Dies ist ein Beitrag aus unserem Archiv. Die Inhalte sind unter Umständen veraltet. Aktuelle Informationen zum Thema finden Sie auf unserer Themenseite Urin.
Was der Urin verrät |
10.04.2017 14:21 Uhr |
Dies ist ein Beitrag aus unserem Archiv. Die Inhalte sind unter Umständen veraltet. Aktuelle Informationen zum Thema finden Sie auf unserer Themenseite Urin.
Von Falko Strotmann / Eine schnelle Analytik aus leicht zu gewinnendem Probenmaterial: Das bietet die Urindiagnostik mittels Teststreifen. Sie eignet sich zum Screening, kann auf manche Erkrankungen bereits in einem frühen Stadium hinweisen oder die Verlaufskontrolle erleichtern. Ein wichtiger Einsatzbereich ist auch der Drogennachweis.
Für viele Messungen mit Schnelltests reicht der sogenannte Spontanurin, der zu jeder Tageszeit als Mittelstrahlurin gewonnen werden kann. Der Begriff bezeichnet die Sammeltechnik, jede Urinprobe kann also als Mittelstrahlurin gesammelt werden. Dabei wird ein steriles Sammelgefäß während des Harnlassens – ohne zu unterbrechen – kurz in den Strahl gehalten. Die erste Fraktion, die Keime enthalten kann, sowie die letzte Fraktion, die verdünnt sein kann, werden verworfen. Aufgrund der Kontamination mit Blut sollte man von einer Urinuntersuchung während oder kurz nach der Menstruation absehen.
Der gewonnene Urin sollte zeitnah untersucht werden. Ist das nicht möglich, ist er wegen der Lichtempfindlichkeit einiger Analyten dunkel und dicht verschlossen zu lagern und zu transportieren. Direkte Sonneneinstrahlung und Wärme sind zu vermeiden, da sich die Zusammensetzung der Probe verändert. Keime vermehren sich und bauen Albumin, Glucose und Harnstoff ab, Zellen wie Erythrozyten und Leukozyten lysieren. Urin kann ohne Weiteres vorübergehend bei 4 °C im Kühlschrank aufbewahrt und kurz vor der Analyse wieder auf Raumtemperatur gebracht werden.
Teststreifen müssen dicht verschlossen in ihrem Originalbehältnis und vor Sonnenlicht, Feuchtigkeit, Hitze und Kälte geschützt gelagert werden. Nicht im Kühlschrank! Nach Ablauf des Verfalldatums sowie bei sichtbaren Veränderungen wie Verfärbungen dürfen sie nicht mehr verwendet werden.
Urin durch Schwenken vorsichtig durchmischen und gekühlten Urin wieder auf Raumtemperatur bringen. Nicht zentrifugieren.
Teststreifen kurz in den Urin eintauchen, sodass alle Testfelder benetzt werden. Anweisungen des Herstellers beachten, da der Teststreifen meist nur wenige Sekunden eingetaucht werden darf.
Teststreifen am Rand des Röhrchens vorsichtig abstreifen und überschüssigen Urin abtropfen lassen. Teststreifen waagerecht auf ein saugfähiges Papiertuch legen. Dadurch wird ein Vermischen der Reagenzien vermieden.
Fotos: MVZ Dr. Eberhard & Partner, Dortmund
Empfohlene Ablesezeiten des Herstellers unbedingt beachten! Das Testfeld für Leukozyten wird normalerweise nach 60 bis 120 Sekunden, die restlichen Testfelder nach 60 Sekunden abgelesen. Alle später eintretenden Farbänderungen dürfen nicht mehr berücksichtigt werden. Auf ausreichende Lichtverhältnisse (optimal: Tageslicht) achten. Zur Auswertung den Testreifen an die entsprechende Markierung auf dem Behältnis halten und die Farbänderungen mithilfe der Referenzskala ablesen.
Urin korrekt sammeln
Der erste Morgenurin eignet sich vor allem für gering konzentrierte Analyten, da diese durch die längere nächtliche Verweildauer in der Blase akkumulieren. Daher sollten Frauen für einen Schwangerschaftstests bevorzugt den ersten Morgenurin verwenden.
