Das heilberufliche Profil schärfen |
28.07.2008 13:50 Uhr |
<typohead type="3">Das heilberufliche Profil schärfen
Von Bettina Sauer, Berlin
Die ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände hat einen neuen Geschäftsbereich Arzneimittel geschaffen. Dessen Geschäftsführer, Professor Dr. Martin Schulz, spricht im PZ-Interview über die Aufgaben, den Wert des Hausapothekenmodells für die pharmazeutische Betreuung und die Stärkung des Apothekerprofils durch den neuen Rahmenvertrag für Rabattvereinbarungen.
PZ: Herr Professor Schulz, seit April sind Sie Geschäftsführer des Bereichs Arzneimittel der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Dieser Bereich wurde neu geschaffen. Warum?
Schulz: Die Zukunft der Apotheke entscheidet sich in der Pharmazie. Wirtschaftlich kommen wir gegen unsere Konkurrenten nicht an, sondern nur heilberuflich. Das hat die ABDA erkannt. Deshalb will sie die Kompetenz der Apotheker, ihre Einbindung in das Gesundheitssystem und ihr öffentliches Ansehen weiter stärken. Den Zielen auf diesen drei Ebenen dient der neue Geschäftsbereich Arzneimittel.
PZ: Was sind die Kernaufgaben?
Schulz: Alles rund um Arzneimittel und Medizinprodukte, einschließlich qualitätssichernder Maßnahmen zu Medikamenten und der Risikoabwehr. Entsprechend bündelt der neue Geschäftsbereich die Aktivitäten der beiden Abteilungen Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) und des Zentrums für Arzneimittelinformation und Pharmazeutische Praxis (ZAPP). Die AMK erfasst, bewertet und informiert über Arzneimittelrisiken. Das ZAPP beschäftigt sich vor allem mit der Arzneimittel- und Patienteninformation sowie der Pharmazeutischen Betreuung.
PZ: Was hat sich durch die Neustrukturierung für den Geschäftsbereich Pharmazie verändert?
Schulz: Der Geschäftsbereich von meiner Kollegin, Dr. Christiane Eckert-Lill, bündelt fortan alle Themen, die speziell die Apotheke betreffen. Dazu zählen die Fort- und Weiterbildung, die Prävention und die Qualitätssicherung pharmazeutischer Leistungen, also auch die externe Überprüfung der Beratungsqualität.
PZ: Verfolgt der Geschäftsbereich Arzneimittel denn auch ganz neue Ziele?
Schulz: Durchaus. Wir werden die Versorgungsforschung nach vorn bringen. Dafür nutzen wir auch die Daten und Expertise des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts (DAPI). Das DAPI ist zwar ein eingetragener, eigenständiger und gemeinnütziger Verein, die Vernetzung ist aber gewährleistet, da ich auch Geschäftsführer Pharmazie des DAPI bin. Zudem arbeiten zwei Doktorandinnen an der Uni Frankfurt eng mit dem DAPI zusammen. Schließlich sollten sich Apotheker als Arzneimittelexperten auch verstärkt an der Nutzenbewertung von Medikamenten beteiligen. Weiterhin haben wir soeben federführend einen apothekerlichen Leitfaden über Arzneimittelabhängigkeit und -missbrauch entwickelt und auf einem Symposium vorgestellt. Allgemein wollen wir den Apotheker auch stärker in die fächerübergreifende Gesundheitsversorgung einbringen. Um dafür die Rahmenbedingungen abzustecken, suchen wir intensiv den Dialog mit den anderen Akteuren.
PZ: Zum Beispiel?
Schulz: Wir sind neben Ärzten und einem Patientenvertreter in der Koordinierungsgruppe zum »Aktionsplan zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit« des Bundesgesundheitsministeriums vertreten. Besonders gut lässt sich unsere Vorgehensweise am Beispiel Diabetes zeigen. Zur pharmazeutischen Betreuung dieser Patienten haben wir eine intensive Zertifikatsfortbildung, ein Manual und mehrere Standardarbeitsanweisungen entwickelt. Außerdem gibt es EDGAr.
PZ: Diese Studie des ZAPP belegt, dass mehr als 80 Prozent der Diabetiker bei der Blutzuckerselbstkontrolle Fehler machen. Und dass eine einmalige Beratung in der Apotheke diese Zahl halbiert.
Schulz: Genau. Solche Daten eröffnen uns das Gespräch mit anderen Partnern im Gesundheitssystem. Mit der Deutschen Diabetes-Gesellschaft haben wir bereits ein Konsensuspapier entwickelt. Es charakterisiert unter anderem die Beratung bei der Blut-zuckerselbstkontrolle als sinnvolles Tätigkeitsfeld für Apotheken. Und unsere Verhandlungen sind so weit, dass Apotheker für diese pharmazeutische Dienstleistung bald eine angemessene, kostendeckende Honorierung erhalten sollten.
PZ: Ist der Vertrag fertig?
Schulz: Im Prinzip ja. Außerdem stehen der DAV und die LAV in Verhandlungen mit weiteren Krankenkassen. Vor allem aber müssen wir jetzt alles geben, damit die Kollegen das Angebot in den Apotheken umsetzen. Schließlich handelt es sich hier um Leistungen, die keiner unserer Konkurrenten erbringt - weder DocMorris noch dm oder Schlecker.
