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Obstipation

Symptom mit vielen Ursachen

07.06.2011  17:40 Uhr

Verstopfung ist ein häufiges und oft schambesetztes Gesundheitsproblem. Schon mit wenigen Fragen kann die Apotheke ermitteln, ob der Betroffene tatsächlich an Obstipation leidet, eine behandelbare Ursache vorliegt und eine Selbstmedikation vertretbar ist.

»Wie oft in der Woche haben Sie Stuhlgang?« Mit dieser Einstiegsfrage könne das Apothekenteam die Selbstdiagnose hinterfragen, riet Privatdozent Dr. Ralf-Marco Liehr, Direktor der Klinik für Innere Medizin am Vivantes Humboldt-Klinikum, Berlin. Denn die Stuhlfrequenz ist individuell sehr verschieden: Von drei Mal am Tag bis dreimal wöchentlich reiche die »normale« Bandbreite. Was eine chronische Obstipation ist, definieren die sogenannten Rom-II-Kriterien. Für mindestens drei Monate innerhalb des vergangenen Jahres müssen bei wenigstens einem Viertel der Defäkationen zwei der folgenden Symptome vorliegen: heftiges Pressen, knollige oder harte Stühle, Gefühl der inkompletten Entleerung, Gefühl der analen Blockade oder manuelle Manöver zur Stuhlentleerung. Auch wer zwei oder weniger Stuhlgänge pro Woche hat, gilt als obstipiert.

Im zweiten Frageblock könne der Apotheker die Pathophysiologie klären. So klagen viele Frauen in der Schwangerschaft oder in der zweiten Zyklushälfte über Verstopfung. Auch Grunderkrankungen wie Hypothyreose, Hyperparathyreoidismus, Diabetes mellitus, Morbus Parkinson, Multiple Sklerose und Myopathien können die Ausscheidung erschweren. Gleiches gilt für Arzneimittel wie Opioide, Calciumantagonisten, Antazida, Antidepressiva, Anticholinergika, Antikonvulsiva, Eisenpräparate, Diuretika und Laxanzien (Hypokaliämie). Liegt weder eine behandelbare Grunderkrankung noch eine Arzneimittelnebenwirkung vor, spricht man von einer funktionellen Obstipation.

 

Bei der Defäkation müssen Kolontransit und anorektale Funktionen zusammenspielen, erklärte der Gastroenterologe. Bei immerhin einem Drittel der Patienten seien Kolontransitzeit und Stuhlfrequenz normal, aber sie fühlen sich »subjektiv obstipiert«. Bei einem Fünftel sei eine verlangsamte Kolontransitzeit messbar; dies ist häufig der Fall bei jungen Frauen, die seit der Pubertät an Verstopfung leiden. Die Ursache sei vermutlich eine intestinale Neuropathie. Pro­bleme mit dem Beckenboden (anorektale Funktionsstörungen) liegen bei etwa jedem fünften Patienten vor. Diagnostisch findet der Arzt zum Beispiel einen inneren Rektumprolaps, eine Rektozele oder – oft bei Frauen nach schweren Geburten – eine pathologische Beckenbodensenkung. Spezielle Zentren bieten Diagnoseverfahren wie Messung der oroanalen Transitzeit, anorektale Manometrie oder Defäkografie an.

 

In der Apotheke sei es wichtig, »Mythen« rund um den Stuhlgang zu klären, riet Liehr. Es sei nicht belegt, dass mangelnde Bewegung, Übergewicht, Schokolade oder zu wenig Trinken zur Verstopfung führen. »Allein der Rat, viel zu trinken, hilft nicht.« Sinnvoll sei dies bei Personen mit Dehydratation und niedrigem Blutdruck. Hilfreich sei häufig ein Stuhltagebuch. »Oft wird einfach die Pause für den Toilettengang vergessen.«

 

Der Arzt empfahl dringend, auf Alarmsymptome zu achten: akut oder neu aufgetretene Obstipation, Blut im Stuhl sowie begleitendes Fieber, Übelkeit und Erbrechen. Auch Personen mit Kolonkrebs oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen in der Vorgeschichte müssten unbedingt zum Arzt. »Hier ist eine Koloskopie obligat.«

 

Erste Maßnahme in der Selbstmedikation: alle Laxanzien absetzen und den Ballaststoffanteil der Nahrung auf 30 g/Tag erhöhen. Dies gelingt zum Beispiel mit Lignin aus Weizenkleie oder Psyllium aus Indischem Flohsamen. Den größten Nutzen davon haben Menschen mit normaler Kolontransitzeit, sagte Liehr. Bei verzögerter Transitzeit kommen osmotische oder hydra­goge Laxanzien zum Zug. Menschen mit anorektalen Funktionsstörungen sollten die Bauchpresse vermeiden oder rektale Entleerungshilfen wie Glycerin, Bisacodyl oder CO2-Bildner als Suppositorien verwenden. Bei Beckenbodenstörungen sei die Wirkung von Biofeedback-Training belegt. Bei Rektozelen oder dem inneren Prolaps könne eine Operation das Problem lösen.

 

Als neue Ansätze nannte Liehr die Pro­kinetika Tegaserod und Prucaloprid sowie die Injektion von Botulinumtoxin in bestimmte innere Muskelstränge. Noch nicht zugelassen in Deutschland sind der Chloridkanalaktivator Lubiproston, ein Prostaglandin-Analogon, und Linaclotid, ein Agonist an Guanylatcyclase-C-Rezeptoren.

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