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Venenfunktion per Fragebogen testen

02.05.2006  13:46 Uhr

Venenberatung

Venenfunktion per Fragebogen testen

von Eberhard Rabe, Bonn, Martin Schulz, Berlin, und Markus Stücker, Bochum

 

Venenerkrankungen sind eine Volkskrankheit, deren erste Symptome von vielen Betroffenen unterschätzt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Phlebologie (DGP) hat einen Fragebogen entwickelt, mit dem Apotheker und PTAs die Venenfunktion ihrer Kunden schnell und sicher bestimmen und anhand des Ergebnisses gezielt beraten können.

 

In Deutschland sind insgesamt 50 Millionen Menschen von einem Venenleiden betroffen; der Bonner Venenstudie zufolge liegt bei jeder fünften Frau und jedem sechsten Mann zwischen 18 und 79 Jahren eine chronisch venöse Insuffizienz (CVI) vor (1). Zu den Symptomen von Venenerkrankungen zählen neben den schmerzenden und geschwollenen Beinen oft müde, schwere Beine, Spannungsgefühl, Juckreiz und Kribbeln in den Beinen, bräunliche Verfärbungen im Knöchelbereich und sichtbare Krampfadern. Vielen Menschen ist nicht bekannt, dass sich hinter diesen scheinbar harmlosen Beinbeschwerden, eine ernstzunehmende Erkrankung mit eventuell schweren Folgeschäden verbergen kann. Denn eine chronische Venenerkrankung kann im Extremfall zu einem offenen Bein (Ulcus cruris venosum) führen. Dies verdeutlicht, wie wichtig es ist, eine Venenerkrankung so früh wie möglich zu erkennen, zu therapieren und präventiv zu handeln.

 

Für viele Menschen mit Beinbeschwerden ist der Apotheker der erste Ansprechpartner, da sie nicht wissen, an welchen Arzt sie sich wenden sollen. Dem Beratungsgespräch in der Apotheke kommt folglich eine große Bedeutung zu, denn hiermit können Betroffene für das Krankheitsbild sensibilisiert und Therapieempfehlungen rechtzeitig angesprochen werden. Dies kann das Fortschreiten der Erkrankung verzögern und die Lebensqualität der Patienten erhöhen. Zunächst müssen Apotheker und PTA jedoch versuchen zu klären, ob der Kunde an einer Venenerkrankung leidet oder die Beschwerden etwa durch Rückenprobleme verursacht werden. Zu einer ärztlichen Abklärung ist zu raten bei (2):

 

Auftreten unklarer Beschwerden (wie starke Beinschmerzen, Gehbeschwerden)

ausgeprägten Ödemen, starken Schwellung der Beine/nur eines Beines

sehr stark angeschwollenen Knöcheln

Ödemen oder venösen Stauungen oberhalb des Unterschenkels

akuten Venenerkrankungen wie Thrombophlebitis

strangförmigen, meist schmerzenden Verhärtung im Verlauf einer Vene

akuten oder chronischen Schmerzen

(Verdacht auf) chronisch venöse Stauungen

Verdacht auf Ulcus cruris venosum

Hautveränderungen, wie verhärtete weiße Stellen, Ekzeme, Hautpigmentierung, Stauungsflecken

akuten Komplikationen wie Blutungen

ausgeprägten Waden-/Beinkrämpfen

bekannter Herzinsuffizienz

Diabetikern

bekannten Leber- oder Nierenfunktionsstörungen

bekannten Gerinnungsstörungen/Behandlung mit Antikoagulantien wie Phenprocoumon

 

Fragebogen mit LRR vergleichbar

 

Häufig wird die Venenfunktion mit einem Venenmessgerät getestet: Die Licht-Reflexions-Rheographie (LRR, auch Photoplethysmographie, PPG) ermittelt die venöse Wiederauffüllzeit, wobei Werte über 25 Sekunden als normal und Werte unter 25 Sekunden als pathologisch auffällig gelten. Eine solche Venenmessung in der Apotheke durchzuführen, ist jedoch verhältnismäßig aufwendig. Denn neben dem Gerät und einem geschulten Mitarbeiter ist auch ein separater Beratungsraum notwendig, da der Kunde das Bein freimachen muss. Zudem kostet die Messung viel Zeit, zumal viele Kunden zunächst vor der Venenmessung mit einem Gerät zurückschrecken.

 

Ein Test mittels Fragebogen hingegen kann gut als Einstieg in ein kompetentes Beratungsgespräch dienen und schließlich je nach Ergebnis eine Venenmessung nahe legen. Die Deutsche Gesellschaft für Phlebologie entwickelte hierzu einen Fragebogen, mit dem die Wahrscheinlichkeit einer Venenerkrankung abgeschätzt werden kann. Die DGP wählte und standardisierte die Fragen so, dass sich eine umso höhere Punktzahl ergibt, je schwerer die venöse Erkrankung der Beine ist.