Beim 24-Stunden-Sammelurin wird der Urin genau einen Tag lang gesammelt. Diese Probe wird beispielsweise für eine weitergehende Analytik benötigt, wenn der Analyt eine ausgeprägte circadiane Rhythmik aufweist, die sich mit einem Spontanurin nicht erfassen lässt. Gleichzeitig werden Schwankungen in der Diurese ausgeglichen. Die Sammelperiode beginnt morgens nach dem Entleeren der Blase und Verwerfen des ersten Morgenurins und endet mit dem ersten Morgenurin des nächsten Tages, der dann aber gesammelt wird. Dies erfolgt in einen speziellen Sammelbehälter zusammen mit einer geringen Menge Salzsäure zur Stabilisierung empfindlicher Parameter.
Bei immobilisierten oder hospitalisierten Patienten spricht nichts dagegen, den 24-h-Sammelurin in Katheterbeuteln aufzufangen und anschließend zu vereinigen.
Makroskopische Beurteilung
Bereit für die Analyse: Urin-Sammelbecher und -röhrchen
Foto: MVZ Dr. Eberhard & Partner, Dortmund
Normaler, frischer Urin ist üblicherweise nahezu geruchlos und klar und erscheint durch farbige Abbauprodukte des Hämoglobins, die Urochrome, schwach gelb bis bernsteinfarben. Abnorme Trübungen und Schlieren können auf organische Bestandteile wie Zellen oder Mikroorganismen hinweisen. Ein stark schäumender Urin ist durch einen pathologisch erhöhten Proteingehalt (Proteinurie) bedingt.
Abweichungen der normalen Urinfarbe können bereits erste Hinweise auf ein Krankheitsgeschehen liefern. Ein blaugrüner oder schwach rosafarbener Urin ist gelegentlich durch Harnwegsinfektionen (Keime der Gattungen Pseudomonas und Klebsiella) bedingt. Die Melanurie, eine braunschwarze Verfärbung des Harns durch Oxidation von Melaninvorstufen bei metastasierten malignen Melanomen (schwarzer Hautkrebs), ist eher selten.
Eine untypische Urinfarbe kann auch harmlose Gründe haben: Der Verzehr größerer Mengen von Vitamin B oder β-Carotin enthaltenden Lebensmitteln (Himbeeren, rote Bete, Rhabarber, Möhren) ruft eine gelbliche bis rötliche Verfärbung hervor.
Viele Arzneistoffe können einen Farbumschlag bewirken. Darauf sollte der Apotheker hinweisen, um einer Verunsicherung des Patienten vorzubeugen. Die Farbtöne reichen von gelblich-braun (α-Methyldopa), rot bis rotbraun (Phenytoin, Sulfamethoxazol, Phenothiazine, Rifampicin) zu schwarz (Levodopa, Metronidazol) und sogar blau (Triamteren, Propofol) und grün (Amitriptylin, Indometacin).
Einfache Diagnostik mit Urinteststreifen
Die chemische Untersuchung des Urins in der Routine erfolgt üblicherweise mit Mehrparameter-Harnteststreifen. Vorteile sind einfache Handhabung ohne Laborgeräte, standardisierte sofort ablesbare Resultate bei geringem Arbeitsaufwand und gute Haltbarkeit der Streifen durch den Einsatz von Trockenreagenzien. Teststreifen liefern unmittelbar erste Informationen über den Gesundheitszustand des Patienten.
Auf einen stabilen Plastikstreifen sind je nach Ausführung mehrere saugfähige Testfelder aufgebracht. Die Analyten werden durch eine spezifische chemische Reaktion mit einem der Parameterkonzentration proportionalen Farbumschlag der Testfelder nachgewiesen. Die Ergebnisbewertung erfolgt anhand des Vergleichs mit der auf dem Aufbewahrungsbehältnis aufgedruckten Farbskala. Folgende Parameter finden sich in unterschiedlicher Kombination auf Urinteststreifen:
Die Teststreifen liefern den »Urinstatus« in Form von qualitativen oder semiquantitativen Ergebnissen. Sie haben damit ihre wesentliche Bedeutung in der orientierenden Vordiagnostik und dienen als Ausgangspunkt für die weiterführende Diagnostik mit mikroskopischen, bakteriologischen oder klinisch-chemischen Analysen des Urins.
