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Sekundäre Kopfschmerzen

Nicht nur ein »Brummschädel«

30.04.2013  15:48 Uhr

Von Iris Hinneburg / Wenn Patienten über Kopfschmerzen klagen, können sich dahinter auch gefährliche Grunderkrankungen oder Nebenwirkungen von Medikamenten verbergen. In der Beratung sollte der Apotheker bei bestimmten Warnsymptomen aufmerksam werden, die auf sekundäre Kopfschmerzen hindeuten.

Gründe und Auslöser für Kopfschmerzen gibt es viele. Einige Formen von Kopfschmerzen kann der Patient selbst gut behandeln (zur Selbstmedikation lesen Sie auch Selbstmedikation bei Kopfschmerzen: Eingeschränkte Optionen im Alter). Dazu gehören primäre Formen wie Spannungskopfschmerzen und eine bereits ärztlich diagnostizierte Migräne. Doch nicht immer, wenn ein Patient über Kopfschmerzen klagt, ist eine Selbstmedikation möglich. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein Verdacht auf eine sekundäre Kopfschmerzform besteht.

Während bei primären Kopfschmerzen der Kopfschmerz selbst die Erkrankung darstellt, gibt es bei sekundären Kopfschmerzen eine zugrunde liegende Ursache oder Erkrankung, die die Kopfschmerzen auslöst. In diesem Fall sind Kopfschmerzen also nur ein Symptom. Die Klassifikation der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft (International Headache Society, IHS) unterscheidet acht Gruppen von Ursachen, die sekundäre Kopfschmerzen verursachen können. Dazu gehören unter anderem ein Schädel-Hirn-Trauma, Tumore im Kopf, Gefäßstörungen oder Infektionen. Aber auch manche psychiatrischen Erkrankungen, Substanzmissbrauch oder -entzug sowie Störungen der Homöostase können solche Symptome hervorrufen. Wichtige Warnzeichen können auf diese Ursachen hindeuten (siehe Kasten). Besonders schwierig sind sekundäre Kopfschmerzen zu erkennen, wenn der Patient auch unter primären Kopfschmerzformen leidet. Dann ist besondere Aufmerksamkeit geboten, wenn die Kopfschmerzen ungewöhnlich lange und intensiv oder auch mit anderer Lokalisation als sonst auftreten.

 

Häufige Ursachen im Alter

 

Die Expertenempfehlung der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft »Kopf- und Gesichtsschmerzen im Alter« weist darauf hin, dass man diese Schmerzen besonders bei älteren Patienten nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Denn in der Altersgruppe ab 65 Jahre sind etwa 15 Prozent aller Kopfschmerzfälle sekundär – deutlich mehr als bei Menschen in jüngeren Jahren. An erster Stelle stehen dabei vaskuläre und tumorbedingte Kopfschmerzen. In den meisten Fällen treten dabei weitere Symptome auf, die den Verdacht auf eine sekundäre Kopfschmerzerkrankung fördern. So klagen etwa viele Patienten mit einem Tumor im Kopfbereich über Kopfschmerzen von der Art eines Spannungskopfschmerzes, doch leiden sie häufig auch unter neurologischen Ausfällen. Kopfschmerzen im Bereich der Augenhöhle in Verbindung mit einem geröteten Auge, erweiterter Pupille, Sehstörungen sowie Übelkeit, Licht- und Geräuschempfindlichkeit deuten auf einen Glaukomanfall hin. Zu den wichtigsten vaskulären Ursachen im Alter zählen Schlaganfall, eine Subarachnoidalblutung sowie eine Arteriitis temporalis. Auch Blutdruckschwankungen können für sekundäre Kopfschmerzen verantwortlich sein.

Schmerzen bei Blutdruckschwankungen

 

Besonders wenn Bluthochdruckpatienten über einen akut einsetzenden Kopfschmerz klagen, sollte man immer an die Möglichkeit eines starken Blutdruckanstiegs bis hin zu einer hypertensiven Krise denken. Weitere typische Anzeichen sind Schläfrigkeit und Desorientiertheit, manchmal auch neurologische Ausfälle. Eine hypertensive Krise kann auch durch Arzneimittel ausgelöst werden, etwa wenn der Hypertonie-Patient adrenerge Substanzen in der Selbstmedikation einnimmt. Auch das plötzliche Absetzen von Antihypertensiva kann einen plötzlichen Blutdruckanstieg begünstigen. Bekannt ist die Interaktion von nicht-selektiven MAO-Hemmern mit tyraminreichen Lebensmitteln (wie überreifen Käse, Salami, Hefeextrakt oder Sojasoße), die den Blutdruck steigen lässt.

