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Naratriptan ohne Rezept

28.04.2006  13:05 Uhr

Migränetherapie

Naratriptan ohne Rezept

von Elke Wolf, Frankfurt am Main

 

Am 1. April ist mit Naratriptan in Deutschland weltweit erstmals ein Triptan zur rezeptfreien Abgabe in der Apotheke zugelassen worden. Formigran®, das zwei Filmtabletten mit je 2,5 mg Naratriptan enthält, wird vermutlich ab Mai/Juni verfügbar sein und stellt eine neue Behandlungsoption in der Selbstmedikation der Migräne dar.

 

Bislang spielen in der Selbstbehandlung von Migräne nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Acetylsalicylsäure, Ibuprofen oder Naproxen die Hauptrolle. In Kürze wird nun auch die Selbstmedikation mit einem Triptan möglich. »Ziel ist es nicht, die Patienten, bei denen NSAR gut helfen, umzustellen. Das rezeptfreie Naratriptan ist eine neue Option für die, bei denen NSAR nicht anschlagen«, sagte Professor Dr. Hans-Christoph Diener, Universitätsklinik Essen, auf der Einführungspressekonferenz von GlaxoSmithKline. Nach den aktuellen Richtlinien der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft gelten Triptane als Mittel mit der besten Wirksamkeit. Triptane wirken gegen Kopfschmerzen und alle begleitende Symptome der Migräne.

 

Nur eine Tablette pro Attacke

 

Unter allen Triptanen sei Naratriptan aus der Verschreibungspflicht entlassen worden, »weil es einen optimalen Kompromiss von Wirksamkeit und Verträglichkeit bildet«, erklärte Professor Dr. Kay Brune von der Universität Erlangen. Die Entscheidung sei auf Naratriptan gefallen, da es im Gegensatz zu den anderen Vertretern seiner Klasse durch eine lange Eliminationshalbwertszeit und eine relativ hohe Bioverfügbarkeit überzeuge. Die meisten Patienten brauchten daher in Studien auch nur eine Tablette pro Migräne-Attacke. In einer 1000 Patienten umfassenden Studie waren 48 Prozent nach vier Stunden gänzlich frei von Kopfschmerzen. Bei 52 Prozent der Betroffenen hielt der Rückgang der Kopfschmerzen über 24 Stunden an. Eine Langzeitstudie mit 412 Migräne-Patienten über sechs Monate konnte dies bestätigen.

 

59 Prozent der mit Naratriptan behandelten Patienten zeigten einen Kopfschmerzrückgang bei mehr als 60 Prozent ihrer Attacken. Auch was Übelkeit, Licht- und Geräuschempfindlichkeit sowie Funktionseinschränkungen betrifft, wirkte Naratriptan signifikant besser als Placebo.

 

Hinsichtlich der Inzidenz unerwünschter Wirkungen liegt Naratriptan indes auf Placeboniveau. Mögliche Nebenwirkungen sind Kribbeln und ein Wärmegefühl zum Beispiel in der Brust, normalerweise nur für wenige Minuten. Dies ist oft ein Anzeichen dafür, dass Naratriptan zu wirken beginnt. Häufig sind zudem Übelkeit, Erbrechen und Müdigkeit, gelegentlich kommt es zu einem Druck- oder Engegefühl.

 

Naratriptan ist zugelassen für Migräne-Patienten ab 18 bis 65 Jahren. Empfohlen wird die Einnahme bei den ersten sicheren Anzeichen von Migränekopfschmerzen. Die Erfahrung zeigt, dass Triptane dann am umfassendsten wirken. Maximal zwei Tabletten pro Tag sind erlaubt, wobei die zweite Tablette frühestens vier Stunden nach der ersten eingenommen werden sollte. Bringt eine Tablette allerdings keine Besserung, ist die Einnahme der zweiten nicht sinnvoll.

 

Neue Option für Selbstmedikation

 

Für Dr. Michael Kunkel, Apotheker aus Titisee-Neustadt, ist der Wegfall der Rezeptpflicht eines Triptans eine Bereicherung für die Beratung seiner Migräne-Patienten. »72 Prozent der Betroffenen suchen keinen Arzt auf. Bei der Hälfte davon schlagen NSAR nicht an. Rezeptfreies Naratriptan erweitert die Möglichkeiten des Apothekers erheblich.« Bedenke man zudem, dass von den etwa acht Millionen Betroffenen nur etwa 750.000 Patienten ein wirksames Präparat verordnet bekommen, könnte die Entlassung aus der Verschreibungspflicht auch der Unterversorgung von Migräne-Patienten entgegenwirken. Dem tendenziell höheren Abhängigkeitsrisiko (Triptane versus NSAR) beuge man mit der nur zwei Tabletten enthaltenden Packung vor.

 

Voraussetzung für die richtige Anwendung in der Selbstmedikation ist jedoch, das Triptan wirklich nur an Migräne-Patienten abzugeben. Dass Apotheker dazu in der Lage sind, konnte Diener nur bestätigen. In einer 900 Patienten umfassenden Studie mussten die teilnehmenden Apotheker mittels gezielter Fragestellung unterscheiden, ob die Patienten unter Migräne oder Spannungskopfschmerzen litten. In der überwiegenden Zahl der Fälle konnte ein Arzt die »Vordiagnose« bestätigen. Dennoch: »Bei unklarer Genese ist immer auf den Arzt zu verweisen, beispielsweise auch, wenn zwei bis drei Attacken im Monat den Patienten belasten«, riet Kunkel.

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