Die Urindiagnostik hat ihren festen Platz in der Früherkennung (Screening) von Erkrankungen der Nieren und Harnwege, der Leber, des Herz-Kreislauf-Systems und Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels. Die regelmäßige Verlaufskontrolle kann beispielsweise den Typ-I-Diabetiker dabei unterstützen, Veränderungen im metabolischen Status rechtzeitig zu erkennen und darauf reagieren zu können. Bluthochdruck-Patienten mit einem erhöhten Risiko für Nierenschäden profitieren von einer frühzeitigen Erkennung einer Mikroalbuminurie. Welche Informationen liefern die einzelnen Testfelder, und welche Störfaktoren gibt es?
Spezifisches Gewicht
Das spezifische Gewicht (Dichte) des Urins gibt Auskunft über die Ausscheidung gelöster Bestandteile und dient als Maß für die Aufkonzentrierungsfähigkeit der Niere.
Obwohl das spezifische Gewicht eine physikalische Größe ist, kann es chemisch abschätzt werden. Das Reaktionsfeld des Teststreifens enthält einen Polyelektrolyten, an dem die im Urin gelösten Kationen gegen Protonen ausgetauscht werden. Die verdrängten Protonen reagieren anschließend mit einem Bromthymolblau-Indikator und bewirken durch die pH-Änderung einen Farbumschlag von Blaugrün zu Gelbgrün. Nicht-ionisierte Bestandteile wie Glucose, Proteine oder Harnstoff werden allerdings nicht korrekt erfasst.
Das spezifische Gewicht von Urin liegt normalerweise zwischen 1,010 und 1,025 g/l, schwankt aber erheblich. Es sollte bei der Beurteilung aller übrigen Testfelder berücksichtigt werden, um eine Fehlinterpretation infolge einer zu hohen oder zu geringen Harnkonzentration zu vermeiden.
pH-Wert
Der pH-Wert des Urins schwankt täglich etwa zwischen 4,6 und 7,5. Daher hat eine einzelne pH-Messung im Spontanurin nur eine eingeschränkte Aussagekraft. Eine besonders eiweißreiche Ernährung macht den Urin sauer, während viel Gemüse den pH-Wert in den alkalischen Bereich verschiebt. Ein dauerhaft auffälliger pH-Wert kann auf einen gestörten Säure-Basen-Haushalt hinweisen, ein wiederholt alkalischer pH-Wert ist verdächtig für einen Harnwegsinfekt.
Im Testfeld kann der pH-Bereich von 5 bis 9 durch die Mischung der Indikatorfarbstoffe Methylrot, Bromthymolblau und Phenolphthalein von Orange (sauer) über Gelb nach Grün und Blau (basisch) dargestellt werden.
Nitrit bei Harnwegsinfekt
Nitrit, Blut und Proteinurie im Harn: Mittels Teststreifen lässt sich ein Harnwegsinfekt rasch erkennen
Foto: Shutterstock/Speedkingz
Nitrit ist im Urin physiologisch nicht nachweisbar. Etliche gramnegative Bakterien können jedoch im Urin enthaltenes Nitrat zu Nitrit reduzieren. Hierzu zählen neben Escherichia coli auch die Gattungen Proteus, Klebsiella und Citrobacter, die häufigsten Erreger von Harnwegsinfektionen. Ein positives Nitrit-Testfeld weist somit immer auf einen bakteriellen Harnwegsinfekt (Urethritis), eine Blasenentzündung (Zystitis) oder Nierenbeckenentzündung (Pyelonephritis) hin.
Umgekehrt schließt ein negativer Nitritnachweis einen bakteriellen Infekt nicht aus, da Staphylokokken, Enterokokken, Pseudomonaden und Gonokokken ebenfalls entsprechende Infektionen hervorrufen, aber kein oder nur wenig Nitrit bilden. Unter einer begonnenen Antibiotikatherapie kann die Keimzahl bereits so stark reduziert sein, dass der Nitritnachweis negativ ausfällt.
