Angriff auf den Darm |
| 08.06.2010 12:52 Uhr |
Bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) leidet die Lebensqualität erheblich. Meist ist eine lebenslange medikamentöse Therapie nötig, die zum Teil erhebliche Nebenwirkungen hat. Entsprechend wichtig ist eine intensive Beratung der Betroffenen.
Während bei Morbus Crohn der gesamte Gastrointestinaltrakt vom Mund bis zum After betroffen sein kann, manifestiert sich Colitis ulcerosa ausschließlich im Colon. Beide chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) äußern sich in Form von Diarrhö, die länger als vier Wochen anhält, mit breiigen, schleimigen Stühlen und zum Teil mit Blutbeimischungen. Die beiden Krankheitsbilder diagnostisch abzutrennen, ist wichtig, da die Therapie trotz einigen Ähnlichkeiten in Teilen unterschiedlich ausfällt, betonte Professor Dr. Thomas Weinke vom Klinikum Ernst von Bergmann, Potsdam.
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Die Therapie richtet sich jeweils nach dem Schweregrad der Entzündung, dem Manifestationsort und dem bisherigen Verlauf. Als Basismedikamente kommen Aminosalicylate wie Sulfasalazin und die 5-Aminosalicylsäure (Mesalazin) zum Einsatz. Sie werden bei leichter bis mittelschwerer Ausprägung von CED eingesetzt. »Dabei ist Mesalazin nicht gleich Mesalazin«, betonte der Referent. Je nach Manifestationsort können Präparate mit unterschiedlicher Galenik und unterschiedlichem Freisetzungsort verwendet werden. Neben oral zu applizierenden Präparaten stehen Klysmen, Schäume und Suppositorien zur Verfügung. Klysmen hätten den Nachteil, dass sie zum Teil »schnell wieder draußen« sind, während Schäume gut am Gewebe haften, sagte Weinke. Mesalazin hat den Vorteil, dass es prophylaktisch gegen Colonkarzinome wirkt, die bei Colitis-Patienten häufig auftreten, weshalb diese engmaschig untersucht werden sollten.
Im akuten Schub und bei schwerer Ausprägung von CED werden Steroide eingesetzt, die aber wegen des Nebenwirkungsprofils nicht länger als drei Monate verwendet werden sollten. Die Wirkstoffe sind sehr potent, sie führen bei 58 Prozent der Crohn-Patienten zu einer vollständigen, bei 26 Prozent zu einer partiellen und bei 16 Prozent zu gar keiner Remission. Die Wirkung hält allerdings nicht lang an: Ein Jahr nach der Stoßtherapie befinden sich nur noch 25 Prozent in Remission. Parallel zu den Steroiden werden meist Immunsuppressiva wie Azathioprin und Mercaptopurin eingesetzt. Diese Substanzen zeichnen sich durch einen Wirkeintritt von zwei bis drei Monaten aus. Beginnen die Immunsuppressiva zu wirken, können die Steroide abgesetzt werden.
Bei schweren Verläufen und Versagen der bisher genannten Therapien kommen auch Biologika als Option in Betracht. Die TNF-α-Hemmstoffe Infliximab, Adalimumab und Certolizumab sind potente Immunsuppressiva, sagte Weinke. Letzteres ist noch nicht für diese Indikation in der EU zugelassen. Die Biologika werden wegen des hohen Infektionsrisikos und des möglichen Krebsrisikos kritisch gesehen. Während man früher in der Therapie von Morbus Crohn eine »Step-up-Strategie«, von schwächeren schrittweise hin zu stärkeren Wirkstoffen verfolgt hat, wird heute zunehmend ein »Top-down-Ansatz« diskutiert, bei dem zuerst Biologika angewendet werden. Hierbei sieht Weinke aber die Gefahr einer Übertherapie mit den genannten gravierenden Nebenwirkungen.
Probiotika können in der CED-Therapie zur Prophylaxe von Rezidiven eingesetzt werden. Dabei gebe es aber nur für ein Präparat mit E. coli nissel gute Daten. Die Wirksamkeit anderer probiotischer Präparate sei nicht ausreichend belegt. E. coli nissel zeige vergleichbare Effekte in der Rezidivprophylaxe wie das üblicherweise eingesetzte Mesalazin. Zur Behandlung eines akuten Schubs seien Probiotika aber nicht geeignet, so Weinke.