst ihren Partner nach diesen Indikatoren befragen. Bestätigt der den Verdacht, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Dieser nimmt dann gegebenenfalls eine Einweisung in ein Schlaflabor vor.
Ein erstes Screening auf Schlafapnoe kann jetzt auch in der Apotheke stattfinden. Das Potsdamer Institut für medizinische Fachinformation, Patientenaufklärung und Diagnostik (www.idoc.de) hat in Zusammenarbeit mit der Berliner Charité ein telemedizinisches Diagnostiksystem entwickelt, das die nächtlichen Atemaussetzer erkennt. Ein am Handgelenk getragenes Pulsoxymeter misst und speichert die Sauerstoffsättigung und Herzfrequenz. Dieses Gerät können Patienten, die eine Schlafapnoe vermuten, beim Apotheker ausleihen, zu Hause nachts selbst einschalten und am nächsten Tag zurückbringen. In der Offizin werden die Daten mithilfe einer speziellen Software eingelesen und zur Auswertung an ein Schlaflabor geschickt. Dieses liefert dann nach wenigen Tagen ein Gutachten, das der Apotheker mit dem Patienten bespricht. Bei Auffälligkeiten sollte der Betroffene einen Arzt aufsuchen und zur genaueren Diagnostik in ein Schlaflabor eingewiesen werden.
Bei einer ersten Pilotuntersuchung mit diesem Gerät in deutschen Apotheken erwies sich das Screening als erfolgreich: Fast die Hälfte der getesteten Personen hatte tatsächlich einen pathologischen Befund, 25 Prozent von ihnen sogar einen schweren Befund.
Eine diagnostizierte Schlafapnoe lässt sich gut therapieren. Bei leichten Fällen reicht häufig eine Gewichtsreduktion, körperliche Betätigung und eine Stärkung der Schlundmuskulatur aus, um die Atemaussetzer in den Griff zu bekommen. Schwerere Erkrankungen lassen sich mithilfe von Atemtherapiegeräten behandeln. Diese CPAP-Geräte (continuous positive airway pressure) enthalten ein Gebläse, das mit einer Atemmaske verbunden ist, die sich der Patient zum Schlafen über das Gesicht zieht. Über Nacht erzeugt das Gerät in den Atemwegen einen leichten Überdruck, wodurch die Atemwege offen gehalten werden. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase verbessert sich der Schlaf unter einer CPAP-Therapie meist deutlich. Die nächtlichen Stresszustände nehmen ab und der Schlaf ist wieder erholsam.