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Morbus Bechterew

Warnzeichen Rückenschmerz

16.08.2017  09:35 Uhr

Von Nicole Schuster / Patienten mit Spondylitis ankylosans leiden unter ständigen Rückenschmerzen und fürchten sich vor einer zunehmenden Versteifung der Wirbelsäule. In der Therapie kommen neben NSAR zur Schmerz- und Entzündungsbekämpfung Biologika zum Einsatz. Eine Heilung der chronischen Erkrankung ist jedoch nicht in Sicht.

Die im deutschsprachigen Raum als Morbus Bechterew bekannte Krankheit gehört zu den entzündlichen Wirbelsäulenerkrankungen (Spondyloarthri­tiden). Bis zu 2 Prozent der Bevölkerung sind Schätzungen zufolge von der ­rheumatischen Erkrankung betroffen. Ursächlich spielen die Gene eine Rolle. Bei etwa 90 Prozent der Patienten ist das HLA-B27-Gen vorhanden.

 

Die ankylosierende Spondylitis (AS) bricht meistens im zweiten oder dritten Lebensjahrzehnt aus. Der Verlauf ist individuell unterschiedlich und ­erfolgt schubweise. Entzündungen der Sehnenansätze und benachbarter Strukturen im Bereich der Wirbelsäule führen allmählich zu einer Verknöcherung der Gelenke im Achsenskelett. Im Endstadium droht eine vollständige Versteifung mit stark eingeschränkter Beweglichkeit.

 

Auge, Darm und Knochen

 

Etwa ein Drittel der Patienten leidet zusätzlich an einer peripheren Arthritis. Als häufige extraskeletale Manifesta­tionen sind auch die Psoriasis vulgaris, Entzündungen der Iris und des Ziliarkörpers des Auges sowie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen bekannt. Ein Ausdehnen der Krankheit auf die Knochen äußert sich als verminderte Knochendichte (Osteopenie). Mehr als die Hälfte der Betroffenen klagt über eine belastende Müdigkeit. Die Krankheit führt bei den meist noch jungen Patienten zu einem erheblichen Verlust an Lebensqualität und zu einer eingeschränkten Teilhabe am sozialen und beruflichen Leben.

 

Das unspezifische Leitsymptom, die chronischen Rückenschmerzen, deuten Ärzte und Patienten oft falsch, ­sodass es Jahre bis zur richtigen Diagnose dauern kann. In dieser Zeit unterbleibt eine effektive, gegen die Krankheit gerichtete Therapie. Diese besteht aus einem multimodalen Behandlungskonzept, das sowohl nicht pharmakologische Maßnahmen wie Pa­tientenschulung, Bewegungs- und Physiotherapie als auch die Gabe von Arzneimitteln umfasst. Für die Pharmakotherapie sind nicht steroidale Anti­rheumatika (NSAR) und Biologika, speziell Tumornekrosefaktor-α (TNF-α)-Blocker essenziell. NSAR und Coxibe lindern effizient die Rücken- und Gelenk­schmerzen und wirken zugleich antientzündlich. Bei der Dosierung orientiert sich der Arzt an der Intensität der Beschwerden. Spätestens nach vier Wochen sollte er überprüfen, ob die Therapie erfolgreich ist. Bei Wirkungslosigkeit kann das NSAR gewechselt werden.

 

Gelingt unter NSAR-Einnahme keine ausreichende Verbesserung der Symptomatik oder liegt eine Unverträglichkeit vor, kommt der Einsatz eines Bio­logikums infrage. Einen hohen Stellenwert haben die für die Indikation zugelassenen TNF-α-Blocker Adalimumab, Golimumab, Infliximab, Certolizumab Pegol und Etanercept. Sie hemmen die Wirkung des Zytokins TNF-α, das bei Entzündungsprozessen eine Schlüsselrolle spielt. Zahlreiche Studien zeigen, dass die Substanzen schnell und unter andauernder Therapie auch über Jahre hinweg bei einem Großteil der Patienten wirken. Sowohl die Wirbelsäulenschmerzen als auch die Morgensteifigkeit und Müdigkeit gehen zurück und eine Verbesserung der Funk­tionsfähigkeit stellt sich ein. Zudem ist ein günstiger Einfluss auf bestimmte extraspinale Manifestationen zu erwarten. Das Ansprechen sollte der Arzt nach zwölf Wochen überprüfen. Bei ausbleibender Wirksamkeit oder einer unzureichenden Schmerzreduktion kann der Wechsel auf einen anderen TNF-α-Blocker erfolgen oder auch die Kombination mit ­einem NSAR versucht werden.

 

Bei den zahlreichen Nebenwirkungen ist vor allem an ein erhöhtes Infektionsrisiko zu denken. Insgesamt ist das ­Nutzen-Risiko-Verhältnis der TNF-α-Blocker zur Behandlung der AS jedoch günstig.

 

Wirkstoffe in der Pipeline

 

Als erster Interleukin (IL-)17A-Antagonist ist Secukinumab zur Behandlung von Morbus Bechterew zugelassen. Der Antikörper bindet selektiv an das proinflammatorische Zytokin ­IL-17A und verhindert dessen Interaktion mit dem IL-17-­Rezeptor. Dadurch hemmt Secukinumab die Ausschüttung von entzündungsfördernden Stoffen.

Als weitere IL-17A-Inhibitoren befinden sich BCD-085 und Ixekizu­mab in der klinischen Prüfung gegen die rheumatische Erkrankung. Bimekizumab ist ein Antikörper gegen die Interleukine 17A und 17F und wird ebenfalls zur Anwendung bei ankylosierender Spondylitis untersucht. Mit den IL-23-Anti­körpern Tildrakizumab, Guselkumab und Risankizumab sowie Ustekinumab, der sich gegen IL-12 and IL-23 richtet, sind weitere aussichtsreise Kandidaten gegen AS in der ­Pipeline.

 

Möglich ist zukünftig vielleicht auch der Einsatz von Hemmstoffen der Januskinasen (JAK). Vertreter dieser Wirkstoffklasse wie Tofacitinib und Baricitinib richten sich gegen Enzyme, die an der Signalweiterleitung von zahlreichen Zyto­kinen und Wachstumsfaktoren beteiligt sind. Die bislang noch nicht zugelassenen JAK-Inhibitoren Upadacitinib und Filgotinib werden in klinischen Studien auch zur Behandlung von Morbus Bechterew erprobt. Hinweise auf eine Wirkung gegen die Krankheit gibt es zudem für Rituximab, einen Antikörper gegen das Oberflächenantigen CD-20, der bislang vor allem aus der Krebstherapie bekannt ist. /

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