Kein Krebs durch Metallprothesen |
10.04.2012 14:41 Uhr |
Von Annette Mende / Hüftprothesen, bei denen Metall auf Metall reibt, erhöhen entgegen früherer Befürchtungen nicht das Krebsrisiko. Zumindest kurzfristig war in einer aktuellen Analyse im »British Medical Journal« kein Anstieg der Krebs-Neuerkrankungsraten feststellbar (doi: 10.1136/bmj.e2383).
Angesichts der langen Latenzzeit vieler Krebsarten war jedoch die Beobachtungszeit mit durchschnittlich drei und maximal sieben Jahren nach der Operation sehr kurz. Die Autoren um den Statistiker Alison Smith von der University of Bristol betonen daher, dass Langzeitstudien nötig sind, um das Risiko abschließend zu beurteilen.
Die sogenannten Metall-auf-Metall-(MoM)-Endoprothesen waren erst kürzlich in die Kritik geraten, als Wissenschaftler im Fachjournal »Lancet« ein Verbot der Produkte gefordert hatten (doi: 10.1016/S0140-6736(12)60353-5). Auslöser war eine Datenbankanalyse, die gezeigt hatte, dass nach Einsatz von MoM-Prothesen häufiger als bei anderen Varianten neue Hüftoperationen nötig wurden. Zudem bestand der Verdacht, dass der Metallabrieb aus den MoM-Prothesen ungünstige organische Folgen haben und sogar das Krebsrisiko erhöhen könnte.
Metall-auf-Metall-Hüftprothesen stehen im Verdacht, langfristig das Krebsrisiko zu erhöhen. Vorläufige Entwarnung geben jetzt die Ergebnisse einer britischen Studie.
Foto: dpa
Tatsächlich kommt es nach Hüftgelenkersatz zum Abrieb von Metallpartikeln, die beispielsweise in Knochenmark, Blut, Leber, Nieren und Blase nachweisbar sind. Der Metallanteil künstlicher Hüftgelenke besteht aus Legierungen, die hauptsächlich Cobalt, Chrom und Molybdän enthalten. Nicht immer reibt Metall auf Metall, die Kontaktfläche kann beispielsweise mit Keramik oder Polyethylen ausgekleidet sein. Kommt es zu Metallabrieb, können systemische Cobalt- und Chromkonzentrationen erreicht werden, die das Erbgut schädigen können. Eine hohe Belastung des Organismus mit Metallionen war in mehreren früheren Studien mit einem erhöhten Krebsrisiko assoziiert.
Ganz anders fiel das Ergebnis der vorliegenden Studie aus: Der Vergleich der Daten von mehr als 40 500 MoM-Prothesenträgern mit denen von knapp 249 000 Trägern anderer Implantate ergab keine erhöhte Krebsinzidenz in der MoM-Gruppe. Smith und Kollegen berechneten für einen 60-jährigen Mann nach Hüftgelenkersatz ein durchschnittlich 4,8-prozentiges Risiko, innerhalb der nächsten fünf Jahre an Krebs zu erkranken, wenn er eine MoM-Prothese erhalten hatte. Hatte die Prothese ein anderes Oberflächenmaterial, war das Risiko mit im Schnitt 6,7 Prozent sogar höher. Bei Frauen lagen beide Werte mit 3,1 Prozent (MoM-Prothesen) und 4,4 Prozent (andere Oberflächen) unter denen der Männer.
Die Befürchtung, dass MoM-Prothesen langfristig das Krebsrisiko erhöhen könnten, ist plausibel und wird durch diese Ergebnisse nicht entkräftet. Die Entwarnung hinsichtlich der Sicherheitsrisiken dieser Produkte kann daher nur eine vorläufige sein. /