»Auf das richtige Maß Wettbewerb kommt es an« |
29.01.2007 11:32 Uhr |
»Auf das richtige Maß Wettbewerb kommt es an«
Von Hartmut Morck und Daniel Rücker, Düsseldorf
Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann ist ein überzeugter Anhänger mittelständischer Strukturen. Deshalb hatte sein Bundesland auch großen Anteil an der Entschärfung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG).
PZ: In zwei Wochen soll das GKV-WSG verabschiedet werden. Rechnen Sie damit, dass es eine Mehrheit findet?
Laumann: Ich gehe davon aus, dass das Gesetz eine Mehrheit in Bundestag und Bundesrat finden wird. Nachdem das Gesetz auch auf Veranlassung der Länder noch einmal wesentlich verändert wurde, bin ich zuversichtlich.
PZ: Kann es noch weitere Änderungen geben? Die Apotheker hoffen darauf, dass die Höchstpreisverordnung und die Möglichkeit, den Patienten einen Teil der Zuzahlung zu erlassen, vom Tisch sind.
Laumann: Da wird es keine Änderungen mehr geben. Die Länder und maßgeblich auch das Land Nordrhein-Westfalen haben sich dafür eingesetzt, dass wir einen gangbaren Weg finden. Auf der einen Seite wollen wir keinen existenzbedrohenden und qualitätsgefährdenden Preiswettbewerb unter den Apotheken; auf der anderen Seite sind wir aber auch dafür verantwortlich, dass das Gesundheitswesen bezahlbar bleibt. Deshalb dürfen die Arzneimittelausgaben nicht zu stark steigen. Das haben wir mit der Erhöhung des Kassenrabattes auf 2,30 Euro erreicht. Für die Apotheker ist dies zwar schmerzlich. Auf der anderen Seite habe ich aber das Gefühl, dass die meisten Apothekenleiter diese Regelung insgesamt für akzeptabel halten.
PZ: Sie haben sich sehr intensiv für die Streichung der für Apotheker sehr gefährlichen Gesetzesänderungen stark gemacht. Warum?
Laumann: Im Gesundheitswesen kommt es auf das richtige Maß Wettbewerb an. Man kann dort natürlich nicht alles über Gebührenordnungen regeln. Es ist unstrittig, dass Wettbewerb grundsätzlich dem Kunden und Patienten nützt. Das zeigt auch das Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz. Damit haben wir erreicht, dass viele Generika heute von der Zuzahlung befreit sind.
Auf der anderen Seite darf der Wettbewerb aber nicht dazu führen, dass der Mittelstand um seine Existenz fürchten muss. Außerdem hätte die geplante Änderung einen reinen Preiswettbewerb ausgelöst, der zwangsläufig zulasten der Qualität gegangen wäre. Das halte ich für einen völlig falschen Weg.
PZ: Sie machen sich sehr stark für die inhabergeführte Apotheke. Gehen Sie davon aus, dass die Versorgung über Apothekenketten schlechter wäre?
Laumann: Ich sehe den Apotheker in erster Linie als Heilberufler. Er muss in der Lage sein, seine Patienten unabhängig zu beraten. Natürlich ist er auch Kaufmann, das darf aber nach meiner Überzeugung nicht im Vordergrund stehen. Ich glaube, dass wir mit dem Apothekensystem, wie es sich mit dem eingeschränkten Mehrbesitz aktuell darstellt, am besten fahren.
Außerdem muss derjenige, der etwas verändern will, sich fragen, was am Ende der Entwicklung steht. Ich bezweifle, dass die Aufhebung des Fremdbesitzverbotes und damit die Zulassung von Apothekenketten tatsächlich Vorteile bringt. Wenn am Ende zwei große Ketten stehen, dann ist es keinesfalls sicher, dass es preiswerter oder besser wird. Ich bin vor 35 Jahren in die CDU eingetreten, weil ich mittelständische Strukturen erhalten möchte. Ich bin mir auch bei der Arzneimittelversorgung sicher, dass sie bei der mittelständischen Apotheke in den besten Händen ist.
PZ: Erfüllen die Apotheken, so wie sie sich heute darstellen, Ihre Erwartungen?
Laumann: Ja. Die Apotheken geben sich sehr viel Mühe, die Leute gut zu beraten. Gerade in den ländlichen Gebieten haben sie eine ganz wichtige Funktion. Ich bin auch sehr erfreut darüber, dass sich die Berufsorganisationen der Apotheker aktuell darüber Gedanken machen, wie man die Diskretion in der Beratung noch verbessern kann. Das ist sehr wichtig, denn es ist nachvollziehbar, dass Patienten bei so intimen Gesprächen keine weiteren Mithörer haben wollen.
PZ: Vor einigen Jahren gab es die Diskussion um ein Beratungszimmer oder zumindest eine abgetrennte Beratungsecke. Halten Sie dies für sinnvoll?
Laumann: Ich denke, man kann Diskretion auch einfacher erzeugen. Nehmen Sie die Banken als Beispiel. Ich hielte es für falsch, wenn sich die Politik in die konkrete Ausgestaltung einmischt. Kammern und Verbände haben das Problem erkannt und wollen es lösen. Die Apothekerschaft wird dies Schritt für Schritt umsetzen. Die Apotheker können sicher am besten einschätzen, wie viel Diskretion im Einzelfall notwendig ist. Man muss nicht alles über Verordnungen regeln.
