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Tapentadol

Schmerzmittel mit doppeltem Wirkprinzip

Datum 14.09.2010  15:18 Uhr

Von Daniela Biermann, Hamburg / Mit Tapentadol kommt im Oktober erstmals ein Analgetikum auf den Markt, das gleichzeitig als Agonist am µ-Opioidrezeptor und als Noradrenalin-Reuptake-Hemmer wirkt.

Tapentadol gehört zu den Opioiden. Wissenschaftler aus der Forschungsabteilung des deutschen Pharmaunternehmens Grünenthal synthetisierten die Substanz bereits 1994, berichtete Kai Martens, Geschäftsleiter Deutschland bei Grünenthal, während einer Informationsveranstaltung für Medizinjournalisten in Hamburg.

Laut Hersteller ist Tapentadol die erste Neuentwicklung im Bereich zentral wirksamer Analgetika seit 25 Jahren. Bei erster Betrachtung hatten die Forscher der Substanz noch nicht allzu viel zugetraut, berichtete Dr. Ulrich Jah­nel, der die präklinische Entwicklung des Arzneistoffs seit 2000 geleitet hat. So weist das Molekül eine Phenol­grup­pe auf, die es normalerweise anfällig für eine schnel­le Verstoffwechslung machen würde. An dieser Stelle wird es in der Leber glucuronidiert. Trotzdem erreicht der Wirkstoff eine Bioverfügbarkeit von mehr als 30 Prozent. Tatsächlich spricht der Metabolismus für Tapentadol: »Das relativ kleine Molekül ist gut wasserlöslich, wird schnell verteilt und ist gut ZNS-gängig«, sagte Jahndel. Da es nicht über das Cytochrom-P450-System abgebaut wird und eine geringe Proteinbindung aufweist, sei das pharmakokinetische Interaktionspotenzial gering, so der Entwicklungs­leiter.

 

Noch aus einem weiteren Grund hätten die Forscher es beinahe links liegen gelassen: In vitro zeigte es eine um den Faktor 50 schwächere Affinität zum µ-Rezeptor als Morphin. Tatsächlich wirkte es im Tierversuch aber ähnlich gut. Dies liegt an einem weiteren Target: Tapentadol wirkt nicht nur antinozizeptiv am µ-Rezeptor, sondern hemmt auch die Wiederaufnahme von Noradrenalin im synaptischen Spalt.

 

Schmerz als vielseitiges Krankheitsbild

 

Kurz zur Pathologie des Schmerzes: Tritt ein Schmerzreiz in der Peripherie auf, verbrennt man sich zum Beispiel die Hand an der Herdplatte, wird die Information im Rückenmark verschaltet und über die aufsteigenden Bahnen ans Gehirn weitergeleitet. Gehemmt wird die Schmerzweiterleitung bereits hier von µ-Rezeptor-Agonisten. Das Gehirn wertet den Reiz aus und reagiert über die absteigenden Bahnen, zum Beispiel mit dem Befehl, die Hand wegzuziehen. Über eine Rückkopplung wird die weitere Schmerzweiterleitung normalerweise gedämpft. Zu diesem negativen Feedback-Mechanismus gehört die Ausschüttung von Noradrenalin in den synaptischen Spalt.

 

Sind die Nerven intakt, spricht man von nozizeptivem Schmerz. Klassisches Beispiel sind Kopf- oder Gelenkschmerzen. Halten die Schmerzen jedoch über Wochen an, kann es zu neuroplastischen Veränderungen und Nervenschäden, den Neuropathien, kommen. Dann chronifizieren sich die Schmerzen. Neuropathien können jedoch auch andere Ursachen haben, zum Beispiel Diabetes oder Multiple Sklerose. Häufig treten Mischformen aus nozizeptivem und neuropathischem Schmerz auf, zum Beispiel bei vielen Krebsarten oder chronischen Rückenschmerzen.

»Tapentadol ist ein Molekül mit zwei synergistischen Wirkmechanismen«, erklärte Jahnel. »Zum einen wirkt es nach dem klassischen Opioid-Prinzip, nämlich als µ-Rezeptor-Agonist (MOR) sowohl prä- als auch postsynaptisch. Damit hemmt es die Schmerz-weiterleitung, den nozizeptiven Schmerz. Gleichzeitig inhibiert es über den präsynaptischen α2-Rezeptor die Wiederaufnahme von Noradrenalin (NRI) aus dem synaptischen Spalt, das somit ausgeprägter wirken kann.« Letztere Komponente trage vor allem zur Linderung chronisch neuropathischer Schmerzen bei.

 

Durch die im Vergleich zu Morphin geringere µ-Rezeptoraffinität verspricht sich Grünenthal von Tapentadol ein positiveres Nebenwirkungsprofil. Im Tierversuch zeigte es sich bezüglich gastrointestinaler Nebenwirkungen im Vorteil. Dies bestätigen die klinischen Studien, in denen sich Tapentadol in einigen Punkten besser verträglich als Oxycodon zeigte. Trotzdem ist mit typischen Opioid-Nebenwirkungen wie Übelkeit, Verstopfung, psychiatrischen Störungen und Atemdepression zu rechnen. Ein Anstieg kardialer Nebenwirkungen durch die NRI-Komponente war in den klinischen Studien nicht zu beobachten. In der Klinik war zwar kein Gewöhnungseffekt zu sehen, das heißt nach Auftitrierung konnte die schmerzlindernde Dosis konstant gehalten werden. Es besteht jedoch ein Abhängigkeits- und Missbrauchspotenzial. Daher wird der Wirkstoff nur mit einem Betäubungsmittelrezept erhältlich sein.

 

Weitere Markteinführungen geplant

 

Tapentadol kommt zunächst in retardierter Form in verschiedenen Wirkstärken auf den Markt (Palexia® retard). Indiziert sind die Retardtabletten bei verschiedenen Formen starker, chronischer Schmerzen bei Erwachsenen, die nur mit Opioidanalgetika angemessen behandelt werden können. Grünenthal hat jedoch bereits eine EU-Zulassung für die Indikation akute Schmerzen. Wann entsprechende Tabletten mit einer Immediate-Release-Formulierung auf den europäischen Markt kommen, stehe allerdings noch nicht fest, sagte Geschäftsleiter Martens auf Nachfrage der PZ. Zudem sei die Entwicklung galenischer Formen für Kinderarzneimittel gestartet. In den USA, Kanada und Japan wird der Wirkstoff von Entwicklungspartner Johnson & Johnson vertrieben. Während Tapentadol erst im August 2010 die Zulassung der europäischen Arzneimittelbehörde EMA erhielt, ist es in den USA bereits seit November 2008 gegen akute Schmerzen zugelassen und dort seit Mitte 2009 als Nucynta® verfügbar. /­ 

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