Diskretionszonen in jeder Apotheke |
02.04.2007 16:07 Uhr |
<typohead type="3">Diskretionszonen in jeder Apotheke
Von Ursula Sellerberg und Ulrich Krötsch
»Solange man im Postamt eine Briefmarke vertraulicher einkaufen kann als eine Hämorrhoidensalbe in der Apotheke, ist dringender Handlungsbedarf gegeben.« Klare Worte von NRW-Gesundheitsminister Karl-Joseph Laumann. Mit seiner Forderung steht der CDU-Politiker nicht allein da. Die Bundesapothekerkammer ergreift jetzt zusammen mit den Landesapothekerkammern die Initiative zur Verbesserung der Diskretion in Apotheken.
Viele Patienten wünschen sich mehr Diskretion in der Apotheke - vergleichbar mit der Vertraulichkeit, die sie von Arztbesuchen kennen. Und das nicht nur bei unangenehmen Themen wie Vaginalpilz oder Erektionsstörungen, sondern bei jedem einzelnen Beratungsgespräch. Die größere Verschwiegenheit ist aus der Patientensicht einer der größten Vorteile von Internetapotheken. Höchste Zeit also, dass alle öffentlichen Apotheken diesem Kundenwunsch nachkommen.
Deutliche Forderungen der Politik
Die Politik hat in den vergangenen Jahren die Position der Apotheker als unabhängigen Heilberuf gestärkt. Den direkten Zusammenhang zwischen Heilberuflichkeit und Diskretion benannte Professor Dr. Stefan F. Winter, Staatssekretär des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales von Nordrhein-Westfalen, auf dem Neujahrsempfang der Apothekerkammer Nordrhein: »Der Apotheker als Kaufmann bedarf der Diskretionszone kaum, der Apotheker als Heilberufler, der notwendige Fragen stellt und speziell zum einzelnen, für diesen Patienten bestimmten Arzneimittel berät, auf jeden Fall. Wenn die Kammern ihre Anstrengungen für die notwendige Fortbildung in der Beratung ihrer Mitglieder verstärken und an Ort und Stelle nachsehen, ob die Umsetzung der für jedermann vertraulichen Beratung in den Apotheken überzeugend gelebt wird, dann haben sie ihren Beitrag zur besseren Qualität erbracht.«
Absichtserklärungen reichen nicht aus: Die Politik erwartet von den Apothekern, dass die heilberufliche Funktion im Alltag erlebbar ist. Wenn es den Apothekern nicht gelingt, den berechtigten Forderungen der Politik Rechnung zu tragen, verlieren sie an Glaubwürdigkeit. Die Anstrengungen der Apothekerschaft würdigte Laumann in einem PZ-Interview (PZ 05/2007): »Ich bin auch sehr erfreut darüber, dass sich die Berufsorganisationen der Apotheker aktuell darüber Gedanken machen, wie man die Diskretion in der Beratung noch verbessern kann. Das ist sehr wichtig, denn es ist nachvollziehbar, dass Patienten bei so intimen Gesprächen keine weiteren Mithörer haben wollen.«
Gesetzliche Rahmenbedingungen
Bereits 1987 wurde die Verpflichtung der Apotheker zur Information und Beratung über Arzneimittel in die Apothekenbetriebsordnung aufgenommen. Seit 1994 gilt zusätzlich, dass die Offizin so eingerichtet sein muss, dass die Vertraulichkeit der Beratung gewahrt werden kann (ApBetrO § 4, Absatz 2). Denn die Gestaltung der Offizin soll verdeutlichen, dass der Informations- und Beratungsauftrag der Apotheker wesentlicher Teil des Arzneimittelversorgungsauftrags ist.
Auszug aus der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), zuletzt geändert am 10. Oktober 2006
§ 4 Beschaffenheit, Größe und Einrichtung der Apothekenbetriebsräume
(1) Die Betriebsräume müssen nach Art, Größe, Zahl, Lage und Einrichtung geeignet sein, einen ordnungsgemäßen Apothekenbetrieb, insbesondere die einwandfreie Entwicklung, Herstellung, Prüfung, Lagerung, Verpackung sowie eine ordnungsgemäße Abgabe von Arzneimitteln und die Information und Beratung über Arzneimittel, auch mittels Einrichtungen der Telekommunikation, zu gewährleisten. [...]
(2) Eine Apotheke muss mindestens aus einer Offizin, einem Laboratorium, ausreichendem Lagerraum und einem Nachtdienstzimmer bestehen. Die Offizin muss einen Zugang zu öffentlichen Verkehrsflächen haben; sie muss so eingerichtet sein, dass die Vertraulichkeit der Beratung gewahrt werden kann. [...]
