»Dagegen werden wir Sturm laufen« |
20.04.2016 10:28 Uhr |
Von Christina Müller, Berlin / Der Pharmaindustrie ist der Abschlussbericht des Pharmadialogs in vielen Punkten zu schwammig. Und auch die Krankenkassen sind mit den Ergebnissen unzufrieden und protestieren heftig gegen manche geplante Neuerung. Das wurde am Donnerstag auf dem Unternehmertag des Bundesverbands der pharmazeutischen Industrie (BPI) deutlich.
»Wir hätten uns einige Formulierungen etwas konkreter gewünscht«, sagte der BPI-Vorsitzende Martin Zentgraf in Berlin. Zwar betonte er die gegenseitige Wertschätzung und den vertrauensvollen Umgang der Dialogpartner untereinander. Gleichzeitig stellte er klar, dass ihm der Appellcharakter des Berichts nicht weit genug geht. Er forderte klare Regelungen und Gesetze, etwa mit Blick auf die Preisverhandlungen der Hersteller mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) oder die Förderung von Arzneimittelinnovationen für besondere Personengruppen wie Kinder oder chronisch kranke Menschen.
Auf dem BPI-Unternehmertag diskutierten Professor Tom Stargardt (Universität Hamburg), Sibylle Steiner (Kassenärztliche Bundesvereinigung), Moderator Ulrich Tilly, Johann-Magnus von Stackelberg (GKV-Spitzenverband) und Martin Zentgraf (BPI) über die Ergebnisse des Pharmadialogs.
Foto: BPI/Christian Kruppa
BMG lobt Pharmaindustrie
Aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gab es im Nachgang viel Lob für die Kooperationsbereitschaft der Pharmaindustrie. »Trotz der unterschiedlichen Interessen haben wir im Laufe der Gespräche eine vertrauensvolle Basis gefunden«, sagte Staatssekretär Lutz Stroppe. Aus der Sicht des BMG sind die Ergebnisse des Pharmadialogs ein voller Erfolg. Gemeinsam sei man dem Ziel, den Pharmastandort Deutschland zu stärken, ein Stück näher gekommen.
Ein Punkt habe dem Ministerium besonders am Herzen gelegen: Die Entwicklung neuer Antibiotika zu fördern und Resistenzentwicklungen durch einen gezielteren Einsatz der Mittel entgegenzuwirken. »Wir werden gemeinsam mit anderen Ländern und der Weltgesundheitsorganisation WHO eine Liste wichtiger Erreger und Resistenzen erarbeiten«, so Stroppe. Anhand dieser Liste will das BMG die Forschung und den Einsatz von Antibiotika besser auf den tatsächlichen Bedarf abstimmen.
Zudem ist geplant, die strengen Wirtschaftlichkeitsregeln des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) bei Antibiotika etwas zu entschärfen. Der Gemeinsame Bundesausschuss soll die Möglichkeit erhalten, antimikrobielle Wirkstoffe, die als Reserveantibiotika für die Versorgung von besonderer Bedeutung sind, von der Einordnung in eine Festbetragsgruppe freizustellen.
Stroppe hofft, mit diesem Anreiz die pharmazeutischen Unternehmen zu mehr Forschung auf dem Gebiet anregen zu können. »Bei der Entwicklung neuer Antibiotika kann Deutschland seine ganze Innovationskraft einbringen und eine Vorreiterrolle einnehmen.«
GKV will nachbessern
Doch nicht alle sind von den Resultaten des Pharmadialogs so überzeugt wie Stroppe. Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbands, stößt vor allem ein Punkt sauer auf: Das BMG will die Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung künftig so aufbereiten, dass sie Ärzten leichter und schneller zugänglich sind. Dazu soll ein spezielles Arztinformationssystem konzipiert werden – »unter Hinzuziehung der Dialogpartner«, so der Wortlaut des Abschlussberichts. »Das würde bedeuten, dass die pharmazeutische Industrie Informationen zu ihren eigenen Produkten für Mediziner selektiert und zusammenstellt«, fasste von Stackelberg zusammen. »Gegen so ein industrienahes System werden wir Sturm laufen.« /