Ein Symptom, viele Ursachen |
30.03.2016 09:16 Uhr |
Von Maria Pues / Ohrenschmerzen können sehr unterschiedliche Ursachen haben, die nicht immer im Bereich des Hörorgans zu finden sind. Es erleichtert die Suche, dass manche Erkrankungen in bestimmten Altersgruppen häufiger auftreten als in anderen.
Ohrenschmerzen fallen meist sehr heftig aus. Die Beschwerden erscheinen auf den ersten Blick recht einheitlich, doch die Ursachen können vielfältig sein, etwa infektiös, neurogen oder verletzungsbedingt. Einen ersten Hinweis gibt bereits das Alter des Patienten. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) in ihrer Leitlinie »Ohrenschmerzen« hin.
Im Schwimmbad lauern Keime, die zu einer Entzündung des äußeren Gehörgangs führen können. Diese häufigste Ursache von Ohrenschmerzen bei Jugendlichen heißt deshalb auch Schwimmbad-Otitis.
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Danach entstehen Ohrenschmerzen bei Säuglingen und Kindern häufig durch eine akute Mittelohrentzündung (Otitis media acuta, AOM), während bei Jugendlichen Entzündungen des äußeren Ohres (Otitis externa) überwiegen. Bei Erwachsenen stehen Reizungen des Kiefergelenks im Vordergrund, bei Senioren unter anderem Furunkel oder Zahnschäden. Daher sind Ohrenschmerzen nicht immer ein Fall nur für den Hals-Nasen-Ohren-Arzt.
Mehr als 60 Prozent der Kinder erkranken bis zu ihrem sechsten Lebensjahr an einer akuten Mittelohrentzündung. Sie leiden dann an plötzlich einsetzenden, heftigen Ohrenschmerzen zusammen mit Hörstörungen. Die Kinder sind matt und reizbar, haben Fieber und fühlen sich schwindelig. Bei der Inspektion des Ohres sieht der Arzt eine Vorwölbung des Trommelfells (Paukenerguss). Um die Untersuchung nicht zu erschweren, raten Mediziner vom Einsatz von Ohrentropfen ab. Häufig folgt eine AOM auf eine Infektion der oberen Atemwege, indem Krankheitserreger in den Bereich des Ohres aufsteigen. Da Kinder häufig erkältet sind, verwundert es wenig, dass auch AOM in diesem Alter besonders häufig auftreten.
Antibiotika meist überflüssig
Für Kleinkinder ist eine AOM der häufigste Anlass für eine Antibiotikatherapie. Viele Studien und entsprechend auch die Leitlinie raten inzwischen zu Zurückhaltung beziehungsweise einem Abwarten beim Einsatz, doch es gibt auch Ausnahmen. So geht man etwa bei einer beidseitigen AOM heute von einer bakteriellen Ursache aus, was für den Einsatz spricht. Doch meist heilt eine AOM auch ohne Antibiotika-Gabe komplikationslos aus. Diese vermindern außerdem nicht die starken Ohrenschmerzen, unter denen viele Kinder mit AOM leiden.
Bei Kindern ab zwei Jahren empfiehlt die Leitlinie daher neben körperlicher Schonung und Flüssigkeit die Gabe von Paracetamol (drei- bis viermal täglich 10 bis 15 mg pro kg Körpergewicht (KG), maximale Tagesdosis 60 mg pro kg KG) oder Ibuprofen (20 bis 30 mg pro kg KG täglich, verteilt auf drei bis vier Gaben), um das Fieber und die Schmerzen zu lindern. Erst wenn sich nach 48 Stunden die Beschwerden nicht bessern, sollte ein Antibiotikum zum Einsatz kommen. Auch bei jüngeren Kindern ab sechs Monaten kann der Leitlinie zufolge zunächst abgewartet werden, wenn die Krankheitssymptome nicht zu stark sind und die Eltern mit ihrem Kind am nächsten Tag noch einmal zum Arzt kommen. Kinder unter sechs Monaten und Kinder jedes Alters mit sehr starken Symptomen sollten stationär behandelt werden.
Säuglinge und Kinder | Jugendliche | Erwachsene | Ältere Erwachsene |
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Entzündung des äußeren Gehörgangs
Leiden Jugendliche oder Erwachsene unter Ohrenschmerzen, stellt eine akute Otitis externa eine häufige Ursache dar. Da sie oft nach dem Schwimmen auftritt, spricht man auch von einer Schwimmbad-Otitis. Doch nicht nur Bakterien im Schwimmbad- oder Badesee-Wasser – eher in ungechlortem als in gechlortem –, sondern auch Pilze, Allergien, Bestandteile in Körperpflegeprodukten und nicht zuletzt ungeeignete Ohrreinigungsmaßnahmen können dabei die Entzündung verursachen.
Das äußere Ohr reagiert bei einer akuten Otitis externa schmerzhaft gereizt sowie mit Rötung und Schuppung. Daher besteht Verwechslungsgefahr mit einer Psoriasis vulgaris. Auch die Ohrmuschel und der Bereich um das Ohr herum können gerötet sein. Wichtig: Bei einer Otitis externa reagiert der Tragus, der kleine, verdickte Knorpel vor dem Eingang des Gehörgangs, anders als bei einer AOM sehr druckempfindlich.
In der Behandlung einer akuten Otitis externa kommen neben einer fachgerechten Reinigung des äußeren Gehörgangs durch den Arzt bei Bedarf Antibiotika und Corticosteroide in Form von Ohrentropfen oder -salben zum Einsatz. Nur wenn auch Allgemeinsymptome auftreten, wird eine systemische Behandlung empfohlen.
Sechs von zehn Kindern erkranken bis zu ihrem sechsen Lebensjahr mindestens einmal an einer Mittelohrentzündung.
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Bei Erwachsenen mit Ohrenschmerzen kann mitunter ein Besuch beim Zahnarzt oder Orthopäden angezeigt sein, denn bei ihnen stellen vor allem Erkrankungen des Kiefergelenks, der Bandscheiben oder der Zervikalgelenke häufige Ursachen für Ohrenschmerzen dar. So sind bei der Hälfte der Erwachsenen ohne pathologischen Ohrenbefund die Ursache die Bandscheiben oder die Halswirbelsäule. Häufig zeigen sich dann tastbare Verdickungen der Muskelansätze im Schulter-Nacken-Bereich, druckschmerzhafte Muskelansätze am Hinterkopf oder eine Verstärkung der Schmerzen bei Bewegungen der Halswirbelsäule.
Im höheren Lebensalter muss immer auch an eine mögliche Reaktivierung von Herpes-zoster-Viren gedacht werden, die nicht nur die bekannten Symptome einer Gürtelrose verursachen. Auch im Gehörgang kann es zu einer Zoster-Erkrankung kommen, dem Zoster oticus, bei dem die Viren eine Entzündung des siebten und achten Hirnnervs hervorrufen. Hauptsymptome sind die typische Bläschenbildung am äußeren Gehörgang, wodurch Betroffene auch schlechter hören. Häufig tritt auch Schwindel auf. Kommt eine Faszialisparese, eine Gesichtslähmung, hinzu, spricht man von einem Ramsey-Hunt-Syndrom.
Die Behandlung erfolgt hier wie auch bei einer Gürtelrose durch die systemische Gabe von Virustatika, zum Beispiel Aciclovir, Valaciclovir oder Brivudin, plus Analgetika sowie bei Bedarf austrocknende Externa. Die analgetische Therapie sollte innerhalb der ersten drei Tage begonnen werden. /