Im Testfeld reagiert das Nitrit im Urin im sauren Milieu mit Sulfanilamid zu einer Diazonium-Zwischenstufe und über eine Kupplungsreaktion mit 1,2,3,4-Tetrahydrobenzochinolin-3-ol weiter zu einem roten Diazo-Farbstoff, der das weiße Testfeld rosa färbt (Abbildung 1). Eine weitere Farbabstufung erfolgt nicht, jede Rosafärbung gilt als positiv (qualitativer Nachweis).
Protein als unspezifischer Parameter
Das Testfeld für Protein erfasst nicht den gesamten Proteingehalt, sondern reagiert fast ausschließlich auf Albumin. Glykoproteine, intakte Immunglobuline sowie die beim multiplen Myelom hochkonzentriert ausgeschiedenen niedermolekularen Immunglobulin-Leichtketten (Bence-Jones-Proteine) werden nicht erfasst. Als obere Grenze der physiologischen Proteinausscheidung werden 150 mg bei Gesunden und bis 300 mg pro Tag bei Schwangeren für das Gesamteiweiß und 30 mg pro Tag für Albumin angesehen. Eine höhere Ausscheidung wird als Proteinurie bezeichnet. Eine vorübergehende Proteinurie durch starke körperliche Anstrengung, Schwangerschaft oder Fieber ist klinisch nicht relevant. Hingegen ist eine dauerhaft erhöhte Proteinurie ein wichtiges, wenn auch unspezifisches Zeichen für eine Erkrankung der Nieren und ableitenden Harnwege.
Tauchen Erythrozyten im Harn auf, ist das nie banal.
Foto: Your Photo Today
Während der sogenannte Eiweißfehler von pH-Indikatoren an anderer Stelle Kopfzerbrechen bereitet, wird er zum Nachweis von Protein per Teststreifen sogar aktiv ausgenutzt. Der Eiweißfehler beruht darauf, dass in einem bestimmten pH-Bereich die freien Aminogruppen des Proteins direkt mit dem Indikator Tetrabromphenolblau reagieren und ihm Protonen entziehen. Die auftretende Farbänderung von Grün nach Gelb suggeriert eine in der Lösung so nicht stattfindende pH-Wert-Änderung, kann aber zur semi-quantitativen Bestimmung der Proteinkonzentration verwendet werden.
Zur Früherkennung einer beginnenden Nierenschädigung bei Risikopatienten, zum Beispiel mit Diabetes und Hypertonie, hat sich die sensitive Messung von Albumin im Urin als besonders aussagekräftig erwiesen. Als wichtigster früher Indikator für eine Nephropathie gilt heute die Mikroalbuminurie mit einer dauerhaft leicht erhöhten Ausscheidung bis 200 mg/l Albumin.
Herkömmliche Teststreifen erfassen Albumin erst ab 150 bis 300 mg/l. Urinalbuminkonzentrationen unter 150 mg/l liegen damit unter der Nachweisgrenze, sodass sie das Erfassen einer Mikroalbuminurie nicht erlauben. Daher sollten Risikopatienten bei negativem Resultat zusätzlich mit einem geeigneten Test auf Mikroalbuminurie getestet werden. Eine Nephropathie im frühen Stadium kann durch eine medikamentöse Therapie, zum Beispiel mit ACE-Hemmern, aufgehalten oder wesentlich verzögert werden.
Warnzeichen Erythrozyten und Hämoglobin
Viel zu oft wird Blut im Urin (Hämaturie) als banales Symptom einer Harnwegsinfektion abgetan. Doch spätestens wenn der Patient die Blutbeimengung mit bloßem Auge (Makrohämaturie, sichtbar ab etwa 1 ml Blut je Liter Urin) durch eine rote Verfärbung bemerkt, sollte er umgehend einen Arzt aufsuchen. Hinter einer Hämaturie können sich verschiedene urologische und internistische Erkrankungen verbergen. Ursachen sind meist Läsionen der Harnwege, der Prostata und der Nieren durch Steine, Tumoren und Entzündungen.
Im Gegensatz zu Makrohämaturie ist eine Mikrohämaturie nur mikroskopisch oder per Teststreifen nachweisbar. Der Teststreifen kann 10 Erythrozyten/µl nachweisen, entsprechend 1 µl Blut oder 0,15 mg freiem Hämoglobin je Liter Urin. Das Testfeld findet mit gleicher Empfindlichkeit Erythrozyten, freies Hämoglobin (nach Lyse der Erythrozyten) und Myoglobin (nach Muskelverletzungen).
