Die Spreu vom Weizen trennen |
09.04.2014 10:22 Uhr |
Von Ev Tebroke / Der wahre Nutzen eines Medikaments zeigt sich erst in der Versorgung. Die Techniker Krankenkasse (TK) fordert deshalb, neu zugelassene Arzneimittel auch einer Spätbewertung zu unterziehen. Ärzte sollten diese Bewertungen bei ihren Verordnungen berücksichtigen.
Auf dem Arzneimittelmarkt die Spreu vom Weizen trennen, das ist das selbsterklärte Ziel des TK-Innovationsreports 2014, den die Kasse vergangene Woche in Berlin vorgestellt hat. Die Ergebnisse sollen Transparenz schaffen und Ärzten so Orientierung bei den Verordnungen bieten. Für den Innovationsreport hat ein Team der Universität Bremen unter Leitung von Professor Gerd Glaeske alle 20 Arzneimittel untersucht, die 2011 auf den Markt gekommen sind.
Diese Medikamente, darunter vier im Bereich der Onkologie und drei zur Behandlung von Patienten mit Multipler Sklerose, hatten alle im Rahmen des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) eine frühe Nutzenbewertung durchlaufen. Laut Report wurden im Nachhinein insgesamt für sieben Wirkstoffe Rote-Hand-Briefe verschickt. Grundsätzlich hätten sich lediglich drei Wirkstoffe als innovativ erwiesen, bedeuten für den Patienten also einen therapeutischen Fortschritt. Sieben Wirkstoffe hingegen seien als nicht innovativ eingestuft worden, heißt es in der Studie.
»Eine einmalige Bewertung reicht im Grunde nicht aus«, kommentierte TK-Chef Jens Baas die Ergebnisse. »Was wir brauchen, sind Spätbewertungen.« Schließlich lägen zum Zeitpunkt der Markteinführung oftmals noch keine ausreichenden Daten vor, um die Frage nach dem therapeutischen Fortschritt der neuen Arzneimittel in der realen Versorgung abschließend zu beantworten. Das bestätigt auch Gesundheitsökonom Glaeske: »Viele Probleme sind bei der Zulassung eines Medikaments noch nicht erkennbar.« Der Report könne helfen, Innovationen zukünftig evidenzbasiert zu nutzen. Durch regelmäßige Spätbewertungen werde deutlich, wo Barrieren, wo Förderungs- oder Verbesserungsmöglichkeiten bestehen.
Orientierung für Ärzte
Der Innovationsreport, der nach 2013 nun zum zweiten Mal erschien, soll Ärzte in der Praxis darüber informieren, welche neuen Medikamente sich in der Versorgung tatsächlich durch einen realen Zusatznutzen auszeichnen. »Wir möchten vor allem Ärzten Orientierung geben, wie sie mit echten oder vermeintlichen Arzneimittel-Innovationen umgehen«, sagte Baas. Die Auswertungen des Reports zeigten, dass die Ergebnisse der AMNOG-Bewertungen heute noch nicht eins zu eins in der Versorgung ankommen. Beispielsweise werde der erste bewertete AMNOG-Wirkstoff Ticagrelor nach wie vor bei jedem dritten Patienten falsch eingesetzt. Das Medikament werde verordnet, obwohl für die zu behandelnde Krankheit keinerlei Zusatznutzen habe nachgewiesen werden können, so Baas. /