 

Ein ischämischer Schlaganfall oder eine Gehirnblutung äußern sich in vielen Fällen mit Kopfschmerzen, die akut einsetzen. Besonders bei einer Subarachnoidalblutung erreichen die Schmerzen häufig eine »vernichtungsartige« Intensität. Typische Begleiterscheinungen sind neurologische Ausfälle, Bewusstseinsstörungen und psychische Veränderungen. Dann ist eine notfallmedizinische Behandlung notwendig. Allerdings können bei bestimmten Formen des Schlaganfalls (Posteriorinfarkt) Kopfschmerzen auch die einzigen Symptome sein, die der Patient bemerkt. Besonders bei älteren Migränepatienten ist ein Schlaganfall häufig nicht einfach von der Kopfschmerzerkrankung abzugrenzen, da mit zunehmendem Alter die Intensität der typischen Migränezeichen wie Erbrechen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit abnimmt und sich die neurologischen Symptome der Aura verstärken können.

 

Eine relativ seltene, aber dennoch gefährliche Ursache für sekundäre Kopfschmerzen im Alter ist die Riesenzell-Arteriitis (Arteriitis temporalis). Diese Erkrankung tritt fast ausschließlich im Alter über 50 Jahren auf und betrifft Frauen häufiger als Männer. Die Prävalenz liegt zwischen 70 und 130 Fälle pro 100 000 Einwohner. Im Verlauf der Erkrankung treten in fast allen Fällen beidseitige Kopfschmerzen auf, die sich beim Kauen verstärken können. Auch Abgeschlagenheit und Sehstörungen sind typisch.

 

Bei dieser Erkrankung handelt es sich um eine systemische Vaskulitis der großen und mittleren Gefäße, häufig im Bereich des Kopfes, in etwa der Hälfte der Fälle auch im gesamten Körper. Ursache ist vermutlich eine Autoimmunreaktion. Durch eine granulomatöse Entzündung sammeln sich Riesenzellen in der Gefäßwand, sodass das Blutgefäß verdickt und sich das Gefäßlumen verengt bis hin zum vollständigen Gefäßverschluss. Das lässt sich besonders prominent an der Schläfenarterie (Arteria temporalis) beobachten, über der die Haut häufig gerötet, geschwollen und druckempfindlich erscheint. Wenn die eingeschränkte Durchblutung auch Blutgefäße betrifft, die die Retina versorgen, drohen vorübergehende oder bleibende Sehstörungen bis hin zur Erblindung. Da diese Komplikation in bis zu einem Drittel aller Fälle auftreten kann, ist ein schneller Therapiebeginn notwendig. Zur Unterdrückung der Entzündungsreaktion werden Glucocorticoide systemisch verabreicht.

 

Kopfschmerzen durch Medikamente

 

Gerade bei älteren Patienten mit einer Dauermedikation können Kopfschmerzen auch auf die Pharmakotherapie zurückzuführen sein. Sehr häufig treten Kopfschmerzen als Nebenwirkung einer Behandlung mit gefäßerweiternden Nitraten auf, besonders zu Behandlungsbeginn (»Nitratkopfschmerz«). Auch von anderen Arzneistoffen wie Nifedipin, Nimodipin oder Phosphodiesterase-Hemmern (etwa Sildenafil) ist die Nebenwirkung bekannt. Andere Arzneistoffe können Kopfschmerzen etwa durch eine Steigerung des intrakraniellen Drucks (Tetrazykline, Gyrasehemmer, Glucocorticoide oder Metronidazol) oder neurotoxische Mechanismen (Herzglykoside) auslösen. Bei Dauergebrauch von Analgetika kann sich auch ein medikamenteninduzierter Kopfschmerz einstellen.

 

Besonders bei älteren Menschen sind sekundäre Ursachen für Kopfschmerzen deutlich häufiger als bei jüngeren Patienten. Deshalb ist es gerade bei typischen Warnzeichen sinnvoll, den Patienten zur Abklärung an den Arzt zu verweisen. /

Warnzeichen bei Kopfschmerzen

  • Kopfschmerzen, die erstmals im Alter über 50 Jahre auftreten
  • Kopfschmerzen mit unüblicher Intensität, Dauer oder Lokalisation
  • plötzliches, schlagartiges Auftreten
  • zunehmende Intensität und sehr starke Schmerzen, die auf Behandlung nicht ansprechen
  • vorausgegangene Kopfverletzungen
  • Zunahme bei Anstrengung oder Husten
  • Bewusstseinsstörungen, epileptische Anfälle
  • Lähmungen, Gefühls-, Seh-, Gleichgewichtsstörungen, Augentränen, starker Schwindel
  • Lageabhängigkeit
  • psychische Veränderungen, Störungen des Kurzzeitgedächt­nisses oder der Orientierung
  • rasche Veränderung von Verhalten und Aufmerksamkeit
  • Erschöpfbarkeit, Schwindel
  • hohes Fieber
  • schmerzhafte Nackensteifigkeit
  • Gewichtsabnahme

Quelle

Kopf- und Gesichtsschmerzen im Alter, Expertenempfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Kopfschmerzgesellschaft und der Schweizerischen Kopfwehgesellschaft (www.dmkg.de/sites/default/files/kopf-und-gesichtsschmerz-im-alter.PDF)

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