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Antidiabetika

Kombinationen unter der Lupe

06.05.2015  09:54 Uhr

Von Maria Pues, Mannheim / Weniger Insulin, dafür mehr oral applizierbare Antidiabetika – und diese als Kombinationspräparate. In diese Richtung könnte sich die Therapie des Typ-2-Diabetes entwickeln. Doch es gibt Widerstände gegen diese Entwicklung.

Patienten mit Typ-2-Diabetes würde es vermutlich freuen, statt ständig Insulin zu spritzen, nur noch Tabletten zu schlucken und diese möglicherweise als Kombipräparat aus mehreren Wirkstoffen. Diese langfristige Perspektive eröffnete Professor Dr. Baptist Gallwitz vom Universitätsklinikum Tübingen in einem Überblick über die Therapie mit oralen Antidiabetika auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Mannheim. Die pharmazeutischen Voraussetzungen dafür sind bereits jetzt gegeben. Gegenwind weht aber nicht nur aus Richtung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), auch Verordnungsgewohnheiten zu verändern, fällt mitunter schwer.

Ein Umdenken habe es in den vergangenen Jahren bereits hinsichtlich der Therapieziele gegeben, erinnerte der Referent. Nicht jeder Patient mit Typ-2-Diabetes profitiert in gleichem Ausmaß von einer intensiven Blut­zuckersenkung. Das spiegelt sich auch in den Empfehlungen der Fachgesellschaften wider (siehe Kasten). Stets gilt: Alle Therapieziele sollten ohne Hypoglykämien oder andere Nebenwirkungen erreicht werden (Update des Positionspapiers (2012) der American Diabetes Association und der European Association for the Study of Diabetes, DOI: 10.2337/dc14-2441).

 

Gelockerte Vorgaben für Metformin

 

»Als Erstlinientherapie gesetzt ist nach wie vor Metformin«, führte Gallwitz aus. Einige Beschränkungen im praktischen Umgang mit Metformin konnten kürzlich gelockert werden, zum Beispiel die Anwendungsbeschränkung bei eingeschränkter Nierenfunktion. Während bislang ein Kreatinin-Clearance-Wert von mindestens 60 ml/min gefordert wurde, kann der Wirkstoff nun bei Patienten mit einer Kreatinin-Clearance von mindestens 45 ml/min angewendet werden, was einer moderaten Nieren­insuffizienz entspricht. Die Fachinformationen der betreffenden Präparate würden dahingehend geändert.

 

Wenn sich der Blutzuckerspiegel mit Lebensstiländerungen und Metformin allein nicht zufriedenstellend unter Kontrolle bringen lässt, kommen Dipeptidylpeptidase (DPP)-4-Inhibitoren und SGLT-2-Inhibitoren infrage. Erst wenn diese Therapien keinen ausreichenden Erfolg haben, sehen Fachgesellschaften den Einsatz von Insulin, ebenfalls als Kombinationspartner, vor.

 

Gallwitz stellte eine von ihm geleitete Studie vor, deren Ergebnisse 2012 im Fachmagazin »The Lancet« veröffentlicht wurden (DOI: 10.1016/S0140-6736(12)60691-6). Sein Team verglich die Effekte von Linagliptin und Glimepirid als Kombinationspartner von Metformin. Dabei ergab sich eine vergleichbare Senkung des HbA1c-Wertes um 0,4 Prozent (Linagliptin) beziehungsweise 0,5 Prozent (Glimepirid). Allerdings traten unter Glimepirid signifikant mehr Hypoglykämien auf, auch kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall waren in der Glimepirid-Gruppe häufiger. Während die Patienten unter Glimepirid an Gewicht zulegten, nahmen die mit Linagliptid behandelten ab.

