Firmen müssen sich in Geduld üben |
20.04.2010 15:04 Uhr |
Von Werner Kurzlechner, Berlin / Der BVMed hat seinen Vorsitzenden bestätigt und ist froh über die Bekenntnisse der Bundesregierung zur Stärkung des Wettbewerbs im Gesundheitswesen. Trotzdem brauchen die Medizintechnik-Firmen Geduld, weil Röslers Ministerium erst dringendere Probleme anpacken will.
Wenn eine neue Regierung antritt, verschieben sich die Frontlinien. Und man merkt auf, wenn Vertreter der neuen Führungsriege deren Verlauf in scharfen Konturen zeichnen. So wie es vergangene Woche in der Mitgliederversammlung des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed) Stefan Kapferer tat, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium (BMG) und schon im niedersächsischen Wirtschaftsministerium Gefolgsmann von Minister Philipp Rösler (FDP).
Kapferer nannte stellvertretend die Namen zweier Kassenchefs: Professor Norbert Klusen von der Techniker Krankenkasse und Birgit Fischer von der Barmer GEK.
Seitenhiebe ausgeteilt
Der Staatssekretär legte dar, dass Frau Fischer für die Mehrheit der Kassen stehe, die sich behaglich im Status quo eingerichtet hätten und den Absichten seines Hauses widerwillig gegenüberstünden. Klusen hingegen repräsentiert die löbliche Ausnahme einer Kasse, die sich verändert habe und dem Wettbewerb stelle. Kapferer ließ keinen Zweifel daran, dass sein Haus den Wettbewerb unter den Kassen weiter schüren will. Einen weiteren Seitenhieb hatte der Staatssekretär für jenen »Vertreter der Ärzteschaft« parat, der Rationierung und Priorisierung in der Versorgung »beinahe im Wochenrhythmus thematisiere« – also Bundesärztekammerpräsident Professor Jörg-Dietrich Hoppe. Die Gegner derartiger Pläne dürfte Kapferers klares Bekenntnis hingegen beruhigen. »Wir sind nicht bereit, über Rationierung und Priorisierung zu diskutieren«, sagte Kapferer. Innovationen aus Pharmazie und Medizintechnologie sollen also weiterhin allen Patienten zur Verfügung stehen.
Dabei soll es auch keine Schlupflöcher für Eigenmächtigkeiten geben: »An dieser Stelle definiert die Politik den Handlungsspielraum der Beteiligten«, stellte der Staatssekretär klar. Die Einführung von Mehrkostenregelungen passt laut Kapferer hingegen ebenso in die von Wettbewerb und Wahlfreiheit geprägte Programmatik des liberalen Ministeriums wie die Rabattverträge für Generika. Diese seien »ein richtiges und wichtiges Instrument«.
Die gastgebenden Hersteller von Medizintechnologie um ihren wiedergewählten Verbandsvorsitzenden Dr. Meinrad Lugan dürfen das Ministerium prinzipiell auf ihrer Seite wähnen, ohne jedoch eine rasche Erfüllung aller ihrer Forderungen erwarten zu dürfen. Kapferer erklärte die Bundesregierungen zwar zu einem entschiedenen Förderer der Gesundheitswirtschaft. Er ließ sogar durchblicken, dass ein enges Miteinander der durchweg FDP-geführten Ministerien für Gesundheit, Wirtschaft und wirtschaftliche Zusammenarbeit bei der Förderung von ökonomischer Entwicklung und Exportchancen für die Branche angedacht sei. Im Hinblick auf konkrete Einzelfragen verwies Kapferer aber auf den von klaren Prioritäten geprägten Zeitplan in der Gesundheitspolitik.
Erst einmal gelte es, die Themen Arzneimittelmarkt, Sicherstellung der ärztlichen Versorgung und Kopfpauschale abzuarbeiten. Von Herbst an seien dann weniger dringliche Probleme wie die Pflegeversicherung anzupacken. Alles in allem sei man ja immerhin bis 2013 am Ruder.
Keine Wunderdinge nötig
Aus BVMed-Sicht dürfte trotzdem Lugans Erinnerung nicht geschadet haben, dass die Branche gar keine utopischen Wunderdinge benötigt. »Wir erwarten lediglich die Umsetzung dessen, was im Koalitionsvertrag steht«, sagte Lugan. Allen voran müssten medizintechnische Innovationen im Krankenhaus weiterhin ungehindert eingeführt werden können. »Das bedeutet die generelle Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt zur Einführung einer Innovation«, sagte der BVMed-Chef.
Ein Ansinnen der Branche ist es, dass eine vergleichbare Regelung auch in der ambulanten Versorgung eingeführt wird. Ferner plädierte Lugan für eine Vereinfachung und Entbürokratisierung bei der Vergütung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Kapferers Bekenntnis zu mehr Wettbewerb der Kassen stieß in der Versammlung insgesamt auf Beifall. Zeit für vertiefte Diskussionen blieb dann ohnehin nicht mehr. Der Staatssekretär musste für seinen Chef bei einem anderen Termin einspringen. Philipp Rösler saß in Düsseldorf fest, nachdem wegen des Vulkanausbruchs in Island der Flugverkehr zusammengebrochen war. /