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Wirkmechanismus

Warum Thalidomid teratogen ist

Datum 29.06.2016  10:37 Uhr

Von Kerstin A. Gräfe / Forscher der Technischen Universität München (TUM) haben auf molekularer Ebene geklärt, wie das Schlaf- und Beruhigungsmittel Thalidomid (Contergan®) schwere Missbildungen bei Feten verursachen konnte, deren Mütter das Präparat während der Schwangerschaft eingenommen hatten. Die Ergebnisse sind im Fachmagazin »Nature Medicine« veröffentlicht.

Thalidomid hatte Mitte des 20. Jahrhunderts schwere Missbildungen bei Neugeborenen verursacht. Weltweit kamen zwischen 5000 und 10 000 geschädigte Kinder auf die Welt. Contergan wurde nach Bekanntwerden der Nebenwirkungen vom Markt genommen. Der Arzneistoff erlebte jedoch in den vergangenen Jahren eine Renaissance, nachdem entdeckt worden war, dass er das Wachstum einiger Tumoren hemmt. So ist Thalidomid in Deutschland seit 2009 zur Behandlung des Multiplen Myeloms zugelassen und zudem sind mit Lenalidomid und Pomalidomid zwei Strukturanaloga in dieser Indikation auf dem Markt. Alle drei Arzneistoffe haben teratogenes Potenzial und sind daher in der Schwangerschaft kontraindiziert.

 

Schlüsselprotein Cereblon

Das Team um Professor Dr. Florian Bassermann von der Medizinischen Klinik für Hämatologie/Onkologie an der TUM nahm nun den molekularen Wirkmechanismus von Thalidomid näher unter die Lupe (DOI: 10.1038/nm.4128). Eine Schlüsselfunktion hat das körpereigene Protein Cereblon. Es bindet an die Proteine CD147 und MCT1. Beide kommen vor allem in Zellen des blutbildenden Systems und in Immunzellen vor und spielen unter anderem eine Rolle bei der Gefäßneubildung und dem Stoffwechsel der Zelle. Beim Multiplen Myelom sind CD147 und MCT1 in den Tumorzellen überexprimiert. Sie treten immer paarweise als sogenannter Proteinkomplex auf. Um zueinander zu finden und aktiv werden zu können, sind CD147 und MCT1 auf Cereblon angewiesen. Die Bindung an das Protein fördert ihre Ausreifung und Stabilität, wodurch das Wachstum der Zelle gefördert wird. Beim Multiplen Myelom führt das verstärkte Vorkommen des Pro­teinkomplexes dazu, dass sich die Tumor­zellen stark vermehren und ausbreiten können.

 

Prinzip der Verdrängung

 

Behandelt man nun die Krebserkrankung mit Thalidomid beziehungsweise Lenalidomid und Pomalidomid, verbinden sich die Arzneistoffe mit Cereblon und verdrängen den Proteinkomplex. In der Folge können CD147 und MCT1 nicht aktiviert werden. »Letztlich führt das dazu, dass die Tumorzelle abstirbt«, sagt Dr. Ruth Eichner, Erstautorin der Studie, in einer Presse­mitteilung der TUM.

Dass dieser Mechanismus auch für die Missbildungen bei Ungeborenen verantwortlich ist, konnten die TUM-Forscher in Zusammenarbeit mit einem Team des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) zeigen. Ohne die beiden Pro­teine können sich Blutgefäße nicht normal entwickeln. Das bestätigt die Vermutung, dass die typischen durch Contergan verursachten Fehlbildungen mit Problemen bei der Angiogenese zusammenhängen, heißt es in der Pressemitteilung.

 

Proteinkomplex als Marker

 

Die Erkenntnisse sind aber nicht nur für das Verständnis der Fehlbildungen, sondern auch für die aktuelle Tumorforschung relevant. »Nur bei Patienten, bei denen die Therapie anschlug, konnten wir auch einen Verlust des Proteinkomplexes feststellen«, sagte Bassermann. Das könne man dazu nutzen, um bereits im Vorfeld die Erfolgschancen einer Behandlung abzuschätzen. So ist Bassermann zufolge nur bei denjenigen Patienten eine Therapie sinnvoll, bei denen in vorab entnommenen Tumorzellen der Proteinkomplex unter der Behandlung verschwindet. Auch der Komplex selbst ist im Visier der TUM-Forscher. Sie arbeiten derzeit an Substanzen oder Antikörpern, die ihn deaktivieren könnten. /

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