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Niederlande

Kein Vorbild für Deutschland

11.05.2010  19:28 Uhr

Von Martina Janning, Berlin / Wenn es um eine Kopfpauschale für die Krankenkassen geht, dienen die Niederlande gerne als Vorbild. Ob ihr System als Blaupause taugt, diskutierten Experten in Berlin. Über die holländischen Erfahrungen mit einem steuerfinanzierten Sozialausgleich, säumigen Versicherten und ausbleibendem Wettbewerb.

Die Niederländer haben ihre Krankenversicherung im Jahr 2006 vereinheitlicht, indem sie sie privatisierten und die Finanzierung umstellten. Sie führten eine vom Einkommen unabhängige Gesundheitsprämie ein, die die Hälfte der Beiträge zur Krankenversicherung ausmacht. Die andere Hälfte ist vom Einkommen abhängig – Arbeitnehmer und Rentner zahlen zum Beispiel 7,05 Prozent, Selbstständige und Kapitalvermögende 4,95 Prozent ihres Einkommens. Jeder Niederländer über 18 Jahre muss sich versichern, Kinder sind kostenfrei mitversichert.

Die holländische Gesundheitsprä­mie betrug 2009 rund 1209 Euro jährlich, nachdem sie 2006 mit etwa 1015 Euro pro Jahr gestartet war. Menschen, die die Pauschale zu stark belastet, erhalten vom Staat einen Zuschuss. Die Grenzen dafür liegen bei etwa 25 000 Euro Jahreseinkommen für Singles und circa 40 000 Euro Jahreseinkom­men für Paare. »Inzwischen be­kommen rund 70 Prozent der Ver­sicherten einen staatlichen Zu­schuss«, berichtete Professor Dr. Stefan Greß von der Hochschule Fulda auf dem Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit in Berlin.

 

Wenn die Pauschale steigt, steigt auch der Zuschuss. Das führe mittlerweile zu großen Schwierig­keiten, den Finanzminister zur Zahlung zu bewegen, erklärte der Gesundheitsökonom. Denn die Kosten für den steuerfinanzierten Sozialausgleich sind seit 2006 von 2,5 auf 3,7 Milliarden Euro geklettert. Auf die deutsche Bevölkerung hochgerechnet wären das mindestens 20 Milliarden Euro Sozialausgleich aus Steuermitteln, betonte Jürgen Graalmann vom Vorstand des AOK-Bundesverbands. Aus diesem Grund taugten die Niederlande nicht als Blaupause für Deutschland. Vor allem aber sei die Gesundheitsprämie aus Gerechtigkeitsaspekten nicht »deutschlandfähig«. Auch Greß kam zu dem Schluss, es sei besser den »automatisierten Sozialausgleich, den wir im System durch einkommensabhängige Beiträge haben, nicht aufzugeben«.

 

Ein anderes Problem: In den Niederlande steigt die Anzahl der Krankenversicherten, die ihre Beiträge nicht bezahlen. Allein zwischen 2006 und 2007 wuchs deren Zahl um 49 000 auf 240 000 Versicherte, berichtet das niederländische Statistikamt. Greß führt den Anstieg auf die Höhe der Prämie zurück. Die Ausfälle müssten die anderen Versicherten mitbezahlen, betonte er. Die niederländischen Erfahrungen mit säumigen Krankenversicherten sollten Deutschland ein Signal sein, warnte Kassenvertreter Graalmann. Auch Dr. Joachim Müller vom Bundesministerium für Gesundheit hält das niederländische Modell nicht für eine brauchbare Blaupause. Er verwies darauf, dass die Krankenversicherung dort weniger Leistungen bezahlt als in Deutschland – Zahnersatz und Psychotherapie sind zum Beispiel ebenso wenig enthalten wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. »90 Prozent der Niederländer haben Zusatzversicherungen«, berichtete Müller.

 

Mehr Privatversicherte

 

Daneben gibt es weitere Unterschiede: Der Anteil der privaten Krankenversicherungen war größer als in Deutschland, und die privaten haben schon vor der Reform eng mit den gesetzlichen Anbietern kooperiert. Die Palette ihrer Leistungen war ähnlicher als hierzulande. Dass die privaten Versicherungen keine individuellen Altersrückstellungen wie in Deutschland bildeten, erleichterte das Zusammenführen mit den gesetzlichen. Außerdem kannten die Holländer den steuerlichen Finanzausgleich schon, weil er in dem Beneluxland auch bei anderen Dingen, wie etwa Mieten, zum Tragen kommt. Eine Grundbedingung für den Umbau stellte Müller, der in den Niederlanden gelebt hat, besonders heraus: »Faszinierend fand ich den breiten Konsens der Parteien und Beteiligten über die Gesundheitsreform. Alle waren in Aufbruchstimmung.«

 

Bei der niederländischen Gesundheitsreform sei es zudem weniger um das Senken der Lohnkosten gegangen, sondern um mehr Wettbewerb, berichtet Müller. Dieses Ziel, so zeigt eine erste Evaluierung nach vier Jahren, hat sich nicht in dem erwarteten Maße erfüllt. Zwar wechselten 2006 nach der Gesundheitsreform knapp 20 Prozent der Versicherten zu einem neuen Anbieter, im Jahr 2009 waren es aber nur noch 4 Prozent. Zudem ist der Versicherungsmarkt geschrumpft. Statt sechs gibt es noch vier Unternehmen. Diese machen zudem von Selektivverträgen kaum Gebrauch. /

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