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Zulassungsempfehlungen

Zwei Orphan Drugs für Kinder

26.04.2017  09:44 Uhr

Von Kerstin A. Gräfe / Zwei Arzneistoffe zur Behandlung von seltenen Erkrankungen bei Kindern haben vom Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA eine Zulassungsempfehlung erhalten. Nusinersen (Spinraza®) soll bei Betroffenen mit Spinaler Muskelatrophie zum Einsatz kommen. Von einer Enzymersatz­therapie mit Cerliponase alfa (Brineura®) könnten zukünftig Kinder mit der erblichen Stoffwechselkrankheit CLN2 profitieren.

Die Spinale Muskelatrophie (SMA) ist eine genetisch bedingte neuromuskuläre Erkrankung. SMA-Patienten fehlt das sogenannte Survival Motor Neuron Gen 1 (SMN1). In der Folge wird kein SMN-Protein gebildet, was den Untergang der Motoneuronen im Rückenmark bewirkt: Die Muskeln können nicht mehr innerviert werden und es kommt zur Muskelschwäche und zum Muskelschwund. Der Schweregrad der SMA korreliert mit der verbleibenden Menge an SMN-Protein, die gebildet wird. Bei den Patienten, die nur sehr wenig SMN-Protein bilden, zeigen sich die Symptome bereits im Säuglings­alter (infantile SMA). Die Betroffenen erlangen nie die Fähigkeit, ohne Hilfe zu sitzen, und erreichen nur mit künstlicher Beatmung ein Alter von mehr als zwei Jahren. Patienten mit später einsetzender SMA bilden größere Mengen des SMN-Proteins. Bei ihnen ist die Erkrankung weniger stark ausgeprägt; sie verlieren aber die im Laufe ihres Lebens schon erworbenen motorischen Fähigkeiten wieder (später einsetzende SMA). Eine Therapieoption gab es bislang nicht.

 

Ersatzgen aktivieren

Spinraza soll als 2,4 mg/ml Lösung zur Injektion auf den Markt kommen und wird einmal alle vier Monate ins Nervenwasser des Rückenmarks (Lumbalpunktion) injiziert. Nusinersen ist ein synthetisch hergestelltes Molekül, das eigens dafür konzipiert wurde, um ein Ersatzgen für SMN1 zu aktivieren: das fast baugleiche SMN2. Letzteres ist ebenfalls wie das SMN1-Gen in der Lage, das benötigte SMN-Protein zu bilden. Allerdings hat das SMN2-Gen eine Art Webfehler, der die Übersetzung der Erbinformation in das rettende Eiweiß um 75 bis 90 Prozent verringert. Diesen Fehler kann Nusinersen beheben. Das Antisense-Oligonukleotid heftet sich an einer vorab definierten Stelle an die SMN2-Boten-RNS und verhindert dadurch, dass daraus ein Abschnitt entfernt und die Erbinformation unbrauchbar wird. Die Menge korrekt übersetzter Boten-RNS steigt dadurch um das 2,6-Fache auf einen Anteil von 50 bis 69 Prozent an.

 

Die Zulassungsempfehlung basiert hauptsächlich auf den Daten der Stu­dien ENDEAR und CHERISH. In ENDEAR, an der 121 Säuglinge mit infantiler SMA teilnahmen, war der Prozentsatz der Säuglinge, die einen vorab definierten »Meilenstein« in der Entwicklung der motorischen Funktionen erreichten, unter Nusinersen signifikant höher als unter Placebo. Meilensteine der motorischen Entwicklung waren zum Beispiel Kopfkontrolle, Sitzen und Krabbeln sowie die Fähigkeit, sich von der Rücken- in die Bauchlage und umgekehrt zu drehen. Zudem war das Mortalitätsrisikos oder das Risikos für die Notwendigkeit einer permanenten Beatmung bei den Nusinersen-Patienten im Vergleich zur Placebogruppe signifikant niedriger. Ein ähnliches Ergebnis ergab die Zwischenauswertung der CHERISH-Studie, die Patienten mit spät einsetzender SMA einschloss. Auch hier besserte Nusinersen im Vergleich zu Placebo signifikant die motorischen Fähigkeiten. Die häufigsten Nebenwirkungen waren in beiden Studien Infektionen der oberen und unteren Atemwege sowie Verstopfung.

 

Enzym TPP1 ersetzen

 

Ebenfalls zu den seltenen Erkrankungen zählt die neurodegenerative Erbkrankheit Neuronale Ceroid-Lipofuszinose Typ 2 (CLN2). Bei dieser Erkrankungsform liegt eine Mutation im CLN2-Gen vor, das für das Enzym Tripeptidylpeptidase 1 (TPP1) kodiert. TPP1 kommt in den Lysosomen der Zellen vor und wird für die Verdauung und Entsorgung von Abbauprodukten benötigt. Fehlt das Enzym, kommt es zu Ablagerungen in allen Zellen des Körpers. Aus unbekannten Gründen werden jedoch nur die Nervenzellen krank. Dies führt zu dem typischen Krankheitsbild. Die betroffenen Kinder fallen meistens um das dritte Lebensjahr mit einem Zurückbleiben in ihrer Entwicklung und mit Krampfanfällen auf. Auch sehen sie mit der Zeit immer schlechter, da die Krankheit die Netzhaut der Augen befällt. In der Regel versterben die Kinder in einem Alter zwischen acht und zwölf Jahren. Für die Erkrankung gab es bislang keine Behandlungsoption.

 

Brineura enthält mit Cerliponase alfa eine rekombinante Form von TPP1 und soll das fehlende Enzym ersetzen. Die Empfehlung zur Zulassung basiert unter anderem auf einer einarmigen, offenen Phase-I/II-Studie mit 24 Kindern im Alter zwischen drei und acht Jahren. In der Untersuchung erreichten 20 der 23 Patienten entweder eine langsamere als erwartete Progression der Erkrankung, eine Stabilisierung des Fortschreitens der Erkrankung oder eine Verbesserung ihrer motorischen und sprachlichen Fähigkeiten. Dies wurde als eine signifikante therapeutische Wirkung gewertet. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Fieber, Erbrechen und Überempfindlichkeit. /

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