§ 20 Information und Beratung
(1) Der Apotheker hat Kunden und die zur Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde oder Tierheilkunde berechtigten Personen zu informieren und zu beraten, soweit dies aus Gründen der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist. Durch die Information und Beratung der Kunden darf die Therapie der zur Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde oder Tierheilkunde berechtigten Personen nicht beeinträchtigt werden. Soweit Arzneimittel ohne Verschreibung abgegeben werden, hat der Apotheker dem Kunden die zur sachgerechten Anwendung erforderlichen Informationen zu geben.
Die Offizin muss also so gestaltet werden, dass eine vertrauliche Beratung möglich ist. Dabei zählt das Ergebnis, konkrete Vorschriften dazu gibt es nicht. NRW-Gesundheitsminister Laumann: »Ich hielte es für falsch, wenn sich die Politik in die konkrete Ausgestaltung einmischt. Kammern und Verbände haben das Problem erkannt und wollen es lösen. Die Apothekerschaft wird dies Schritt für Schritt umsetzen. Die Apotheker können sicher am besten einschätzen, wie viel Diskretion im Einzelfall notwendig ist. Man muss nicht alles über Verordnungen regeln.«
Die Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte hat bereits im Jahr 1997 Leitsätze zur Vertraulichkeit der Beratung bei der Abgabe von Arzneimitteln verabschiedet, die Hinweise für die Umsetzung der Regelung geben. Die Forderungen wurden von der BAK übernommen.
Die Abgabe von Arzneimitteln in der Apotheke muss nach § 20 ApBetrO mit Information und Beratung einhergehen, soweit dies aus Gründen der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist.
Die Vertraulichkeit der Beratung gemäß § 4, Absatz 2, Satz 2 muss daher in der Offizin gewahrt sein.
Durch entsprechende Anordnung und Gestaltung der HV-Tische ist ein Mithören Dritter weitestgehend zu vermeiden.
Abgeteilte Bereiche in der Offizin (Beratungsecke), die diesen Zwecken dienen, sind keine optimale Lösung.
Für eine Beratung, die über § 20 ApBetrO hinausgeht, ist ein zusätzlicher Raum nicht erforderlich.
Sofern ein zusätzlicher Raum für Dienstleistungen vorhanden ist, muss dieser von der Offizin aus zugänglich sein.
Andere von der ApBetrO vorgeschriebene Funktionsräume sind für die Beratung im Regelfall nicht bestimmt.
Spätestens seit 1999 müssen alle Apotheken so eingerichtet sein, dass die Vertraulichkeit der Beratung gewährleistet wird. Dies wurde in vielen Apotheken so interpretiert, dass ein Beratungsraum eingerichtet oder eine Beratungsecke abgetrennt wurde. Dieser Beratungsraum ist nach wie vor unerlässlich, etwa für Blutuntersuchungen, Gespräche im Rahmen der Pharmazeutischen Betreuung oder zum Anmessen von Kompressionsstrümpfen. Aber der Beratungsraum allein reicht bei Weitem nicht aus. Es ist wichtig, dass jedes einzelne Gespräch zwischen einem Mitarbeiter der Apotheke und dem Kunden diskret verläuft.
In vielen Apotheken ist die Offizin schon so gestaltet, dass jedes Beratungsgespräch vertraulich bleibt. Auch wenn eine innenarchitektonische Lösung der Königsweg ist, so können Diskretionszonen in jeder Apotheke schnell und preiswert eingerichtet werden. Oft reicht es schon aus, auf dem Boden mit einem Klebeband eine Wartelinie zu markieren.
Kreative Lösungen
Die Kunden kennen dies von Banken oder der Post und akzeptieren solche Abtrennungen schnell. Auch ein einfaches Hinweisschild, auf dem HV-Tisch oder als Bodenständer, zeigt gute Erfolge. Ein durchgehender HV-Tisch kann mit Trennwänden oder Ständern in zwei oder drei »Beratungsbuchten« unterteilt werden. Zusätzlich kann die Abtrennung noch durch Regale aus dem Freiwahlbereich, die an den HV-Tisch herangeschoben werden, verstärkt werden. Einige Apothekenausstatter bieten bereits entsprechendes Werbematerial wie Klebebänder, Fußmatten oder Ständer an. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Beispiele und Anregungen finden Apothekerinnen und Apotheker unter www.abda.de/diskretion.
Die Wartezeiten für die Kunden verändern sich nicht, sondern nur der Ort. Die Wartezone, zum Beispiel im Freiwahlbereich, kann attraktiv gestaltet werden und die Kundenbindung erhöhen. So kann die Apotheke dort Informationsbroschüren auslegen oder Sitzgelegenheiten für die Kunden anbieten.
Beim westfälisch-lippischen Apothekertag am 17. und 18. März in Münster wurde ein Ideenwettbewerb der Apothekenausstatter ausgeschrieben. Die Vorschläge fanden auch bei Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder großes Interesse. Die Apothekerkammer Nordrhein hat auf Ihrer Homepage (www.aknr.de) ebenfalls einen Ideenwettbewerb für Apotheken ins Leben gerufen.