PZ: Vor einigen Wochen hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden, dass dm-Drogeriemärkte Rezepte für die Europa-Apotheek einsammeln dürfen. Sie haben deutlich gemacht, dass Sie dies für keine gute Entwicklung halten. Wie wollen Sie jetzt weiter vorgehen?
Laumann: Wir haben zuerst dafür gesorgt, dass die Stadt Düsseldorf Einspruch dagegen einlegt, dass keine Revision zugelassen wird. Das ist mittlerweile geschehen. Wenn man wie ich der Meinung ist, dass die Arzneimittelversorgung am besten über mittelständische inhabergeführte Apotheken funktioniert, dann muss man sich auch politisch dafür einsetzen.
Man darf nicht vergessen, dass es nicht nur Großstädte gibt. Nordrhein-Westfalen ist zwar ein Land der Städte, wir haben aber auch ländliche Regionen. Heute haben wir auch in kleineren Orten mit drei- viertausend Einwohnern oft noch eine Apotheke. Wenn wir wollen, dass dies so bleibt, müssen wir auch die entsprechenden Rahmenbedingungen erhalten. Die Landesregierung hat sich deshalb darauf verständigt, nach Abschluss der Gesundheitsreform eine Bundesratsinitiative zu starten, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wieder zu verbieten. Ich habe dies bereits mit dem Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers vereinbart.
PZ: Für wie groß halten Sie die Chancen, dass Sie bei den Ländern dafür eine Mehrheit finden?
Laumann: Das wird sich zeigen. Es gibt durchaus Signale aus anderen Bundesländern, dass sie eine solche Initiative unterstützen würden. Natürlich müssen wir auf die Vorstellungen der anderen Länder Rücksicht nehmen und den Antrag so formulieren, dass er mehrheitsfähig ist. Damit werden wir uns im Detail aber erst beschäftigen, wenn das GKV-WSG endgültig beschlossen ist.
PZ: Ein ähnlicher Fall ist die Entscheidung des OVG in Saarlouis, die Schließung der DocMorris-Filiale in Saarbrücken vorläufig aufzuheben. Langfristig könnte dies auch die mittelständischen Apotheken gefährden. Könnten Sie sich hier ein ähnliches Vorgehen von NRW vorstellen?
Laumann: Es gibt eine klare Linie: Bundesrecht geht vor Länderrecht und Europarecht kann in bestimmten Fällen Bundesrecht brechen. Wir sollten dies beachten. Solange Bundesrecht Kapitalgesellschaften verbietet, Apotheken zu betreiben, sind wir gut beraten, uns daran zu halten. Wir sind in NRW nicht der Meinung, dass man das Bundesrecht ändern sollte.
PZ: Herr Hecken sieht dies anders.
Laumann: Das möchte ich nicht weiter kommentieren, ich habe ja bereits gesagt, wie die Rangfolge ist. Wenn wir ein Bundesgesetz für falsch halten, dann können wir eine Bundesratsinitiative starten, um das Bundesgesetz zu ändern. Wir tun dies beim Versandhandel, das Saarland hätte dies beim Fremdbesitz auch tun können.
PZ: NRW würde also eine DocMorris-Filiale nicht genehmigen?
Laumann: Das Gesetz ist eindeutig und wir halten es für richtig. Es gibt deshalb keinen Grund dafür, ausländischen Kapitalgesellschaften eine Betriebserlaubnis zu erteilen. Wenn man dies täte, müsste man im Gegenzug auch Apothekern erlauben, unbegrenzt Apotheken zu besitzen.
PZ: Aktuell wird die Apothekenbetriebsordnung überarbeitet. Was sollte sich hier Ihrer Meinung nach ändern?
Laumann: Grundsätzlich bin ich dafür, dass alle Regelungen auf ihre Alltagstauglichkeit und Notwendigkeit geprüft werden. Hierzu gehört auch die Überlegung, ob den Apotheken die Freiheit eingeräumt werden soll, zu entscheiden,ob sie Arzneimittel selbst oder in einer beauftragten Apotheke herstellen und prüfen lassen wollen. Auch sollten Information und Beratung stärker verankert werden. Die Entschlackung der Apothekenbetriebsordnung und ein Abbau der Bürokratie sollte ein wichtiger Teil der Überarbeitung sein.
PZ: Die Regulierungen im Apothekenmarkt werden immer wieder hinterfragt. Was ist aus Ihrer Sicht das stärkste Argument für die Beibehaltung des Status quo?
Laumann: Die Apotheker müssen vor allem auf Qualität, Sicherheit und intensive Beratung setzen. Sie sollten sehr selbstbewusst mit ihren Dienstleistungen umgehen. Das Argument der flächendeckenden Versorgung halte ich im Augenblick nicht für das stärkste. Die Menschen in den Städten sehen Plätze oder Straßenkreuzungen, an denen es vier oder fünf Apotheken gibt. Das sitzt in den Köpfen fest. Drohende Versorgungslücken sieht deshalb niemand.