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Berlin

Weltkongress der Pharmaziehistoriker

05.09.2011  10:40 Uhr

Von Christoph Friedrich / Vom 14. bis zum 17. September 2011 findet in Berlin der 40. Internationale Kongress für Geschichte der Pharmazie statt. Nach Heidelberg 1993 ist Deutschland nach 18 Jahren wieder Gastgeberland für die Internationale Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie.

Die Anzahl der Tagungsteilnehmer erweist sich mit fast 350 als erfreulich hoch, wobei sich nicht nur Pharmaziehistoriker aus Deutschland und Europa, sondern sogar aus Argentinien, Australien, Indien, Israel, Japan, Nigeria, dem Iran und den USA anmeldeten. Dabei dürfte die Stadt Berlin ebenso wie die vergangenen Kongressorte Wien, Sevilla oder Edinburgh eine besondere Faszination auf die Gäste ausgeübt haben. Wie kaum eine andere Stadt hat sich Berlin in den letzten 20 Jahren seit dem Fall der Mauer eindrucksvoll verändert und ist inzwischen eine pulsierende, aufstrebende Großstadt.

Das Organisations-Komitee hat unter der umsichtigen Leitung von Rotraud Mörschner eine attraktive Adresse für die Veranstaltung ausgewählt: Die Vorträge finden in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften am Gendarmenmarkt statt. Um diesen Platz konzentrieren sich auch die anderen Veranstaltungen und Kongresshotels. Die feierliche Sitzung der Académie Intérnationale d’Histoire de la Pharmacie findet in der Französischen Friedenskirche am Französischen Dom, Gendarmenmarkt 5, und damit in einem besonders repräsentativen Raum statt. Anschließend gibt es einen Empfang im Deutschen Apothekerhaus in der Jägerstraße. Eine Brückenfahrt auf der Spree und dem Landwehrkanal am Begrüßungsabend sowie ein Abendessen im Kaisersaal am Potsdamer Platz komplettieren das Rahmenprogramm.

 

Aber auch das Kongressthema »Pharmazie und Buch« scheint großen Anklang zu finden, bietet es doch sehr vielen Teilnehmern die Möglichkeit, einen eigenen Beitrag zu leisten, denn neben sieben Plenarvorträgen wurden über 90 Kurzvorträge sowie 55 Poster angemeldet.

 

Die Hauptstadt Berlin ermöglicht selbst schließlich zahlreiche Anknüpfungspunkte zum Kongressthema, obwohl sie sicherlich als Buchstadt hinter Frankfurt am Main und Leipzig zurücktreten muss. Es wird jedoch ein Besuch der Staatsbibliothek zu Berlin als Exkursion angeboten. In Berlin wirkte und publizierte der Hofapotheker Caspar Neumann (1683 bis 1737), der als einer der ersten wissenschaftlich gebildeten Pharmazeuten seiner Zeit gilt. Seine Untersuchungsergebnisse, beispielsweise über den Kampfer, aber auch seine in lateinischer Sprache erschienenen Werke »Praelectiones chemicae« sowie seine »Chymia medica dogmatico-experimentalis« erschienen in Berlin. Neumann unterrichtete die Apotheker I. Klasse in der Hofapotheke im Berliner Schloss und lehrte zugleich am »Collegium medico-chirurgicum«. Die in Preußen 1725 zumindest für einen Teil der Pharmazeuten, eben jene Apotheker I. Klasse, eingeführte wissenschaftliche Ausbildung war in Berlin lokalisiert.

Auch Neumanns Schüler, Andreas Sigismund Marggraf (1709 bis 1782), der Entdecker des Zuckers in der Runkelrübe (1747), der als Vorsteher des für ihn eigens von der Akademie der Wissenschaften zu Berlin eingerichteten Laboratoriums wirkte, publizierte seine Abhandlungen in den in dieser Stadt erschienenen »Mémoires de l’Académie des sciences de Berlin« von 1747 bis 1779. Zu den bedeutenden Berliner Pharmazeuten zählt ebenso Sigismund Friedrich Hermbstaedt (1760 bis 1833), der als Verwalter der Hofapotheke und ab 1811 als ordentlicher Professor der Technologischen Chemie an der neu gegründeten Berliner Universität zahlreiche wissenschaftliche Werke in Berlin publizierte, darunter 1792 seinen »Katechismus der Apothekerkunst«, 1792/1793 seinen »Grundriß der Experimentalpharmacie«, 1807 seine »Anleitung zur Zergliederung der Vegetabilien nach physisch-chemischen Grundsätzen« sowie zahlreiche chemisch-technologische Werke. Größten Einfluss auf die Entwicklung der Chemie und Pharmazie in Deutschland besaß indes seine gleichfalls in Berlin publizierte Übersetzung des »Traité éleméntaire de chimie« von Antoine Laurent de Lavoisier (1743 bis 1894), die unter dem Titel »System der antiphlogistischen Chemie« 1792 erschien. Diese Übersetzung, die Hermbstaedt mit Unterstützung eines Studenten erstellt hatte, gab der Chemischen Revolution in Deutschland wichtige Impulse.