 

Dreifachkombinationen sind denkbar

 

In einer weiteren Studie untersuchten seine Mitarbeiter das Hypoglykämie-Risiko genauer. Dabei zeigte sich, dass die Unterzuckerungen unabhängig von der Glimepirid-Dosis und auch unabhängig vom HbA1c-Risiko auftraten. In kardiovaskulären Endpunktstudien wurde außerdem die Auswirkung von DDP-4-Inhibitoren auf das Herz-Kreislauf-Risiko untersucht. Bisher zeigte sich darin keine Risikoerhöhung, aber auch nicht die erhoffte Senkung.

 

Auch für SGLT-2-Inhibitoren als Kombinationspartner liegen Untersuchungen im Vergleich mit Sulfonylharnstoffen vor, etwa Dapagliflozin gegen Glipizid. Hier zeigte sich nach einem Jahr eine Nicht-Unterlegenheit, nach vier Jahren schnitt Dapagliflozin jedoch besser ab. Während die Probanden unter Glipizid wieder den ursprünglichen HbA1c-Wert erreicht hatten, lag er bei den mit Dapagliflozin Behandelten unter dem Ausgangs­niveau. Da SGLT-2-Inhibitoren die Glucose-Ausscheidung über die Nieren erhöhen, können sie außerdem zu einer Gewichtsreduktion führen.

Auch zur Dreifachkombination Metformin plus DPP-4-Hemmer (Sitaglip­tin) plus SGLT-2-Hemmer (Dapagliflozin) gibt es eine Untersuchung im Fachjournal »Diabetes Care« aus dem Jahr 2013 (DOI: 10.2337/dc13-0467). »Die Kombination entfaltet eine additive Wirkung auf den Glykämieparameter HbA1c«, fasste Gallwitz das Ergebnis zusammen. Die Gewichtsentwicklung sei in Kombination mit der der SGLT-2-Hemmer-Therapie vergleichbar, ohne dass es (wie unter SGLT-2-Hemmer-Therapie allein) zu einem Anstieg des Plasmaglucagons komme. Die Kombinationstherapie sei verträglich und erhöhe das Hypoglyk­ämie-Risiko nicht. Für die Zukunft könne er sich auch eine entsprechende Fixkombination vor­stellen, sagte er.

 

Und was ist mit den Sulfonylharnstoffen? Ihnen erteilte Gallwitz eine deutliche Absage. Er verwies auf das Hypoklykämie-Risiko sowie auf die Ergebnisse mehrerer Kohorten-Studien und Metaanalysen, aus denen ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko, eine erhöhte Gesamtmortalität und eine erhöhte diabetesassoziierte Mortalität hervorgeht. Zwar könnten auch unter einer Insulintherapie Unterzuckerungen auftreten. Dennoch gelte es zu differenzieren: So sei die Therapie durch die unterschiedliche Wirkdauer der verschiedenen Insuline erheblich besser steuerbar als eine Therapie mit Sulfonylharnstoffen.

 

Deutsche bleiben Insulin treu

 

Hindernisse auf dem Weg zu einer mehrfach oralen Therapie liegen nicht in der Therapie selbst begründet, konstatierte Gallwitz. Er bedauerte, dass der G-BA vielen der neuen Wirkstoffe keinen Zusatznutzen bescheinigt habe. In der Folge kamen einige Substanzen hierzulande nicht auf den Markt. Doch selbst wenn die Arzneimittel verfügbar wären, könnte es noch längere Zeit dauern, bis sie sich durchsetzen. »Deutschland ist anders als andere Länder traditionell ein Insulin-Land«. /

HbA1c-Zielwerte

Allgemein gilt die Empfehlung, dass der HbA1C-Wert unter 7 Prozent liegen sollte. Für bestimmte Patientengruppen gelten leicht abweichende Zielwerte:

 

  • 6,0 bis 6,5 Prozent bei Patienten mit kurzer Krankheitsdauer, Patienten mit hoher Lebenserwartung und Patienten ohne ausgeprägte kardiovaskulären Erkrankungen
  • 7,5 bis 8,0 Prozent bei älteren Patienten mit lang dauernder Erkrankung oder Diabetes-bedingten Komplikationen
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