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Südkorea

MERS-Ausbruch weitet sich aus

10.06.2015  09:35 Uhr

Von Christina Hohmann-Jeddi / Das MERS-Coronavirus wurde von einem Reisenden nach Südkorea eingeschleppt und verbreitet sich seitdem rasch. Insgesamt 95 Menschen haben sich mit dem Erreger infiziert, sieben Personen sind bereits gestorben. Der bislang größte MERS-Ausbruch außerhalb des Nahen Ostens beunruhigt die Weltgesundheitsorganisation WHO.

Fast drei Wochen nach dem ersten MERS-Erkrankungsfall in Südkorea ist die Zahl der Infizierten in dem Land sprunghaft angestiegen. Das Gesundheitsministerium meldete am Montag 23 Neuerkrankungen und damit den stärksten Anstieg von einem zum nächsten Tag. Erstmals war auch ein Teenager betroffen. Am Dienstag kamen acht weitere Erkrankungen hinzu. Trotz dieser Entwicklung erklärte Gesundheitsminister Moon Hyung Pyo lokalen Medienberichten zufolge im Parlament, nach seiner vorsichtigen Voraussage könnte das Tempo der Ausbreitung diese Woche abnehmen.

 

Zur Unterstützung der südkoreanischen Gesundheitsbehörden hat die WHO eine Delegation, angeführt vom stellvertretenden Direktor für Gesundheitssicherung, Keiji Fukuda, geschickt. Sie soll den Ausbruch untersuchen und Maßnahmen zur Eindämmung treffen. Aus Angst vor einer unkontrollierten Ausbreitung des Virus sind bereits fast 2000 Schulen geschlossen. Mehr als 2500 Menschen, die sich angesteckt haben könnten, sind in Krankenhäusern unter Quarantäne gestellt oder sollen ihr Haus nicht verlassen.

 

Ein neuer Erreger

 

Eine erhöhte Infektionsgefahr für die Bevölkerung in Südkorea bestehe derzeit nicht, heißt es. Bislang waren die meisten Infektionen auf Krankenhäuser beschränkt. Die erste Welle von Erkrankungen trat in einer Klinik auf, in der sich der erste Patient (Indexpatient) hatte behandeln lassen. Bei dem 68-jährigen Mann, der kurz zuvor von einer Reise in mehrere Länder der arabischen Halbinsel zurückgekommen war, wurde am 20. Mai das MERS-Corona­virus nachgewiesen. Einige Mitpatienten, medizinisches Personal und Angehörige steckten sich bei ihm an. Mittlerweile haben sich in Südkorea 95 Menschen mit dem MERS-Corona­virus infiziert. Eine Sekundärinfektion wird aus China gemeldet.

 

Laut WHO gibt es Hinweise auf eine begrenzte tertiäre Übertragung, also die Weiterübertragung des Erregers durch Infizierte, die sich bei dem Indexpatienten angesteckt haben. Anhaltspunkte für eine anhaltende Übertragung in der Bevölkerung gebe es bislang aber nicht, so die WHO. Auch die Vermutung, dass die Viren über die Klimaanlage des Krankenhauses verbreitet worden sein könnten, kann die WHO nicht bestätigen. Allerdings seien die Transmissionswege des neuartigen Corona­virus noch nicht vollständig erforscht.

 

Das MERS-Coronavirus (von Middle East Respiratory Syndrome) wurde erstmals im April 2012 bei einem Patienten aus Saudi-Arabien beschrieben. Es gehört zu einer großen Familie von Viren, die akute Atemwegserkrankungen wie banale Erkältungen bis hin zu schweren Atemnotsyndromen wie MERS oder auch SARS auslösen. Bis zum 5. Juni waren bei der WHO 1190 bestätigte MERS-Erkrankungen erfasst, mindestens 444 der Patienten starben. Nach einer Inkubationszeit von bis zu 14 Tagen beginnt die Erkrankung mit unspezifischen Symptomen wie Fieber, Husten und Kurzatmigkeit. Pneumonien und gastrointestinale Symptome wie Diarrhö können hinzukommen. Bei schweren Verläufen kann es zu Lungen- oder Nierenversagen kommen, die Mortalität liegt bei 36 Prozent. Schwere Erkrankungen werden vor allem bei Menschen mit Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus oder bei Immunsupprimierten beobachtet.

Die Mehrheit der humanen Erkrankungen geht auf Mensch-zu-Mensch-Übertragung zurück. Das Virus wird aber auch zoonotisch übertragen, also von Tieren auf den Menschen, wobei die Übertragungswege nicht vollständig erforscht sind. Derzeit gehen Experten davon aus, dass der Erreger aus Fledermäusen stammt und auf Kamele übertragen wurde, die wiederum eine Infektionsquelle für Menschen bilden. So haben Menschen, die mit Kamelen arbeiten, ein erhöhtes Risiko, sich mit dem Coronavirus zu infizieren. Entsprechend waren alle Primärfälle bislang auf die arabische Halbinsel beschränkt. 85 Prozent aller Erkrankungen wurden aus Saudi-Arabien gemeldet. Doch kann der Erreger jederzeit in andere Länder verschleppt werden. In Europa gab es bislang wenige importierte Fälle beziehungsweise Sekundärfälle von importierten Erkrankungen in Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Österreich und der Türkei, berichtet das Robert-Koch-Institut. In Deutschland sind bislang drei MERS-Erkrankungsfälle aufgetreten. Alle drei wurden von Patienten von der arabischen Halbinsel eingeführt.

 

Ein solch großer Ausbruch außerhalb des Nahen Ostens wie jetzt in Südkorea sei eine neue Entwicklung, warnt die WHO. Sie fürchtet eine weitere Verbreitung des Virus in Südkorea. Angesichts der Reihe von Kliniken, die sich um den Indexpatienten im Land gekümmert hätten, »können weitere Fälle erwartet werden«. Das achtköpfige Expertenteam der WHO soll in Zusammenarbeit mit den südkoreanischen Behörden die Situation im Land ermitteln und dabei Informationen über das Virus, seine Übertragung und klinische Besonderheiten der Erkrankung gewinnen. Daraus sollen Handlungsempfehlungen zur Eindämmung des Ausbruchs abgeleitet werden.

 

Keine Reisebeschränkung

 

Auch auf der arabischen Halbinsel kostet das MERS-Virus derzeit Menschenleben: Seit Anfang März sind in Saudi-Arabien 81 Menschen an MERS erkrankt und 48 gestorben. In Qatar erkrankten drei Personen, ein Patient starb. Aus dem Oman und dem Iran wurden jeweils eine Erkrankung und aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zwei Erkrankungen gemeldet.

 

Weder für die arabische Halbinsel noch für Südkorea hat die WHO derzeit Reisebeschränkungen herausgegeben. Allerdings sollten sich Personen mit chronischen Grunderkrankungen vor Abreise von einem Arzt beraten lassen. Zudem sollten sie Kontakt mit Kamelen vermeiden und auf die Milch und das Fleisch dieser Tiere verzichten. /

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