Sommersprossen unter der Netzhaut |
27.05.2008 16:42 Uhr |
<typohead type="3">AMD: Sommersprossen unter der Netzhaut
Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist eine der häufigsten Sehstörungen überhaupt. Bei ihr ist die Stelle des schärfsten Sehens auf der Netzhaut, die sogenannte Makula, beeinträchtigt, erklärte Professor Dr. Karl Ulrich Bartz-Schmidt von der Universitäts-Augenklinik in Tübingen.
80 Prozent der Betroffenen leiden an der trockenen Form der AMD, bei der sich, Stoffwechselendprodukte (Lipofuszine) unter der Netzhaut ablagern. »Diese Drusen sind wie Sommersprossen am Hintergrund des Auges zu erkennen«, sagte Bartz-Schmidt. Die Drusen beeinträchtigen das Sehvermögen nur wenig. Im Spätstadium der Erkrankung können die Ablagerungen aber zum Tod der Sinneszellen und deren Ernährungszellen führen. Gegen die trockene AMD gibt es bislang keine therapeutischen Möglichkeiten, berichtete Bartz-Schmidt. In Vitamine wurde große Hoffnung gesetzt. Doch eine Langzeit-Studie mit 3700 Patienten, die eine Kombination aus Vitamin C und E, β-Carotin, Zink und Kupfer erhielten, brachte enttäuschende Ergebnisse. Nur bei einer Untergruppe zeigte die Kombination einen marginalen Effekt. Zudem gebe es Hinweise darauf, dass β-Carotine in hoher Dosierung das Krebsrisiko erhöhen, sodass Raucher und ehemalige Raucher diese Vitamintherapie nicht durchführen sollten, betonte der Augenarzt.
Bei einem Teil der Patienten geht die trockene Form in die sogenannte feuchte Makuladegeneration über. Bei dieser Erkrankung drücken die Drusen das retinale Pigmentepithel hoch, das die Netzhaut versorgt. Durch diese Unterversorgung werden Botenstoffe (darunter VEGF) ausgeschüttet, die das Wachstum neuer Gefäße aus der Aderhaut in die Netzhaut stimulieren. Die Blutgefäße sind zum Teil porös, wodurch sich Flüssigkeit unter der Netzhaut ansammelt. Nach und nach degenerieren die Sinneszellen der Makula und die zentrale Sehfunktion geht verloren. »Das, was man ansieht, was man fokussiert, fehlt, während die Ränder des Blickfeldes noch wahrgenommen werden«, erklärte Bartz-Schmidt.
Als erste Therapiemöglichkeit der feuchten AMD wurde die Laserbehandlung eingeführt, bei der die Gefäßneubildungen per Laser verödet werden. Die Behandlung stoppe zwar die Progression vorübergehend, führe aber zu einem starken Visusverlust, da auch die Sinneszellen der Netzhautmitte mitverbrannt werden, berichtete der Augenarzt. Auch die später eingeführte photodynamische Therapie hätte wenig überzeugende Ergebnisse gebracht. Bei dieser Therapieform erhält der Patient einen Photosensitizer (Verteporfin, Visudyne®) intravenös appliziert, der sich dann in den Gefäßneubildungen in der Netzhaut gezielt anreichert. Wird dieser mittels Laserbestrahlung aktiviert, verödet er die Neoplasien. Die Anwendung muss mehrfach wiederholt werden und ist auch nur in einem frühen Stadium der Erkrankung sinnvoll.
Einen deutlichen Fortschritt brachte die Einführung der Arzneimittel zur Behandlung der feuchten Makuladegeneration, berichtete Bartz-Schmidt. Als Erstes kam der VEGF-Inhibitor Pegaptanib (Macugen®), ein monoklonaler Antikörper gegen den Gefäßwachstumsfaktor, im Mai 2006 auf den Markt. »Doch der Effekt in Studien war vergleichbar mit dem der photodynamischen Therapie«, sagte Bartz-Schmidt. »Es trat keine Visusverbesserung ein, nur die Progression konnte aufgehalten werden.«
Ganz anders sehe es dagegen bei Ranibizumab (Lucentis®) aus. »Das erste Mal bei einer solch schwerwiegenden Erkrankung gab es die Möglichkeit, das Sehvermögen zu verbessern«, sagte Bartz-Schmidt. Das humanisierte monoklonale Antikörperfragment wird direkt ins Auge gespritzt. Sechs dieser intravitrealen Ranibizumab-Injektionen sind notwendig für die AMD-Therapie. Die Substanz unterbindet die Neovaskularisation, dichtet die Gefäße ab und verändert langfristig das Milieu. Alternativ zum Antikörperfragment Ranibizumab kann auch der ganze Antikörper Bevacizumab eingesetzt werden, der unter dem Namen Avastin® im Handel ist. Das deutlich preiswertere Medikament ist aber nur zur Krebstherapie zugelassen, weshalb es sich um einen Off-Label-Use handelt. Mittlerweile gebe es mehr Studien zur Wirksamkeit von Bevacizumab bei AMD als für Ranibizumab, berichtete Bartz-Schmidt. »Man kann davon ausgehen, dass es sicher wirkt.« Bislang fehlen allerdings Vergleichsstudien. In zwei Jahren wären diese Daten vermutlich vorhanden, und das Problem mit dem Off-Label-Use würde sich erübrigen, sagte der Augenarzt.
Doch auch bei der Ranibizumab-Therapie gebe es Versager. Für diese stünden operative Verfahren zur Verfügung wie die Netzhautdrehung mit Verschieben der Makula oder die Transplantation von Aderhaut unter die beschädigte Netzhautmitte.