EuGH stärkt Generikabranche |
05.09.2018 10:22 Uhr |
Von Anna Pannen / Pharmahersteller können nur dann auf ergänzenden Patentschutz für eine Wirkstoffkombination bestehen, wenn die enthaltenen Wirkstoffe im Grundpatent entweder namentlich genannt oder zumindest offensichtlich miteingeschlossen werden. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden.
Bei dem Rechtsstreit, zu dem nun die Urteilsgründe vorliegen, ging es um das HIV-Medikament Truvada des US-amerikanischen Pharmaunternehmens Gilead. Es enthält eine Kombination aus Tenofovirdisoproxil (TD) und Emtricitabin. Gilead besitzt seit 1997 ein Patent für TD. 2017 war dieses wie üblich nach 20 Jahren ausgelaufen.
Schutzzertifikate verzögern die Produktion kostengünstiger Generika.
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Gilead hatte jedoch bereits 2008 ein sogenanntes ergänzendes Schutzzertifikat (ESZ) für den Wirkstoff enthalten. Damit lässt sich ein Patentschutz um bis zu fünf Jahre verlängern. Die Zertifikate wurden eingeführt, um Forschungsanreize für Unternehmen zu schaffen. Schließlich können diese durch die langwierige Marktzulassung oft nicht von 20 Jahren Patentschutz profitieren.
Generikahersteller dagegen ärgern sich über die Schutzzertifikate, da sie die Produktion günstiger Nachahmerpräparate hinauszögern. Um ein Exempel zu statuieren, verlangte eine Gruppe von Firmen, unter anderem Teva und Mylan, vor dem britischen High Court, das ESZ für Truvada für ungültig zu erklären.
Gilead besitze zwar das Patent für TD, argumentierten die Kläger. Von Emtricitabin sei darin jedoch keine Rede. Im Patenttext heißt es lediglich, dass die geschützten Wirkstoffe »gegebenenfalls mit anderen therapeutischen Bestandteilen« kombiniert werden können. Im ESZ von 2008 stand dann plötzlich, es betreffe »eine Zusammensetzung aus TD und Emtricitabin«. Das sei nicht rechtens, so die Kläger.
Originalhersteller Gilead widerspricht dieser Auffassung. Das Patent für TD setze eine Kombination mit Emtricitabin durch die Formulierung »mit anderen therapeutischen Bestandteilen« stillschweigend voraus, erklärte der Hersteller vor dem High Court.
Das britische Gericht befand die Rechtslage für unklar und bat den EuGH um Klärung. Der entschied nun: Besagte Schutzzertifikate dürfen ein Patent nicht über die geschützte Erfindung hinaus ausweiten. Bei der Erteilung eines ESZ sei stets von jenem Forschungsstand auszugehen, der am Tag galt, als das Grundpatent eingereicht wurde. Die Beschwerde der Generikahersteller ist somit berechtigt, da Emtricitabin 1997 noch gar nicht auf dem Markt war. Ganz vom Tisch ist der Rechtsstreit damit aber noch nicht. In einem zweiten Verfahren in derselben Sache steht die Berufung vor dem Bundesgerichtshof noch aus. /