Pillen für mehr Power |
13.05.2015 10:12 Uhr |
Von Annette Mende / Wenn gesunde Menschen Arzneimittel zur Steigerung der Gehirnleistung einnehmen, spricht man von Neuroenhancement. Je nach gewünschtem Effekt kommen dabei diverse Wirkstoffe infrage. Erika Fink, ehemalige Präsidentin der Bundesapothekerkammer, nimmt sie in der Zeitschrift »Pharmakon« unter die Lupe.
Was Menschen mit der Einnahme von Neuroenhancern bezwecken, kann sehr unterschiedlich sein: Das Spektrum reicht von der Steigerung der kognitiven und intellektuellen Leistungsfähigkeit, der Wachheit, der Entscheidungsfähigkeit und des psychischen Wohlbefindens bis zur medikamentösen Entspannungshilfe. Abhängig davon kommen Stimulanzien, Antidementiva, Antidepressiva oder auch Betablocker zum Einsatz.
Die Anforderungen an die Mitarbeiter steigen heute an vielen Arbeitsplätzen. Mit Tabletten nachzuhelfen ist da verlockend, birgt aber Risiken.
Foto: Fotolia/Tijana
Einziges OTC-Produkt unter den Neuroenhancern sind Coffein-Tabletten. Diese sind mitnichten nur simpler Kaffee- Ersatz, da sie häufig viel mehr Coffein enthalten als das Heißgetränk. So schlägt eine Tasse Kaffee mit 60 bis 100 mg Coffein zu Buche, eine Tasse Espresso mit etwa 60 mg und ein Energy-Drink mit 80 mg. Eine Verstärkung von Wachheit und Aufmerksamkeit ist bei einer Dosis bis zu 600 mg Coffein zu erwarten, allerdings nur, wenn man wirklich müde ist.
Als rezeptpflichtige Arzneistoffe, bei denen Apotheker hellhörig werden sollten, nennt Fink Modafinil (Vigil® und Generika), Methylphenidat (zum Beispiel Ritalin®), Memantin (Axura®, Ebixa® und Generika), Piracetam (unter anderem Nootrop® und Cebrotinin®), Donepezil (Aricept® und Generika), Rivastigmin (Exelon® und Generika), Galantamin (zum Beispiel Reminyl®), Dihydroergotoxin (Hydergin®), Fluoxetin, Citalopram (Cipramil® und Generika), Sertralin (Zoloft® und Generika) sowie Metoprolol und andere Betablocker. Nahezu immer hätten Patienten für diese Medikamente tatsächlich ein Rezept. Die Diagnosen lauteten dann Burnout-Syndrom oder Depression. Für die Anwendung als Neuroenhancer gibt es jedoch keine medizinische Indikation, sodass von einem Medikamentenmissbrauch gesprochen werden müsse.
Keine Daten zur Sicherheit
Da es sich um zugelassene Medikamente handelt, haben all diese Substanzen ihre Wirksamkeit und Sicherheit in klinischen Studien unter Beweis gestellt. Das gilt jedoch nicht für den Einsatz als Neuroenhancer, wie Fink betont. So gebe es etwa für Modafinil, das bei Patienten mit Narkolepsie oder Schichtarbeitersyndrom Aufmerksamkeit, Wachheit und Vigilanz steigern soll, keine Studien zur Langzeitanwendung. Die Wirkung scheine bei gelegentlicher Einnahme besser zu sein als bei Daueranwendung.
Vom Amphetaminderivat Methylphenidat erhofft man sich eine verbesserte Leistungsfähigkeit und Aufmerksamkeit. Es muss als Betäubungsmittel auf einem entsprechenden Rezeptformular verordnet werden, doch ob das den bestimmungsgemäßen Gebrauch in jedem Fall sicherstellt, ist fraglich. Komplikationen sind möglich, vor allem wenn es nach längerem Gebrauch plötzlich abgesetzt wird.
Nebenwirkungen und Interaktionen
Schlafstörungen, Selbstüberschätzung, psychische Abhängigkeit und irreale Euphorie können beim Off-Label-Einsatz dieser beiden Substanzen dazu führen, dass der gewünschte Effekt ausbleibt, ja sich sogar ins Gegenteil verkehrt. Dem Anwender unterlaufen vermehrt Leichtsinns- und Flüchtigkeitsfehler, was letztlich zu einer Leistungsminderung statt der erhofften -steigerung führt.
Sowohl Modafinil als auch Methylphenidat haben ein erhebliches Interaktionspotenzial, das beim Off-Label-Einsatz als Neuroenhancer wahrscheinlich nicht berücksichtigt wird. Modafinil hemmt die Cytochrom-P-450-Isoenzyme CYP2C19 und CYP2C9 und induziert CYP3A4, CYP1A1 und CYP2B6. Methylphenidat interagiert unter anderem mit Antidepressiva, Antihypertensiva und Alkohol.
Welche Haupt- und Nebenwirkungen von den anderen Wirkstoffen zu erwarten sind sowie deren mögliche Interaktionen beschreibt der vollständige Artikel. /
Gehirndoping ist der Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe von »Pharmakon«, der Zeitschrift für Mitglieder der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG). Sie enthält neben dem hier vorgestellten Beitrag von Erika Fink unter anderem Artikel über Geschichte, Verbreitung und ethische Fragen des Neuroenhancements sowie die Neuropharmakologie der Psychostimulanzien. »Pharmakon« erscheint sechsmal jährlich. Jede Ausgabe hat einen inhaltlichen Schwerpunkt, der in mehreren Beiträgen aus unterschiedlichen Perspektiven aufbereitet wird. Ein kostenloses Abonnement ist in der DPhG-Mitgliedschaft inbegriffen. Die Zeitschrift ist auch als Einzelbezug erhältlich. Weitere Informationen finden Interessierte auf pharmakon.info.