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GKV

Zukunft des Systems ist strittig

06.04.2010  16:55 Uhr

Von Martina Janning, Berlin / Ob die Gesetzliche Krankenversicherung ein Ladenhüter oder ein Zukunftsmodell ist, ist unter Experten umstritten. Die einen wollen sie per Kopfpauschale verändern und die paritätische Finanzierung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern weiter aushebeln. Die anderen setzen auf Reformen des solidarischen Systems.

Die Zukunft der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist eines der heißesten Eisen derzeit, da war sich der Vorstandsvorsitzende der Innungskrankenkassen (IKK), Andreas Fabri, ganz sicher, als er eine IKK-Veranstaltung zum Thema in Berlin eröffnete.

Die Regierung wolle das bestehende System in eine Prämie überführen, doch schon kleine Veränderungen hätten Auswirkungen auf die Statik des Gebäudes, warnte er und markierte die Eckpunkte der Debatte: »Die Befürworter der Prämie betonen die niedrigeren Lohnnebenkosten« – da der Arbeitgeberanteil auf dem heutigen Niveau fixiert werden soll. »Die Gegner sehen die Aushöhlung der paritätischen Finanzierung, mit der das Ende der solidarischen Krankenversicherung eingeleitet wird.«

 

Warum nicht alles beim Alten bleiben kann, erläuterte Professor Dr. Günther Neubauer, Direktor des Instituts für Gesundheitsökonomik in München. Dabei verwies er auf die demografische Entwicklung, die durch wenig Nachwuchs und viele alte Menschen gekennzeichnet ist. Zudem wachse der Bedarf der Bevölkerung mit den angebotenen medizinischen Innovationen, sagte er. Deutschland löse das Problem derzeit durch Budgetierung, indem der Bedarf mit den vorhandenen Einnahmen gedeckt werden muss.

 

»Die GKV in Deutschland ist nicht zukunftsfähig«, urteilte der Gesundheitsökonom. Als Grund nannte er, dass sich die Gesetzliche Krankenversicherung aus Erwerbseinkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze von derzeit 3750 Euro finanziere. Er verwies darauf, dass die Arbeitseinkommen in den vergangenen Jahren nicht gestiegen seien und es ab dem Jahr 2050 zu einem massiven Bevölkerungsschwund komme.

Neubauer plädierte für eine Priorisierung und Rationierung der medizinischen Leistungen, die die GKV bezahlt. »Wer im Jahr 2050 in den Ruhestand geht, sollte noch grundversorgt sein.« Neubauer verlangte außerdem eine Beitragsautonomie für die Kassen und eine Regionalisierung der Finanzierung, wie Bayern und Baden-Württemberg sie fordern.

 

Er verwehrte sich gegen das Argument, dass eine Kopfpauschale das Ende der paritätischen GKV-Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer markiere. Diese sei bereits heute passé. Denn Arbeitgeber holten sich ihren Anteil wieder, so wie sie es immer getan hätten. »Ein Arbeitnehmer muss seine Kosten erwirtschaften«, sagte Neubauer.

 

Dass die heutige Gesetzliche Krankenversicherung einige Ungerechtigkeiten enthält, bescheinigte auch Professor Dr. Stefan Greß. Doch er will das System erhalten und seine Schwächen beheben. Die bestehende GKV sei in der Bevölkerung anerkannt und stoße auf hohe Zustimmung, gab der Leiter des Fachgebiets Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie der Hochschule Fulda zu bedenken. Zu den bewahrenswerten Vorteilen zählte Greß die Einkommens- und Risikosolidarität, die vor finanzieller Überforderung im Krankheitsfall schützt sowie relativ geringe Verwaltungskosten. Als Schwächen der GKV nannte er die Beitragsbemessungsgrenze, die kostenlose Mitversicherung von nicht-erwerbstätigen Ehegatten, das Abwandern der finanzkräftigen Klientel in die Private Krankenversicherung (PKV) und eine zunehmende Abhängigkeit von Steuermitteln.

 

Negatives Ehegattensplitting

 

Greß sprach sich dafür aus, die Grenzen bei der Beitragsbemessung und der Versicherungspflicht sukzessive anzuheben, und die PKV zu einem Finanzierungsbeitrag zu verpflichten. Zudem forderte er ein negatives Ehegattensplitting, das heißt, dass das Einkommen von Ehepartnern rechnerisch auf beide zur Hälfte verteilt wird und jeder bis zur Beitragsbemessungsgrenze seinen Beitrag entrichten muss. Heute errechnet sich der Krankenkassenbeitrag aus einem Einkommen. Weiter votierte Greß dafür, die Steuerfinanzierung an verlässliche Indikatoren zu binden und den Preiswettbewerb der Kassen zu revitalisieren.

 

Die geplante Kopfpauschale kritisierte Greß als keineswegs gerechter. So soll die beitragsfreie Mitversicherung von Ehegatten zum Beispiel erhalten bleiben. Außerdem sieht der Gesundheitsökonom viele Unwägbarkeiten. Der Nachweis, dass das Entkoppeln von Arbeits- und Gesundheitskosten auf die Beschäftigung wirkt, stehe aus. Auch die Zuständigkeiten für den Sozialausgleich seien ungeklärt. Nicht zuletzt bemängelte Greß eine starke Abhängigkeit von Steuermitteln. »Ein Systemwechsel ist begründungspflichtig«, sagte Greß. »Die Begründungen überzeugen aber nicht.« / 

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