Viel Erfahrung, wenig Evidenz |
02.07.2014 09:43 Uhr |
Von Maria Pues, Wiesbaden / Blutungen und Schmerzen beim Stuhlgang lösen bei den Betroffenen nicht selten ängstliche bis panische Gefühle aus. Gemessen an der Häufigkeit suchen Patienten aber eher selten Rat.
Ein Hämorrhoidalleiden oder eine Analfissur können die Ursache sein, wenn beim Stuhlgang Blutungen und/oder Schmerzen auftreten. Beschwerdebilder und Behandlung der beiden Tabuerkrankungen waren Thema eines klinischen Symposiums beim Internistenkongress in Wiesbaden. Ein Fazit der beiden Referenten: Es gibt zahlreiche Behandlungsmöglichkeiten; oft überwiegt die Erfahrung die Evidenzlage.
Hämorrhoidalleiden
Schmerzen treten bei einem Hämorrhoidalleiden – anders als bei einer Analfissur – nur sehr selten auf, erläuterte Privatdozent Dr. Dieter Bussen vom deutschen End- und Dickdarmzentrum (EDZ) Mannheim. Juckreiz, Blutungen und Nässen sind die Hauptsymptome, wenn sich Venen des Hämorrhoidalpolsters im Analbereich lokal weiten. Vier Stadien lassen sich unterscheiden (siehe Kasten), von denen auch die Entscheidung über die Therapie abhängt.
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»Einen hohen Stellenwert als Basis- und Begleitmaßnahme hat eine Schulung zum Ernährungs- und Stuhlgangverhalten«, sagte der Experte. Dazu gehören regelmäßige Mahlzeiten, ausreichende Ballaststoff- und Trinkmengen sowie Getränke während der Mahlzeiten. Die Datenlage zur Wirksamkeit der Lebensstiländerungen sei eher dünn, konstatierte Bussen. Die Erfahrung zeige aber, dass man auf diese Weise viel erreichen könne, weswegen er seinen Patienten stets dazu rate. Gute Erfahrungen habe er mit Flohsamenschalen gemacht, um die Ballaststoffzufuhr zu erhöhen. Besonders Patienten, die unter einer Obstipation litten, profitierten davon.
Leiden die Patienten nicht unter Verstopfung, hilft eine Sklerosierung, also das Veröden der Hämorrhoiden, einer Studie zufolge eindeutig besser als Ballaststoffe. Eine symptomatische Linderung, aber keine ursächliche Besserung erlauben zudem Hygienemaßnahmen sowie Arzneimittel mit juckreiz- und entzündungshemmenden Wirkstoffen. Bussen warnte jedoch, dass Patienten, die diese Präparate in der Selbstmedikation anwenden, aufgrund der Linderung der Symptome unter Umständen nicht den Arzt aufsuchen, weshalb eine eigentlich gebotene hinreichende Diagnostik versäumt werden könne.
Phlebotonika, die auch bei anderen Venenerkrankungen angewendet werden, wirken laut einer Cochrane-Analyse gut gegen viele der typischen Beschwerden. Bussen kritisierte aber die Inhomogenität der berücksichtigten Studien. Zahlreiche nicht standardisierte Scores seien darin verwendet worden, soziokulturelle Unterschiede hingegen unberücksichtigt geblieben. Anders als im Ausland haben Phlebotonika in Deutschland laut Bussen aber keinen großen Stellenwert.
Ligatur, also das Abbinden, und Sklerosierung werden bei Hämorrhoidalleiden des Grads II angewendet. Ab Grad III stehen je nach Ausmaß und Lage der Venenerweiterung auch verschiedene Operationsmethoden zur Verfügung. Die Zahl der durchgeführten Operationen habe von rund 3500 im Jahr 1998 auf etwa 14 000 im Jahr 2004 erheblich zugenommen; randomisierte prospektive Studien zu den einzelnen Methoden habe es aber vor dem Jahr 2000 nicht gegeben, so der Referent.
Analfissuren
Anders als bei Hämorrhoiden kommt es bei einer Analfissur zu Schmerzen, die sehr stark und mitunter anhaltend sein können, berichtete Professor Dr. Alexander Herold, ebenfalls vom EDZ. Da bei einer Fissur die Analhaut, das sogenannte Anoderm, einreißt, bemerken Betroffene meist Blut am Toilettenpapier oder dem Stuhl. Als mögliche Ursachen nannte er harten Stuhlgang, aber auch anhaltenden Durchfall. Auch ein Hämorrhoidalleiden kann einer Fissur vorausgehen. Daneben kann sie infolge einer entzündlichen Darmerkrankung, beispielsweise eines Morbus Crohn, entstehen.
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Viele Analfissuren heilen spontan wieder ab. Doch besteht auch die Möglichkeit, dass sie chronifizieren. So kommt es durch den Schmerz, der bei einer Fissur auftritt, zu einer Verkrampfung des Schließmuskels. Die erhöhte Schließmuskelspannung verschlechtert die lokale Durchblutung, was wiederum die Wundheilung verzögern kann. Eine verschlechterte Immunabwehr begünstigt Infektionen an der Rissstelle. Narbengewebe bildet sich und kann die Funktion des Schließmuskels beeinträchtigen.
»Dreh- und Angelpunkt des Teufelskreises ist die Erhöhung der Schließmuskelspannung«, erläuterte Herold. Diese lasse sich mit lokal angewendetem Glyceroltrinitrat (Rectogesic® oder als Rezeptur), Nifedipin oder Diltiazem vermindern, wodurch meist auch die Schmerzen nachließen. Nicht immer führt die Behandlung jedoch zu einer anhaltenden Besserung. Dann lässt sich eine Operation oft nicht umgehen.
Bei der sogenannten lateralen Sphinkterektomie wird der untere Teil des inneren Schließmuskels durchtrennt, um dessen Tonus zu senken. Dies führt zwar laut Herold häufig zu einer Heilung, einer Studie zufolge werde diese aber bei fast einem Drittel der Patienten mit Kontinenzproblemen erkauft. In Deutschland beschränke man sich daher darauf, nur das Narbengewebe der Fissur zu entfernen. Die Heilungsraten seien dabei zwar geringer, aber auch die Rate postoperativer Kontinenzprobleme. /