Wechsel auf die Kurzstrecke |
04.06.2014 09:42 Uhr |
Bewegungsarmut, Stress und Überernährung und kennzeichnen heute den Alltag vieler Menschen. In der Folge leiden immer mehr an Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Neuesten Erkenntnissen zufolge spielt die Leber in der Pathogenese dieser Erkrankungen eine zentrale Rolle.
»Die Biologie des Menschen ist mit seiner heutigen Lebensweise nicht mehr vereinbar«, sagte Professor Dr. Thomas Konrad vom Institut für Stoffwechselforschung in Frankfurt am Main. Stress habe zum Beispiel metabolische Konsequenzen: Fette blockierten den Zuckerabbau, der Puls steige und die Gefäße verengten sich, so der Endokrinologe. Auch der permanente Bewegungsmangel sei heutzutage ein Problem. Betrug die tägliche Gehstrecke vor 50 Jahren noch durchschnittlich 15 Kilometer, so sind heutige Menschen mit 350 bis 400 Metern pro Tag zu Kurzstreckenläufern geworden. Konrad zufolge würden schon 20 Minuten Bewegung am Tag ausreichen, um die kardiovaskuläre Mortalität um 30 Prozent zu senken.
Verschiedene Definitionen
Das zeitgleiche Auftreten von Übergewicht, Fett- und/oder Cholesterolstoffwechsel-Störungen sowie Bluthochdruck wird als metabolisches Syndrom bezeichnet. Es hat dem Referenten zufolge seine Anfänge bereits bei den Reichen des 17. Jahrhunderts. Mittlerweile ist es längst nicht mehr der Oberklasse vorbehalten und auch in allen Altersklassen anzutreffen. Wie Konrad informierte, haben unterschiedliche Kriterien zu verschiedenen Definitionen geführt.
Im Vordergrund stehen dabei jeweils die viszerale Adipositas, Blutdruck, HDL-Cholesterol und Triglyceride. Häufig werde die Definition der International Diabetes Foundation (IDF) herangezogen, der zufolge bei europäischen Männern ein Taillenumfang größer als 94 cm und bei Frauen größer als 80 cm erste Voraussetzung für das Vorhandensein des metabolischen Syndroms ist. Mindestens zwei der folgenden Kriterien müssen noch hinzukommen:
Oft fällt im Zusammenhang mit dem metabolischen Syndrom auch der Begriff Insulinresistenz. Konrad stellte Ergebnisse der RISC-Studie vor (Relationship between Insulin Sensitivity and Cardiovascular Disease), einer prospektiven Multicenterstudie, die den Einfluss der Insulinresistenz auf die Entstehung von kardiovaskulären Erkrankungen und Typ-2-Diabetes in einer gesunden Population über zehn Jahre untersuchen sollte. Insulinresistenz wurde darin definiert als verzögerte periphere Glucoseaufnahme bei konstanter Hyperinsulinämie.
Dabei kam zum einen heraus, dass Insulinresistenz ein häufig auftretendes Phänomen ist, ohne dass Übergewicht oder eine kompensatorisch erhöhte Insulinsekretion vorhanden sind. Zum anderen zeigte sich, dass die Insulinresistenz zumindest in einer gesunden Population offenbar folgenlos ist. Konrad schloss daraus, dass die periphere Insulinresistenz kein eigenständiger Risikofaktor für das metabolische Syndrom ist. Sie gehe aber oft mit anderen Risikofaktoren einher und potenziere dadurch das kardiometabolische Risiko.
Leber als Drehscheibe des Übels
Weiterhin konnte mit der RISC-Studie gezeigt werden, dass Nüchtern-Insulinkonzentrationen stärker mit anderen kardiovaskulären Risikofaktoren assoziiert sind als die periphere Insulinresistenz. Hohe Nüchtern-Insulinkonzentrationen, so Konrad, sind Folge einer erhöhten hepatischen Glucoseproduktion und weniger einer verminderten Zuckeraufnahme in der Muskulatur. »Hiermit gerät immer mehr die Leber in den Fokus des Geschehens«, sagte der Mediziner. Die Leber spiele offenbar in der Entwicklung von Typ-2-Diabetes eine wichtige Rolle. Zudem zeigten Studienergebnisse, dass eine Fettleber das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhe. »Die nicht alkoholische Fettlebererkrankung ist ein Teil des metabolischen Syndroms und die Leber eine Drehscheibe auch für atherosklerotische Prozesse im Körper«, so Konrads Fazit. /