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Spanische Grippe

Tödlich im Team

Datum 07.08.2008  14:14 Uhr

Spanische Grippe

<typohead type="3">Tödlich im Team

Von Bettina Sauer

 

Grippeviren schädigen Zellen im Lungengewebe und machen sie anfällig für bakterielle Pneumonien. Auf dieses Zusammenspiel von Viren und Bakterien führt eine neue Übersichtsarbeit viele Todesopfer der Spanischen Grippe zurück.

 

Möglicherweise verursachten Bakterien, und nicht etwa Viren, während der Spanischen Grippe 1918/19 die meisten Todesfälle. Demnach verliefen die viralen Erstinfektionen vergleichsweise mild, ermöglichten jedoch in der Lunge Zweitinfektionen mit Bakterien, die die Patienten in Lebensgefahr brachten. So lautet die Hypothese in einem Übersichtsartikel, der in der August-Ausgabe des Fachjournals »Emerging Infectious Diseases« erscheint und bereits online zur Verfügung steht (Doi: 10.3201/eid1408.071313). Er stammt von Dr. John Brundage vom Armed Forces Health Surveillance Center in Silver Spring im US-Staat Maryland und Dr. Dennis Shanks, Direktor des Australian Army Malaria Institute in Enoggera im australischen Queensland. Bei ihrer Hypothese stützen sich die beiden Wissenschaftler auf zellbiologische und physiologische Studien über Coinfektionen von Viren und Bakterien sowie auf historische Aufzeichnungen von 1918 und 1919.

 

»Wir stimmen vollkommen damit überein, dass bakterielle Lungenentzündungen eine bedeutende Rolle bei der Sterblichkeit während der Grippepandemie von 1918 spielten«, kommentierte Dr. Anthony Fauci, Direktor des US-amerikanischen National Institute for Allergy and Infectuous Disease in Bethesda, Maryland, gegenüber dem »New Scientist«. Diesem britischen Wissenschaftsmagazin zufolge erscheint nächsten Monat ein Artikel von Fauci und Kollegen, der zu ähnlichen Ergebnissen kommt wie Brundage und Shank.

 

Bei der Spanischen Grippe handelt es sich um eine Pandemie, die sich 1918 und 1919 rasend schnell über die ganze Welt verbreitete. Sie wurde durch ein neues und ungewöhnlich aggressives Influenzavirus, den Subtyp A H1N1, verursacht und forderte mindestens 25 Millionen Todesopfer. »Die Infektion mit den Viren löste untypische Immunreaktionen aus«, schreiben Brundage und Shank, »darunter eine exzessive und lang anhaltende Produktion von entzündlichen Zytokinen, die die Schleimhäute im Atemtrakt zerstörten. In der Folge konnten körpereigene sowie neu erworbene Bakterienstämme leicht ins Gewebe eindringen.« Dann würden Keime wie Staphylococcus aureaus, Hämophilus influenzae, Pneumokokken oder hämolytische Streptokokken zur tödlichen Gefahr. Bei diesen Aussagen stützen sich die Autoren unter anderem auf Studien zu Coinfektionen von Grippeviren und Bakterien, die Dr. Jonathan McCullers vom St. Jude Childrenís Reserach Hospital in Memphis, Tennessee, an Mausmodellen durchführte.

 

Die Bedeutung dieses bakteriellen Einmarsches bei der Spanischen Grippe begründen Brundage und Shank mit mehreren Argumenten, die sie historischen Quellen entnehmen. Unter anderem sichteten sie Statistiken aus Preußen, New South Wales in Australien, einem Krankenhaus im US-amerikanischen Chicago sowie amerikanischen und australischen Militärdaten, die insgesamt über 10.000 Influenza-bedingte Todesfälle umfassen. Demnach verstrichen zwischen dem Ausbruch der Spanischen Grippe und dem Ableben des Betroffenen durchschnittlich sieben bis zehn Tage. Dagegen raffte die Krankheit weniger als 5 Prozent der Patienten in den ersten drei Tagen dahin – was Brundage und Shanks für die Voraussetzung eines unmittelbar virusbedingten Todes halten.

 

Das zweite Argument liefert den beiden eine weitere historische Übersichtsarbeit. Sie stammt von US-amerikanischen Wissenschaftlern um Dr. Martin Cetron von den Centers for Disease Control and Prevention in Atlanta, erschien 2007 im Fachjournal »JAMA« und umfasst Daten aus 43 amerikanischen Städten zwischen September 1918 und Februar 1919. Demnach sanken die Sterblichkeitsraten im Zusammenhang mit der Spanischen Grippe deutlich, wenn in den Städten sogenannte nicht-pharmazeutische Interventionen stattfanden. Dazu zählen Quarantänemaßnahmen, Versammlungsverbote und das Schließen von Schulen. »Berücksichtigt man die Geschwindigkeit, mit der sich die Pandemie ausbreitete, müssen diese Interventionen eher die baketriellen Coinfektionen als die Übertragung der Viren reduziert haben«, schreiben Brundage und Shanks.

 

Ihre Hypothese unterfüttern sie weiterhin mit eigenen Auswertungsergebnissen von Militärdaten. Demzufolge starben Rekruten, die sich erst seit Kurzem in Camps oder auf Kriegsschiffen befanden, nach einer Infektion mit den Grippeviren weitaus häufiger als ebenfalls erkrankte Soldaten, deren Immunsystem sich schon länger an die örtlichen Bakterienstämme gewöhnen konnte.  »Sehr überzeugend« sei weiterhin der Wortlaut vieler medizinischer Aufzeichnungen von 1918 und 1919, die bereits einen Zusammenhang zwischen der viralen Infektionen und bakteriellen Lungenentzündungen samt Todesfolge herstellten.

 

Die Hypothese eröffne Möglichkeiten, um sich besser gegen zukünftige Grippepandemien zu rüsten. Brundage und Sharks halten es für »riskant, den Fokus der Pandemiepläne ausschließlich auf die Vorbeugung und Therapie neuartiger Influenzaviren zu legen«. Vielmehr müssten auch Impfungen und Medikamente gegen Bakterien zum Einsatz kommen. Hier bestehe enormer Forschungsbedarf, um die wirksamsten Impfstoffe und Antibiotika sowie ihre besten Dosierungen und Einnahmezeitpunkte ausfindig zu machen.

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