Der Nachweis beruht auf der Pseudoperoxidase-Aktivität des Hämo- und Myoglobins. Die Oxidation eines Farbindikators durch ein organisches Hydroperoxid bewirkt einen Farbumschlag von Orange nach Grün. Intakte Erythrozyten erscheinen im Testfeld als vereinzelte grüne Punkte.
Vorsicht Interaktion: Ascorbinsäure stört durch seine antioxidativen Eigenschaften die chemischen Reaktionen auf verschiedenen Testfeldern. Viele Hersteller werben mit einer zuverlässigen Entstörung ihrer Teststreifen gegenüber Ascorbinsäure.
Foto: Shutterstock/Petechara Charong
Leukozyten zeigen Infektion an
Das Auftreten von Leukozyten im Urin (Leukozyturie) ist ein Leitsymptom entzündlicher Erkrankungen der ableitenden Harnwege, der Genitalien und der Nieren. Hierzu zählen Infektionen durch Bakterien, Viren, Parasiten und Hefen, aber auch die Analgetika-Nephropathie, Intoxikationen oder Tumore. Ein positiver Leukozyten-Nachweis tritt daher oft zusammen mit Blut, Proteinurie, Nitrit und hohem pH-Wert auf.
Im Urin ausgeschiedene Leukozyten sind nahezu ausschließlich Granulozyten, deren Enzymaktivität spezifisch erfasst wird. Die zellulären Esterasen katalysieren die Hydrolyse eines Indoxylesters, das freigesetzte Indoxyl reagiert mit einem Diazoniumsalz weiter zu einem violetten Farbstoff. Zahlreiche Antibiotika wie Nitrofurantoin, Imipenem und Meropenem, Tetracyclin, Cephalexin, Gentamicin sowie der ß-Lactamase-Hemmstoff Clavulansäure verfälschen die Reaktion.
Glucose zur Überwachung des Diabetes
Die Messung der Glucose im Urin bietet in erster Linie eine einfache Methode der Überwachung des Diabetes mellitus. Beim Gesunden wird Glucose glomerulär filtriert und nahezu vollständig im Tubulus rückresorbiert. Erst bei Überschreiten der Nierenschwelle, das heißt der Rückresorptionskapazität der Nieren (> 180 mg/dl), tritt Glucose im Urin auf (Glucosurie). Da die Nierenschwelle individuell verschieden ist, darf vom Uringlucosewert keinesfalls auf den Blutzuckerspiegel geschlossen werden. Aufgrund der inzwischen sehr präzisen und verfügbaren Blutzuckerbestimmung aus Kapillarblut hat der Glucosenachweis im Urin nur noch eine untergeordnete Bedeutung.
Der Nachweis beruht auf folgender Reaktion: Die Glucoseoxidase katalysiert im ersten Schritt spezifisch die Bildung von Gluconolacton und Wasserstoffperoxid aus Glucose. Mithilfe des entstandenen Wasserstoffperoxids oxidiert eine Peroxidase den Indikator 3,3',5,5'-Tetramethylbenzidin zu einem blauen Farbstoff, der semiquantitativ erfasst wird (Abbildung 2).
Ketone entstehen bei Stoffwechselentgleisung
Ketonkörper wie Acetessigsäure, ß-Hydroxybuttersäure und Aceton entstehen durch einen erhöhten Fettabbau (Lipolyse) infolge einer unzureichenden Kohlenhydratzufuhr und werden renal ausgeschieden (Ketonurie). Eine isolierte Ketonurie findet sich bei Mangelernährung, Fasten oder besonders protein- und fettreicher Kost, zum Beispiel ketogener Diät.
Beim absoluten Insulinmangel des Typ-I-Diabetikers zeigen Ketone bei gleichzeitiger Glucosurie eine akute Stoffwechselentgleisung an und erfordern eine sofortige Insulingabe. Andernfalls droht aufgrund des Säurecharakters der Ketone (pH-Testfeld beachten!) eine metabolische Ketoazidose mit einer Übersäuerung des Blutes und Elektrolytverschiebungen sowie der Gefahr eines diabetischen Komas.
