Individuell richtig, gemeinsam falsch |
19.03.2013 19:02 Uhr |
Von Guido Michels / Warum führen Unternehmen ruinöse Preiskriege? Warum kennt eine Verhandlung auch mal zwei Verlierer? Die Spieltheorie liefert Antworten. Ein Blick auf ein komplexes Theoriewerk mit Alltagsbezug.
Im Film »A Beautiful Mind« spielt Russel Crowe den Mathematiker John F. Nash. Das Werk zeigt neben der psychischen Erkrankung des Forschers auch seinen Beitrag zu einer wichtigen akademischen Theorie: der Spieltheorie. Diese ist beileibe keine lustige akademische Besonderheit, sondern liefert interessante Erkenntnisse über das menschliche Verhalten in Interaktions- und Entscheidungssituationen und zeigt Ergebnisse und Lösungswege derselben auf.
Im Zusammenspiel mit anderen können einzelne, individuell richtige Entscheidungen kollektiv zu einem falschen Ergebnis führen.
Foto: Fotolia/Schuppich
Eine berühmte Problemstellung der Spieltheorie ist das sogenannte Gefangenendilemma: Zwei Verbrecher haben bei der Polizei die Möglichkeit zu schweigen oder auszusagen. Schweigen beide, wird jeder zu zwei Jahren Haft verurteilt. Wer aber seinen Komplizen verrät, bekommt nur ein Jahr, der andere die Höchststrafe von sechs Jahren. Gestehen beide, werden sie wegen gemeinschaftlichen Verbrechens zu je vier Jahren verurteilt.
Beide wägen nun rational ab: Schweigt der andere, kann man selbst durch ein Geständnis die Minimalstrafe von einem Jahr erreichen. Falls aber der andere aussagt, dann entgeht man durch ein eigenes Bekenntnis der Höchststrafe. Als Ergebnis sagen beide aus und müssen für vier Jahre hinter Gitter. Hätten beide von Anfang an geschwiegen, dann hätten sie nur die Hälfte der Strafe erhalten. Das Dilemma ist also, dass eine individuell richtige Entscheidung zu einem kollektiv falschen Ergebnis führt.
Auch im täglichen Leben und in der Wirtschaft finden sich solche Situationen. Bei einem Preiskampf werden zum Beispiel die Preise so weit gesenkt, bis das einzelne Unternehmen seine Kosten gerade wieder einspielt. Selbst wenn es dadurch Kunden dazugewonnen hat, stellt es sich selbst und alle Wettbewerber schlechter, als in der Ausgangssituation. Gedanklich verwandte Problemstellungen findet man unter anderem in Verhandlungssituationen, im Wettbewerbsverhalten, bei Auktionen und bei sozialen oder betrieblichen Entscheidungssituationen. Auf globaler Ebene können zum Beispiel Probleme wie Umweltverschmutzung, Staus oder Wettrüsten auf ähnliche Art und Weise beschrieben werden.
Wie löst man solche Spiele auf und kommt zu einem guten oder optimalen Ergebnis? Lösungen erreicht man mithilfe von Kommunikation, Information und Vertrauen. Hätten die Gefangenen die Möglichkeit gehabt, miteinander zu reden, dann hätten sie beispielsweise das für sie günstigste Ergebnis absprechen können. Die eigene Entscheidung wird auch erleichtert, wenn Informationen über das wahrscheinliche Verhalten des anderen vorliegen. Mache ich als Unternehmer zum Beispiel deutlich, dass ich aufgrund meiner unerschöpflichen Kapitalausstattung jedem Preiskrieg standhalten könnte, schrecke ich von vornherein Wettbewerber ab und verhindere ein für mich unangenehmes Szenario.
Kooperatives Verhalten
Allerdings helfen diese Lösungsansätze nur solange, wie sich die Akteure hinsichtlich ihrer Absichten und Handlungsweisen vertrauen. Hier hilft die »Wie-du-mir-so-ich-dir-Strategie« weiter. Diese empfiehlt, in einer Spielsituation mit einem kooperativen Verhalten zu beginnen. Sobald die andere Partei dies zu ihren Gunsten ausnutzt, reagiert man mit Sanktionen. Führt dies zu einer positiven Verhaltensänderung, kehrt man auch selbst zur kooperativen Haltung zurück. Wissenschaftliche Studien haben nachgewiesen, dass durch solch ein Verhalten bessere Ergebnisse erzielt werden, als wenn nur einseitig auf Kooperation oder Konfrontation gesetzt wird. Diese Erkenntnis findet sich unter anderem auch in der Literatur über Personalführung wieder: Dort wird die kooperative Grundhaltung und der »Wie-du-mir-so-ich-dir«-Ansatz als ein Baustein eines situativ angepassten Verhaltens gegenüber Mitarbeitern genannt. /