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Lyse plus Katheter ist neuer Standard beim Schlaganfall

19.04.2016  16:00 Uhr

Von Annette Mende / Bei Patienten mit einem akuten ischämischen Schlaganfall soll der Thrombus nicht nur möglichst rasch durch eine Lysetherapie aufgelöst, sondern zusätzlich über einen Katheter herausgezogen werden.

 

So empfiehlt es eine Ergänzung der entsprechenden Leitlinie, die mehrere neurologische Fachgesellschaften jetzt vorgelegt haben. Das ist neu – bisher war die alleinige Lysetherapie seit vielen Jahren etablierter Standard. Die Veröffentlichung mehrerer Studien, deren Ergebnisse den Vorteil für die Patienten durch die zusätzliche Katheterbehandlung eindeutig belegen, gab jetzt den Ausschlag für die Ergänzung.

 

Mechanische Thrombektomie heißt das Verfahren, bei dem Neuroradio­logen von der Leiste aus einen Katheter bis an die Stelle im Gehirn schieben, wo das Blutgerinnsel eine Arterie verstopft. Der Thrombus wird durchbohrt, mit einem drahtkäfigartigen Stent umschlossen und mit diesem zusammen über den Katheter abgesaugt. Mit dieser Methode lässt sich in fast 90 Prozent der Fälle das Gefäß wieder eröffnen.

 

Unabhängig von Patientencharakteristika wie Alter oder zwischen dem Einsetzen der Symptome und dem Therapiestart verstrichenem Zeitraum profitieren die meisten Patienten von dieser Behandlung, indem ihnen schwerwiegende Behinderungen durch den Schlaganfall erspart bleiben. Das belegt eine kürzlich im Fachmagazin »The Lancet« erschienene Metaanalyse von fünf Studien (DOI: 10.1016/S0140-6736 (16)00163-X). Die Erfolgsquote der alleinigen Lyse mit Alteplase (recombinant tissue plasmonigen activator, rt-PA) liegt mit 50 bis 60 Prozent dagegen deutlich niedriger.

 

»Drip and ship«

 

Derzeit ist die mechanische Thrombektomie nur in bestimmten Kliniken in Deutschland möglich. Patienten, die nicht sofort in einem dieser Zentren behandelt werden können, sollen daher zunächst in der nächstgelegenen Schlaganfall-Einheit (Stroke Unit) versorgt werden. Dort wird unverzüglich mit der Lysetherapie begonnen und der Patient dann, wenn nötig und möglich, in die nächste Klinik mit entsprechend ausgestattetem Katheterlabor transportiert. »Drip and ship« nennen Ärzte dieses Vorgehen – »an den Tropf hängen und transportieren« –, bei dem die überwiesenen Patienten eine vergleichbar hohe Überlebensrate haben wie direkt behandelte. Es ist neben dem viel zitierten »time is brain« der zweite Anglizismus, den man sich im Zusammenhang mit dem akuten Schlaganfall merken sollte. /

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