PZ: Plant der Geschäftsbereich Arzneimittel weitere Studien zu pharmazeutischen Dienstleistungen?
Schulz: Unbedingt. Ohne erfolgreiche Studienergebnisse brauchen wir nicht zum Gespräch mit anderen Spielern im Gesundheitswesen anzutreten. Gerade verfassen wir den Abschlussbericht für die Studie VITA. Sie zeigt, dass Patienten mit Asthma und COPD bei der Anwendung ihrer Arzneimittel signifikant weniger Fehler machen, wenn Apotheker ihnen einmal die Inhalationstechnik erklären. Aufgrund dieser Untersuchung und auf Basis unserer früheren Studien in Hamburg und im KV-Bereich Trier, sind wir nun sogar an der Überarbeitung der nationalen Versorgungsleitlinie Asthma beteiligt.
PZ: Was für Studien planen Sie genau?
Schulz: Sie werden im Design sicher VITA und EDGAr ähneln. Denn wir möchten den Nutzen klar definierter pharmazeutischer Dienstleistungen überprüfen. Das kann ein Blutdruckmanagement sein, die Beratung zur Anwendung von Augentropfen oder das Führen von Medikationsdateien. Im Hausapothekenkonzept dokumentieren beispielsweise nur die Apotheker die gesamte Medikation der eingeschriebenen Patienten.
PZ: Befürworten Sie in diesem Zusammenhang die Hausapothekenverträge?
Schulz: Sehr. Um pharmazeutische Betreuung zu leisten, braucht der Apotheker eine umfassende Arzneimitteldokumentation, inklusive Medizinprodukten und Präparaten der Selbstmedikation. Beispielsweise müssen alle im Apothekenteam wissen, dass Frau Maier schon wieder 200 Blutzuckerteststreifen in 50 Tagen verbraucht hat, dass sie also mit den Messungen nicht zurechtzukommen scheint und Beratung braucht.
PZ: Nun hat die Barmer aber den Hausarzt- und Hausapothekenvertrag zum Jahresende gekündigt. Wie geht es weiter?
Schulz: Wir verhandeln bereits, wie sich der Vertrag neu aufsetzen lässt. Dabei bietet sich sogar die Möglichkeit, Schwächen im bestehenden System zu verbessern, beispielsweise die Abrechnungswege zu vereinfachen.
PZ: DAV und Spitzenverbände der Krankenkassen haben Anfang April den neuen Rahmenvertrag nach § 129 SGB V abgeschlossen. Demnach dürfen Apotheker bei begründbaren pharmazeutischen Bedenken Arzneimittel abweichend von Rabattvereinbarungen abgeben. Nutzen sie diese Möglichkeit?
Schulz: Dazu liegen uns noch keine Zahlen vor. Wir haben zu diesem Thema nicht nur den Rahmenvertrag kommentiert, sondern auch schon etwa zehn Informationsveranstaltungen in den Ländern durchgeführt, und zu weiteren sind wir eingeladen. Insgesamt kamen bisher etwa 4000 Kolleginnen und Kollegen. Daran zeigt sich das enorme Interesse, aber auch die Unsicherheit der Kollegen. Denn die Krankenkassen haben massiv die Drohung der Retaxierung in den Raum gestellt, aber noch keine konkreten Taten folgen lassen. Wir beobachten die Entwicklung sehr genau.
PZ: Was raten Sie derzeit den Apothekern?
Schulz: Sie sollten und müssen aus heilberuflicher Sicht im begründeten Einzelfall, pharmazeutische Bedenken anmelden und vom Austausch absehen. Der Grund für die pharmazeutischen Bedenken muss stichwortartig auf dem Rezept vermerkt werden, sollte aber auch in der Apothekensoftware dokumentiert werden; nicht nur wegen Retaxationsauseinandersetzungen, sondern auch um die einheitliche Beratung dieses Patienten im Team sicherzustellen. Dann werden die Krankenkassen keinen Anlass für eine Retaxierung sehen. Und falls doch, können sich die Kollegen auf den DAV und die ABDA verlassen. Wir sind bereit, die dokumentierten pharmazeutischen Bedenken gegenüber der Krankenkasse und gegebenenfalls auch vor Gericht zu unterstützen. Denn wir halten sie für unabdingbar, um eine erfolgreiche und sichere Arzneimitteltherapie zu gewährleisten. Außerdem schärfen sie das heilberufliche Profil der Pharmazeuten.
PZ: Wann sollte der Apotheker pharmazeutische Bedenken äußern?
Schulz: Wenn die Arzneimittelwirksamkeit oder die Sicherheit des Patienten trotz zusätzlicher Beratung durch den Austausch des Arzneimittels gefährdet ist, und das hängt von vielen Faktoren ab: Vom Wirkstoff, der Darreichungsform, der Erkrankung, anderen einzunehmenden Arzneimitteln und persönlichen Eigenschaften des Patienten oder auch der Betreuungssituation. Für jemandem mit einer beginnenden Demenz, der fünf Medikamente am Tag benötigt, gelten andere Kriterien als für einen Patienten, der von 50 mg Diclofenac A auf B umgestellt wird. Das alles lässt sich nur im persönlichen Gespräch mit dem Patienten, beziehungsweise der Betreuungsperson klären, also direkt in der Apotheke. Das geht nicht am Telefon, nicht im Internet und nicht per Post.