 

Eine Vergleichsstudie mit 1800 Teilnehmern konnte bestätigen, dass die Aussagekraft des Fragebogens vergleichbar mit der einer Venenmessung ist (3). Aktive Mitarbeiter eines Automobilwerkes oder berentete Personen, die über die Betriebskrankenkasse des Werkes versichert waren, unterzogen sich dabei einer Venenmessung und füllten parallel Fragebögen aus. Der Vergleich ergab, dass alle Probanden, deren Messergebnisse auf ein Vorliegen einer Veneninsuffizienz hinwiesen, ebenfalls eine hohe Punktzahl in dem Fragebogen aufwiesen (und umgekehrt). Die durchschnittlichen Ergebnisse der Fragebögen aller Probanden mit normalen LRR-Werten waren mit 2,4 ± 0,34 Punkten deutlich niedriger als die der Probanden mit pathologischer LRR (3,7 ± 0,99 Punkten). Insgesamt hatte das Ergebnis von 4 Punkten die höchste Spezifität, das heißt, Personen mit 4 Punkten und mehr wiesen in der Regel auch eine pathologische LRR auf. Diese Ergebnisse belegen, dass der DGP-Fragebogen ein valides Instrument ist, um die Venenfunktion zu testen. Er ist zudem der einzige mittels einer Vergleichsstudie geprüfte Fragebogen im deutschsprachigen Raum, der zuverlässig erkennt, ob eine Venenerkrankung wahrscheinlich ist.

 

Mit Fragebogen kompetent beraten

 

Der DGP-Fragenbogen erfasst die typischen Symptome von Venenerkrankungen, wie das Anschwellen der Beine im Tagesverlauf, sichtbare Krampfadern oder eine oberflächliche Venenentzündung. Apotheker und PTA erhalten anhand der Antworten des Kunden wichtige Informationen, um eine Venenerkrankung zu erkennen. Der DGP-Fragebogen kann also den ersten Schritt in ein kompetentes Beratungsgespräch darstellen. PTA oder Apotheker können innerhalb des Gesprächs die vorformulierten Fragen stellen und die Antworten ankreuzen. Jede Antwort ergibt eine Punktzahl zwischen 0 und 2 Punkten; am Ende des Fragebogens werden die Punkte zusammengezählt. Ab einer Gesamtpunktzahl von 4 besteht ein Verdacht auf eine behandlungsbedürftige Venenkrankheit. Bei einer Punktzahl unter 4 kann eine Venenerkrankung nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden, es können aber auch nicht venöse Erkrankungen vorliegen. Anhand des Ergebnisses des Fragebogens kann die Apotheke qualifizierte Empfehlungen geben, wie die Beschwerden mit Venentherapeutika zu behandeln oder sie durch einen Arzt klären zu lassen.

 

Der DGP-Fragebogen kann somit zum einen verwendet werden, um Störungen der Venenfunktion festzustellen. Zum anderen sollte er auch stets zusätzlich zu einer LRR-Messung ausgefüllt werden, um deren Aussagekraft mit Hilfe der klinischen Angaben zu erhöhen. Denn bei einer LRR können Fehldeutungen der Messergebnisse auftreten, da scheinbar pathologische Befunde der Venenmessung auch andere Ursachen, wie Messfehler, haben können. Solche Irrtümer lassen sich bei gleichzeitiger Verwendung des DGP-Fragebogens vermeiden.

Fazit

Mit dem DGP-Fragebogen können Apotheker und PTA einfach, schnell und valide bestimmen, ob der Verdacht einer Venenkrankheit besteht, und ihre Kunden dementsprechend kompetent beraten. Laut einer Vergleichstudie erfüllt bereits der Fragebogen allein eine wichtige Funktion, um eine Venenkrankheit zu erkennen und den Betroffenen beraten zu können. Ebenso sollte der DGP-Fragebogen bei der Durchführung einer LRR-Venenmessung ausgefüllt werden, um einen umfassenden Eindruck der Venenfunktion des Kunden zu gewinnen.

 

Kostenlose Exemplare des DGP-Fragebogens können unter anderem angefordert werden bei Boehringer Ingelheim unter info(at)antistax.de oder per Fax unter (0 61 32) 72 99 99. Weitere Infos unter www.deutschland-macht-die-Venen-fit.de.

Literatur

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Rabe, E., et al., Bonner Venenstudie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie. Epidemiologische Untersuchung zur Frage der Häufigkeit und Ausprägung von chronischen Venenkrankheiten in der städtischen und ländlichen Wohnbevölkerung. Phlebologie 32, 1 (2003) 1-14.

Braun, R., Schulz, M., Selbstbehandlung. Beratung in der Apotheke. Govi-Verlag, 1994, inkl. 7. Erg.-Lfg. 2006.

Stücker, M., et al., Fragebogen und Messung der venösen Auffüllzeit. Vergleich zweier Instrumente zum Screening von Venenerkrankungen. Vasomed 4 (2004) 130-131.

 

 

Anschrift der Verfasser:

Professor Dr. Eberhard Rabe

Klinik und Poliklinik für Dermatologie

Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität

Sigmund-Freud-Straße 25

53105 Bonn

eberhard.rabe(at)ukb.uni-bonn.de

Professor Dr. Martin Schulz

ZAPP der ABDA

Jägerstraße 49/50

10177 Berlin

zapp(at)abda.aponet.de

Privatdozent Dr. Markus Stücker

Venenzentrum der dermatologischen und gefäßchirurgischen Kliniken

Ruhr-Universität Bochum im St. Maria-Hilf-Krankenhaus

Hiltroper Landwehr 11-13

45805 Bochum

m.stuecker(at)derma.de

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