Der Nachweis basiert auf der Legalschen Probe, bei der Aceton und Acetoessigsäure mit Nitroprussid-Natrium zu einem violett gefärbten Komplex reagieren. Arzneistoffe mit Sulfhydryl-Gruppen, zum Beispiel Captopril und N-Acetylcystein, sowie L-Dopa-Metabolite stören die Reaktion.
Bilirubin und Urobilinogen bei Leberleiden
Bilirubin und Urobilinogen entstehen beim Abbau von Hämoglobin. Bilirubin wird in der Leber durch Verknüpfung mit Glucuronsäure in die wasserlösliche konjugierte Form überführt und über Niere und Darm ausgeschieden. Im Darm erfolgt die Umwandlung in Urobilinogen, das über einen enterohepatischen Kreislauf teils rückresorbiert wird. Erst bei sehr hohen Spiegeln wird Urobilinogen auch renal ausgeschieden.
Erhöhte Werte weisen immer auf akute und chronische Erkrankungen sowie Funktionsstörungen der Leber hin, zum Beispiel Virushepatitis, Zirrhose, toxische Schädigung und Verschluss der Gallengänge. Bei einem gesteigerten Abbau von Erythrozyten (hämolytische Anämie) mit vermehrter Hämoglobinfreisetzung findet man ebenfalls erhöhte Bilirubinwerte.
Konjugiertes Bilirubin koppelt mit diazotiertem Dichloranilin zu abgestuft gefärbtem Azobilirubin. Urobilinogen reagiert in einer modifizierten Ehrlich-Reaktion mit p-Dimethylaminobenzaldehyd und Säure zu einem rosaroten Farbstoff. Arzneistoffe wie p-Aminosalicylsäure und Sulfonylharnstoffe werden aufgrund ihrer Struktur miterfasst und liefern ein falsch-positives Resultat.
Ein positiver Drogennachweis kann weitreichende Folgen haben. Nicht zuletzt aus rechtlichen Gründen muss sichergestellt sein, dass die erhaltene Probe auch wirklich vom Verdächtigen stammt und nicht manipuliert wurde. Es ist daher ratsam, die Uringewinnung von einer Aufsichtsperson kontrollieren zu lassen.
Der Internethandel stellt Drogenkonsumenten inzwischen ein regelrechtes Sortiment an technischen Hilfsmitteln zum Betrug zur Verfügung: vom synthetischen Urin samt Harnstoff bis zum unechten Penis mit am Körper zu befestigendem beheizten Urinreservoir. Zugesetzte Substanzen wie Säuren, Detergenzien oder Wasserstoffperoxid sollen die chemische Reaktion der Tests stören. Die Einnahme von Diuretika soll den Urin stark verdünnen und so den Analyten unter die Nachweisgrenze drücken. Zeitgleich eingenommene B-Vitamine geben dem verdünnten hellen Urin seine gelbliche Farbe zurück.
Teilweise wurden statt Urin auch schon völlig andere Flüssigkeiten wie verdünnter Apfelsaft oder Tee abgegeben. Neben der einfachen Überprüfung der Temperatur der Urinprobe helfen bei Bedenken zusätzlich das spezifische Gewicht und der pH-Wert weiter. Im klinisch-chemischen Labor kann außerdem der Gehalt an Harnstoff und Kreatinin überprüft und so die Echtheit der Probe bestätigt oder ausgeschlossen werden.
Drogenscreening im Urin
Ein weiterer wichtiger Einsatzbereich für Urin-Schnelltests ist der Nachweis von Drogen und missbräuchlich eingenommenen Arzneistoffen. Immunchemische Schnelltests in Form von Teststreifen oder Testkarten, auf die der Urin getropft wird, ermöglichen die Untersuchung auf Amphetamine, Barbiturate, Benzodiazepine, Cannabinoide, Carbamazepin, Cocain, LSD, Methadon, Opiate und trizyklische Antidepressiva. Einrichtungen wie die Polizei, Justizvollzugsanstalten, Psychiatrien und Apotheken können so mit wenig instrumentellem Aufwand ein Drogenscreening durchführen. In Krankenhäusern liefert der Schnelltest bei toxikologischen Notfällen die für eine Therapieeinleitung erforderliche vorläufige Orientierung mit Angabe der relevanten Substanzgruppen. Natürlich muss sichergestellt sein, dass die Probe vom Verdächtigen stammt und wirklich Urin ist (Kasten).
