Mittel, Methoden und Mutproben |
08.06.2010 13:04 Uhr |
Nur drei der 21 Tour-de-France-Sieger seit den 1960er-Jahren waren oder sind nicht in Dopingaffären verwickelt. Unerlaubte Mittel und Methoden sind aber nicht nur ein Problem des Rad- und Profisports. Professor Dr. Fritz Sörgel gab einen Überblick, wie das Prinzip des Fairplay durch Doping verletzt wurde und wird.
Dramaturgisch betrachtet hätte es ein Freitag, der 13. sein müssen, der 13. Juli 1967. Er war es nicht. So fiel der englische Radfahrer Tom Simpson während einer Bergetappe der Tour de France an einem Donnerstag tot vom Rad. Wie sich später herausstellte: vollgepumpt mit Amphetaminen. Im Jahr da-rauf wurden die ersten Dopingkontrollen bei Olympischen Spielen durchgeführt. Die Liste verbotener Substanzen wurde bis heute immer länger. »Sie sind in der Verbotsliste der WADA aufgeführt, die jährlich aktualisiert wird«, so Sörgel.
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So sind anabole Substanzen, Hormone und verwandte Substanzen, β2-Agonisten, Diuretika und Hormon-Antagonisten jederzeit tabu. Daneben gibt es Substanzen, die im Wettkampf (zum Beispiel Amphetamine) und solche, die nur bei bestimmten Sportarten verboten sind. »Zu Letzteren zählen wegen ihrer beruhigenden Wirkung zum Beispiel Betablocker bei Schachspielern oder Biathleten«, informierte Sörgel. Es sei erstaunlich, was sich Sportler so alles antun. Der Referent nahm Bezug auf die sogenannte Balco-Affäre. Ohne jemals ein geprüfter Arzneistoff gewesen zu sein, wurde das chemisch abgewandelte Gestrinon (ein Steroid zum Einsatz bei Endometriosse) Tetrahydrogestrinon (THG) sofort bei Sportlern eingesetzt. Sörgel hatte weitere Beispiele für derlei Mutproben parat: Während einer Razzia beim Radrennen Giro d´Italia habe man die Prüfsubstanz RSR13 entdeckt. Sie setzt Sauerstoff aus Hämoglobin frei und sollte zur Behandlung von Gehirnmetastasen entwickelt werden. »In den Handel ist diese Substanz nie bekommen, zum Giro allerdings schon«, stellte Sörgel fest.
Kurz vor dem Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft verwies er ferner darauf, dass auch im Fußball nicht alles in Ordnung sei. »Cannabis, Cocain (vor allem in südamerikanischen Ländern und Italien), anabole Steroide und Stimulanzien spielen eine Rolle.« Zudem sei es gang und gäbe, Analgetika und nicht steroidale Antiphlogistika beim Fußball und Handball, auch im Jugendsportbereich, bereits vor dem Spiel anzuwenden. Der Fußballer Ivan Klasnic sei wahrscheinlich Opfer von zu viel Diclofenac geworden, so der Referent. Dem Kicker mussten schließlich zwei Nieren transplantiert werden. Sörgel zufolge ist der Schmerzmittel-Missbrauch auch im Breitensport ein »riesiges« Problem.
Wenn es um Doping geht, dann ist das Mittel EPO, also Erythropoetin, mittlerweile fast überall bekannt. Das Protein erhöht die Anzahl roter Blutkörperchen und steigert so die Sauerstoffaufnahmefähigkeit des Blutes. Die Wirkung von EPO ist Sörgel zufolge wahrscheinlich noch wesentlich größer als bisher gedacht. So gebe es zum Beispiel Hinweise darauf, dass es auch psychische Effekte besitzt.
Da sich die Glykosylierungsmuster von humanem und rekombinantem EPO anderer Spezies unterscheiden, konnte mittlerweile ein Nachweisverfahren entwickelt werden. Allerdings könne laut Sörgel ein Sportler nur dann gesperrt werden, wenn nachweisbar ist, mit welchem Mittel er gedopt hat. Das sei ein Problem, denn längst nicht immer stehe den Labors die Referenzsubstanz zur Verfügung, zum Beispiel wenn sich die Sportler das Mittel von einer dubiosen Firma im fernen Ausland besorgen. Das Beispiel EPO zeigt, dass die Geschichte des Dopings eng mit der Geschichte der Entwicklung analytischer Methoden verbunden ist – ein Hase-und-Igel-Rennen.