Aktivismus |
13.03.2012 16:50 Uhr |
Wer hätte das vor zwei Jahren gedacht? Die bislang chronisch klammen Krankenkassen schwimmen im Geld. 20 Milliarden Euro Überschuss hat die Gesetzliche Krankenversicherung mittlerweile angespart. Eine Menge Geld. Was soll damit passieren?
Die Bundesregierung wäre sich nicht treu geblieben, hätte sie dazu eine einheitliche Meinung (lesen Sie dazu Krankenversicherung: Streit um die Milliarden). Die FDP will die Praxisgebühr abschaffen und erntet dafür erwartungsgemäß die Zustimmung der Ärzte. Die Union will die Praxisgebühr beibehalten. Stattdessen wollen die Christdemokraten eventuell den Beitragssatz senken oder Prämien ausschütten, die Christsozialen in Gestalt von Horst Seehofer wollen das eine wie das andere nicht. Seehofer will das Geld für schlechte Zeiten auf die hohe Kante legen. Und schließlich bleibt noch Finanzminister Wolfgang Schäuble, der den Bundeszuschuss an die Gesetzliche Krankenversicherung kürzen will.
Einen Gefallen tut sich die Bundesregierung mit der kakophonen Vorschlagsorgie sicherlich nicht. Vor allem dem FDP-Vorschlag, die Praxisgebühr abzuschaffen, hängt der Verdacht an, potenziellen Wählern einen Gefallen tun zu wollen. Angesichts der hinlänglich bekannten demografischen Entwicklung gibt es wenig Anlass dafür, die von den Patienten zögernd akzeptierte Selbstbeteiligung wieder abzuschaffen. Und wenn die Praxisgebühr keine Steuerungsfunktion hat, dann muss sich die Regierung eben überlegen, wie man ihr eine geben kann.
Der Aktivismus der Regierung ist ohnehin nur bedingt nachzuvollziehen. Wenn der Gesundheitsfonds mehr Geld einnimmt, als er an die Kassen weitergibt, dann sollte der Beitrag sinken. Und für die Finanzen der Krankenkassen gibt es gesetzlich fixierte Regeln. Haben sie aber mehr als ein Viertel ihrer Monatsausgaben als Rücklage, dann können sie den Überschuss als Prämie auszahlen; übersteigt die Rücklage die Ausgaben für einen ganzen Monat, dann müssen die Kassen sogar den Überschuss an ihre Versicherten weitergeben. Natürlich könnten sie auch das Geld verwenden, um bessere Leistungen anzubieten, oder die Bundesregierung könnte dafür sorgen, dass die Leistungserbringer wieder fairer bezahlt werden. Darüber hat in der Koalition aber bislang noch niemand laut nachgedacht.
Daniel Rücker
Chefredakteur