Anders als im Blut findet man im Urin selten die Ursprungssubstanzen, sondern einen oder mehrere Metaboliten, die identifiziert werden müssen. Beispiele sind das 6-Acetylmorphin aus Heroin, das Benzoylecgonin aus Cocain und EDDP (2-Ethylidin-1,5-dimethyl-3,3-diphenylpyrrolidin) als primärer Metabolit des synthetischen Opioids Methadon.
Schnelltests sind so konzipiert, dass sie nach dem Prinzip des Immunoassays mit gegen die gesuchte Substanz gerichteten Antikörpern entweder einzelne Substanzen oder Metaboliten detektieren oder eine ganze Substanzgruppe abdecken. Mit dieser Methode übersieht man zwar kaum noch Substanzen, allerdings »erkauft« man sich so auch eine höhere Rate an falsch-positiven Befunden, die weitreichende therapeutische und juristische Folgen haben können. Ein falsch-positives Resultat für Amphetamine wird nach Einnahme des Süßstoffs Cyclamat sowie bei überaltertem Probenmaterial beobachtet. Das als rezeptfreies Hypnotikum verwendete Antihistaminikum Diphenhydramin und Psychopharmaka aus der Gruppe der Phenothiazine können für falsch-positive Tests auf trizyklische Antidepressiva verantwortlich sein. Apotheker sollten ihre Patienten bei Bedarf darüber informieren, dass Codein-haltige Arzneimittel und sogar Mohnsamen aus der Nahrung einen positiven Nachweis auf Opioide ergeben.
Daher sollte unbedingt beachtet werden, dass Schnelltests nur ein vorläufiges Ergebnis liefern können. Toxikologische Fachgesellschaften und Testhersteller empfehlen, positive Ergebnisse im Immunoassay mit einer unabhängigen und hochspezifischen physikalisch-chemischen Bestätigungsanalyse abzusichern. Zum Einsatz kommen hauptsächlich die Gas- und Hochleistungsflüssigchromatografie in Kombination mit der Massenspektrometrie (GC/MS und LC/MS).
Falsch-negative Ergebnisse findet man vor allem bei Wirkstoffen wie Benzodiazepinen, die in Phase 2 der Biotransformation intensiv mit Sulfat, Acetylresten oder Glucuronsäure konjugiert werden. In dieser Form werden sie vom Antikörper nicht mehr ausreichend erkannt.
Wie lange Substanzen nachweisbar sind, hängt stark von deren Art und Menge und der Regelmäßigkeit ihrer Einnahme ab. THC-Carbonsäure, der im Urin nachweisbare Metabolit von Tetrahydrocannabinol aus Cannabis, ist beispielsweise nach einmaligem Konsum bis zu zwei Tage, bei chronischem Gebrauch dagegen bis zu 20 Tage bestimmbar. Barbiturate und Benzodiazepine mit besonders langer Halbwertszeit wie Phenobarbital und Flunitrazepam werden manchmal sogar noch nach mehreren Wochen aufgespürt. Nicht zuletzt wird die Nachweisbarkeit auch durch patientenindividuelle Faktoren wie Alter, Gewicht und Metabolisierungsrate beeinflusst. /
Falko Strotmann studierte Pharmazie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Nach Erhalt der Approbation 2007 begann er seine Dissertation am Institut für Biochemie und wurde 2011 promoviert. Parallel absolvierte er den Studiengang Chemie und schloss 2012 mit dem Master of Science ab. Nach einer labormedizinischen Tätigkeit im Bereich der Endokrinologie ist er heute im Medizinischen Versorgungszentrum Dr. Eberhard in der Klinischen Chemie beschäftigt.
Dr. Falko Strotmann
MVZ Dr. Eberhard & Partner
Brauhausstraße 4
44137 Dortmund
E-Mail: strotmann@labmed.de
Literatur