 

Gemeinsam mit Martin Heinrich Klaproth (1743 bis 1817) und dem Berliner Apotheker Valentin Rose d. J. (1762 bis 1807) zählt Hermbstaedt schließlich auch zu den Verfassern der »Pharmacopoea Borussica« (1799), dem ersten Arzneibuch in Deutschland, das die neue Lavoisier‘sche Terminologie zugrunde legte. Klaproth, der 1810 an der Berliner Universität zum ordentlichen Professor der Chemie avancierte, publizierte gleichfalls seine wissenschaftlichen Arbeiten in Berlin. Er war zudem wesentlich an der Erarbeitung der »Revidierten Apothekerordnung« von 1801 beteiligt.

 

Auch im 20. Jahrhundert entstanden in Berlin bedeutende pharmazeutische Bücher, zum Teil bei Julius Springer (1817 bis 1877) verlegt, dessen Verlag 1904 mit der »Geschichte der Pharmazie« von Hermann Schelenz (1848 bis 1922) sowie 1935 mit dem »Grundriß der Deutschen Pharmazie« von Alfred Adlung (1875 bis 1937) und Georg Urdang (1882 bis 1960) wichtige pharmaziehistorische Standardwerke herausbrachte. Urdang publizierte noch weitere pharmaziehistorische Monografien in der damaligen Reichshauptstadt.

 

Der bedeutende pharmazeutische Chemiker und Direktor des Pharmazeutischen Institutes Berlin, Hermann Thoms (1859 bis 1931), verfasste hier zwischen 1927 und 1931 sein »Handbuch der praktischen und wissenschaftlichen Pharmazie« in sechs Bänden, das neben Wien auch Berlin als Erscheinungsort nennt. Selbst der später in Bern wirkende bedeutende Pharmakognost Alexander Tschirch (1856 bis 1939) publizierte seine ersten wissenschaftlichen Werke, beispielsweise seine »Untersuchungen über das Chlorophyll« (1884) und sein Buch »Indische Heil- und Nutzpflanzen und deren Kultur« (1892), in der preußischen Metropole. Dort gelangte auch das »Handbuch der pharmazeutischen Praxis« von dem in Berlin geborenen und ab 1859 dort wieder lebenden Pharmazeuten und Fachschriftsteller Hermann Hager (1816 bis 1897) in den Druck.

 

Für die Pharmazeuten wurde Berlin vor allem zum maßgeblichen Erscheinungsort, denn die 1872, nur ein Jahr nach der deutschen Einheit herausgekommene »Pharmacopoea germanica«, das DAB 1, erschien hier ebenso wie auch die nachfolgenden Ausgaben. Auch viele andere rechtliche Bestimmungen, wie beispielsweise die von Hermann Julius Böttger (1843 bis 1917) und Ernst Urban (1874 bis 1958) bearbeiteten »Preußischen Apothekengesetze«, nennen Berlin als Erscheinungsort. Dies gilt ebenso für die zahlreichen Auflagen der »Deutschen Arzneitaxe«.

 

Schließlich sei noch ergänzt, dass einige pharmazeutische Hand- und Lehrbücher der DDR in Berlin verlegt wurden, wie beispielsweise das in zehn Auflagen erschienene »Lehrbuch der pharmazeutischen Technologie« von Rudolf Voigt (1921 bis 2008), das zahlreichen Apothekern zur Vorbereitung auf das Staatsexamen diente.

 

Die Veranstalter des 40. Kongresses für Geschichte der Pharmazie hoffen, dass sich die Teilnehmer in Berlin wohlfühlen und dass auch der »genius loci« die fruchtbaren Diskussionen zum Thema »Pharmazie und Buch« beflügeln und anregen möge. Eine Teilnahme am Kongress ist auch noch kurzfristig, beispielsweise mit einer Tageskarte, möglich. Hinweise zum Programm finden Sie unter www.40ichp.org.

Verfasser:

Professor Dr. Christoph Friedrich, Institut für Geschichte der Pharmazie, Roter Graben 10, 35032 Marburg. E-Mail: ch.friedrich(at)staff.uni-marburg.de

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